''Gegrüßet seiest Du, Maria!''

Predigt am 3. Advent zu Lukas 1,26-38


Bernhard Strigel: Verkündigung an Maria (Ausschnitt) © Wikicommons

von Eva Bernhardt in der Antoniterkirche, Köln, in der Predigtreihe „Herausgerufene“

Chaire! - Shalom! - Gegrüßet seist Du! So oder so ähnlich mag der Gruß des Engels an Maria geklungen haben.

Heute soll es um sie gehen, um Maria, an diesem 3. Advent, an diesem letzten Abend in der diesjährigen Predigtreihe überschrieben mit dem Titel „Herausgerufene“. „Gegrüßet seiest Du, Maria!“

Waren Sie schon mal bei einer Beerdigung irgendwo auf dem Lande, in einer katholisch geprägten Gegend? Ich bisher nur einmal. Ich war noch in der Ausbildung, im Vikariat, und hatte die Beerdigungsvertretung in einigen Dörfern in der Nähe von Jülich übernommen.

In einem dieser Dörfer ist genau in dieser Zeit die wohl einzige evangelische Frau im Dorf verstorben. Und es gab ein langes Hin und Her, bis dann die Trauerfeier für diese evangelische Frau doch auch in der katholischen Dorfkirche stattfinden durfte. Denn alle Nachbarn und Freunde wollten ja mit zur Beerdigung, wie im Dorf üblich. Und die Kapelle auf dem Friedhof, die eher einer Doppelgarage glich, war dafür definitiv zu klein.

Die Trauerfeier fand schlussendlich in der Kirche statt, und alle waren da. Und nach der Trauerfeier machten wir uns auf den Weg zum Friedhof. Quer durchs Dorf, ein langer Weg, durch leere Straßen, wer sollte auch noch auf der Straße sein, alle liefen ja im Trauerzug mit, um diesem einmaligen Ereignis, einer evangelischen Beisetzung im Dorf beizuwohnen.

Und auf diesem ganzen langen Weg durchs Dorf murmelte es hinter mir. - Nein, es wurde nicht gelästert oder getratscht, was man ja auch hätte vermuten können. Es murmelte nur in einem fort. Erst verstand ich es nicht so ganz, doch dann war es klar zu hören:

„Gegrüßet seiest Du Maria voll der Gnade, der Herr ist mit Dir, Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes… – Gegrüßet seiest Du Maria voll der Gnade, der Herr ist mit Dir, Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes…“ und so weiter und so weiter… Und auch noch einmal drei Runden, als wir endlich am Grab angekommen waren.

Für mich war es vollkommen befremdlich. Für die Menschen im Dorf, allen voran der Vorsitzenden des örtlichen Frauenvereins, gehörte es unbedingt dazu: „Gegrüßet seiest Du Maria! Maria, verehrt, vielleicht sogar angebetet. Besonders von unseren katholischen Glaubensgeschwistern als Heilige, als Fürsprecherin bei Gott verstanden und geglaubt.

Maria Immakulata. Seit 1854, seit Papst Pius IX., gilt in der katholischen Kirche das Dogma der unbefleckten Empfängnis, das heißt, Maria sei schon seit ihrer Geburt von Gott erwählt. Maria, die Ersterlöste, das kam dann hundert Jahre später. Seit 1950, seit Papst Pius XII. gilt das Dogma, Maria sei mit Leib und Seele als erste in den Himmel aufgenommen – Hmmmh!?

Nun, auch Luther hat Maria als Gottesmutter bezeichnet, ihre Reinheit und Demut als verehrungswürdig betrachtet. Viele Reformatoren haben wie er Marienpredigten gehalten. Allein Calvin war sehr deutlich bemüht, vor der schnell überschrittenen Grenze der Götzenverehrung einer „Himmelskönigin“ zu warnen. Und in der Tat, die Gottesmutter, die jungfräulich reine Himmelskönigin hat durchaus Anleihen an alten, ägyptischen, phönizischen, griechischen und römischen Göttinnen. Gestalt und Verehrungsformen ähneln sich vielfältig.

Auch in der feministischen Theologie wird Maria sehr unterschiedlich gesehen. Für die einen ist sie eine starke weibliche Identifikationsfigur in ihrem Glauben. Andere Theologinnen mahnen, dass mit der Marienverehrung so etwas wie ein „Marianismus“ kultiviert wird. Also in Parallele zum Machismus, der die dominante machohafte Männlichkeit der Männer zum Ideal erklärt, ein Marianismus, der das Ideal der Frau in Unterordnung, Keuschheit oder Mütterlichkeit sieht, und dies, mit dem Bild der Maria, als gottgewollt hinstellt.

