Eine alte Kirche reformiert

Die Jahre des Wiederaufbaus – ein Rückblick / Teil 1


Die wiederaufgebaute St. Martha Kirche ist viel reformierter geworden – auch auf den ersten Blick erkennbar. (Fotos: Georg Rieger)

Am 5. Juni 2014 brannte die St. Martha Kirche in Nürnberg – jetzt ist sie fertig und wieder in Gebrauch. Georg Rieger hat den Wiederaufbau im Auftrag der evangelisch-reformierten Gemeinde koordiniert. In fünf Kapitel beschreibt er, wie es geworden ist.

Im Moment strömen täglich um die hundert Menschen in die Kirche, um das wieder erstandene Gebäude zu besichtigen. Noch bis Weihnachten ist täglich zwischen vier und neun Stunden geöffnet – ein Kraftakt für viele Ehrenamtliche, die immer mindestens zu zweit für Fragen zur Verfügung stehen und die Dokumentation des Wiederaufbaus und Postkarten verkaufen. Ein bisschen leichter macht es die Aufgabe, dass die Kirchenöffner*innen viele positive Kommentare zu hören bekommen – nicht selten unverhohlene Begeisterung.

Viele der Besucher*innen waren vor dem Brand „irgendwann einmal zu einem Konzert da gewesen“. Die Frage, wie es denn vorher ausgesehen hat, wird trotzdem sehr oft gestellt. Deshalb wurden Fotos ausgedruckt und liegen zur Ansicht aus. Nein, die St. Martha Kirche ist nicht mehr die alte. Aber interessanterweise wünscht sich die auch niemand zurück. Wirklich so gut wie niemand.

Das spricht mehr als alles Andere für das Ergebnis. Es sagt aber auch etwas über den Prozess, der zu diesem Ergebnis geführt hat. Sowohl der Entwurf des Münchener Architekten Florian Nagler ist stimmig, als auch das Verhältnis der Gemeinde zu dem wiedererstandenen Gebäude. Der Brand war ein Schock, der Wiederaufbau war eine Geduldsprobe, und nun gibt es allen Grund dankbar zu sein.

Die Gemeinde konnte sich in ihre alte neue Kirche langsam eingewöhnen: Schon Ende September fand der Umzug von der gegenüberliegenden katholischen St. Klara Kirche zurück nach St. Martha statt. Da waren die Gerüste ab- und die neuen Stühle aufgebaut. Und so wurde an den Sonntagen alles, was noch Baustelle war, auf die Seite geräumt, um für den Gottesdienst Platz zu schaffen.

Anfang November begannen dann die auf fünf Termine verteilten Wiedereröffnungs-Feierlichkeiten: Ein offizieller Festakt mit Oberbürgermeister, Kirchenpräsident und vielen ökumenischen Gästen. Am darauf folgenden Sonntag ein Eröffnungsgottesdienst mit der Festpredigt von Pfarrer Dieter Krabbe und einem ersten Kirchenkaffee. Ein paar Tage später waren alle Handwerker*innen und alle Planenden eingeladen, um zum feierlichen Vespern an den in der Kirche aufgestellten Tischen Platz zu nehmen. Obwohl lange nicht alle kommen konnten, waren es über 100, die „ihre“ fertige Marthakirche noch einmal sehen wollten.

Zum Eröffnungskonzert brachten ein Projektchor- und orchester Mendelssohn-Bartholdys „Lobgesang“ zur Aufführung und die Akustik der Kirche wurde auf die Probe gestellt. Es sieht ganz so aus, als dass sie mindestens so gut ist wie vor dem Brand. Und zum Abschluss des Feier-Reigens wurden die Spender*innen eingeladen und über die Verwendung ihrer Unterstützung informiert.

Die Idee, verschiedene Eröffnungsfeiern „anzubieten“, war für uns als Einladende und für die Eingeladenen gleichermaßen entspannt. Die große Zahl der Gäste hat sich ihrem Interesse folgend auf die verschiedenen Termine verteilt, die Gemeinde konnte ihre Dankbarkeit jeweils angemessen zum Ausdruck bringen und logistisch war es zu bewältigen.

Mit den Eröffnungsfeiern wurden gleichzeitig auch schon viele Szenarien ausprobiert, für die die Kirche künftig taugt: Verschiedene Sitzordnungen, Stimmungen, technische Herausforderungen. Noch klappt nicht alles fehlerfrei, aber die Möglichkeiten zu erleben, ist eine Genugtuung. Es hat sich gelohnt, so praktisch zu denken. Mit mehr oder weniger vielen Handgriffen ist die Kirche mit 360 Plätzen voll bestuhlt, ist aber auch Platz für Ausstellungen geschaffen oder sind Tische für eine Synode gestellt. Selbst in kleiner Runde sitzt es sich im Chorraum oder in einem der Seitenschiffe gemütlich.

Zum Gottesdienst sitzt die Gemeinde in einer angedeuteten Runde. Und selbst wenn es im Endeffekt nur etwa 90 Grad, ein Viertel eines Kreises, sind, ist es doch eine ganz andere Zugewandtheit der Gemeinde zueinander und zum Zentrum des Gottesdienstes – der (neuen) Kanzel und dem Abendmahlstisch (von 2000). Die Stühle sind zu Bänken verbunden und laden zum Zusammenrücken ein. Das war einer der Wünsche der Gemeinde, der am Anfang des Wiederaufbaus formuliert worden war. Ein anderer war, dass die Kirche ihren einladenden Charakter wiederbekommt.

Die Reaktionen der Gemeindemitglieder und der Besucher*innen lassen darauf deuten, dass es gelungen ist. Wie es die St. Martha Kirche schafft zu begeistern, das ist eine spannende Frage. Es gibt aber Anzeichen dafür. >Fortsetzung folgt

Georg Rieger

Für die Handwerker*innen waren Tische in der Kirche aufgebaut.
Die Jahre des Wiederaufbaus – ein Rückblick / Teil 4

Der Wiederaufbau der St. Martha Kirche war ein Prüfstein für die presbyterial-synodale Organisationsform. Die Kirchengemeinde in Nürnberg war für alles verantwortlich und trotzdem nicht überfordert.
Die Jahre des Wiederaufbaus – ein Rückblick / Teil 3

Diese Wendung passt auf viele Stationen, die die St. Martha Kirche betreffen. Aber es gibt auch noch andere Ambivalenzen zwischen Zerstörung und Neuanfang.
Die Jahre des Wiederaufbaus – ein Rückblick / Teil 2

Am 5. Juni 2014 brannte die St. Martha Kirche in Nürnberg – jetzt ist sie fertig und wieder in Gebrauch. Georg Rieger hat den Wiederaufbau im Auftrag der evangelisch-reformierten Gemeinde koordiniert. In fünf Kapitel beschreibt er, wie es geworden ist.