Kurzmeldungen




Entmythologisierung

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim

© Pixabay

„Kriegstüchtig“ hätte noch vor kurzem das Unwort des Jahres sein können. Heute beschreibt dieses Adjektiv einen erstrebenswerten Zustand.

Milliarden Euro sollen in Rüstungsgüter und Truppenaufbau fließen. Keine Obergrenze .Die Wehrpflicht wird wieder eingeführt, irgendwie, irgendwann. Autohersteller werden Panzer bauen, zivile Werften werden Kriegsschiffe produzieren. Deutsche Soldaten werden im Baltikum stationiert. Müssen wir uns über Krieg Gedanken machen? 

Ich gehöre zu jenen, die sich treu und brav von den öffentlich-rechtlichen Medien informieren lassen. Kaum ein Abend vergeht ohne Berichterstattung über den „vorbildlichen“ Wehrdienst in Schweden oder Finnland. Regelmäßige Berichte über neue Aufrüstungsinitiativen der EU oder der NATO wechseln sich mit Meldungen über eine „wachsende russische Bedrohung“ ab. Jedem muss dabei klar werden, dass Kriegsgefahr droht.

Es sind nur ganz selten Fakten und echte Bedrohungen, die zu Kriegsausbrüchen geführt haben. In aller Regel waren es Mythen, konstruierte Feindbilder, allerlei „Narrative“, die den Krieg eines Tages als etwas Notwendiges und Unvermeidliches empfinden ließen. 

Vor dem ersten Weltkrieg war es der Mythos von der „Einkreisung“, bei den Nazis ging es um „neuen Lebensraum im Osten“, im kalten Krieg war die Rede von „roter Gefahr“ und „Dominoeffekt“ und heutzutage beruft sich Putin wieder auf eine „Einkreisungstheorie“. Bei uns floriert das Narrativ von der „Zeitenwende“. Wenn es Mythen sind, die zu Kriegen führen, dann erwarte ich Entmythologisierung durch die öffentlich-rechtlichen Medien und auch durch meine Kirche.


Paul Oppenheim
 

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