Ja, Maria ist eine sehr umstrittene Gestalt! Wer ist sie also? Oder besser: was bedeutet sie? Was bedeutet sie für uns?

Begegnen wir erst einmal in unserem Predigttext, der aufgeschrieben ist bei Lukas im ersten Kapitel in den Versen 26 bis 38 [Verlesen des Predigttextes in der Übersetzung der Zürcher Bibel, 3. Auflage 2009]

Gott segne unser Reden, Hören und Verstehen. Amen.

Die Szene, von unzähligen Künstlern durch alle Zeiten dargestellt, steht uns klar vor Augen. Der Bote Gottes, der Engel Gabriel, kommt zu Maria. Gabriel, das heißt „die Kraft Gottes“! Gott handelt und schickt seinen Boten, sein Ziel: ein kleiner, unbedeutender Ort, nicht der Rede wert. Wer kannte wohl schon Nazareth in der kleinen Landschaft Galiläa.

Gabriel kommt zu Maria und Lukas lässt ihn grüßen mit „Chaire!“, dem alltäglichen griechischen Gruß seiner Zeit. Chaire, ein alltäglicher Gruß, der so etwas heißt wie „Freude“, ähnlich dem hebräischen „Shalom“, Friede. Gabriel kommt in Marias Alltag und grüßt ganz alltäglich. Doch dann, dieser andere, ganz und gar nicht mehr alltägliche Gruß.

Im Deutschen und im Lateinischen gibt es dieses Wort so gar nicht, es lässt sich nur umschreiben. Es ist ein Verb und bedeutet so viel wie „angenehm machen“. Aber Lukas lässt Gabriel dieses Verb im Perfekt passiv gebrauchen, also so etwas wie „Du Angenehm-gemacht-gewordene“. Maria, die Angenehm-gemacht-gewordene, das klingt kompliziert.

Die lateinische Übersetzung hilft sich, indem sie das Verb gleich ganz auflöst. Im Ergebnis wird das Ganze nun verständlicher, aber der Preis ist hoch, denn fortan sind Missverständnissen über die hier so Gegrüßte Tür und Tor geöffnet. Der Gruß lautet nun: „Sei gegrüßt, voller Gnade!“ – „Sei gegrüßt, Maria voller Gnade!“ – Maria, die Frau, die Gnadenvolle, die Begnadete! Als wäre es ein Attribut ihrer Person. Dabei liegt doch alles nur in dem Blick, mit dem Gott sie ansieht.

Maria reagiert sehr menschlich, sehr verständlich. Sie ist verwirrt, sie ist erschrocken. „Was soll das heißen? Du Angenehm-gemacht-gewordene?“ Und auf Marias menschliche, verständliche Reaktion, reagiert Gabriel menschlich, verständnisvoll und sagt, was Engel in solchen Situation wohl häufiger sagen: „Fürchte Dich nicht!“

Und er setzt noch einmal neu an: „…Du hast Gnade gefunden bei Gott…“. Und dann, dann redet er mit Engelszungen… Er spricht sie an und entfaltet ihr, wofür Gott sie in Anspruch nehmen will: „Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und Du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden und Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und seine Herrschaft wird kein Ende haben.“

Und Maria, Maria ist empfänglich für diese Worte und nimmt sie auf und nimmt sie an. Sicher kannte sie die Verheißungen an das Haus Davids, wie sie aufgeschrieben sind zum Beispiel im 2. Buch Samuel, wo Gott zu David spricht: „Wenn sich deine Tage vollenden und du dich zu deinen Vorfahren legst, werde ich den, der von dir abstammt auftreten lassen und ich werde sein Königtum befestigen. […] Ich werde ihm Vater sein und er wird mir Sohn sein. […] Meine Gnade aber wird nicht von ihm weichen […]“ Vielleicht ja auch die Worte des Propheten Jesaja: „Seht, eine junge Frau ist schwanger und sie gebiert einen Sohn. Und sie wird ihm den Namen Immanu-El geben.“ Oder auch die Worte aus Jesaja 9: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seinen Schultern […] Und der Friede ist grenzenlos auf dem Thron Davids.“

Maria ist empfänglich für diese Worte und nimmt sie auf und nimmt sie an. Und so angesprochen begreift sie sehr wohl, wofür sie da in Anspruch genommen werden soll. Sie soll guter Hoffnung sein, dass ihr Leben etwas austrägt, sie begreift, dass sie den, auf den alle warten, die Hoffnung ihres ganzen Volkes, austragen und zur Welt bringen soll. Und wieder reagiert Maria erst einmal sehr menschlich, sehr verständlich, als junges Mädchen, das sie eben ist, vielleicht gerade 16 oder auch jünger, verlobt mit einem deutlich älteren Mann, den sie sich, wie damals üblich, sicher nicht selbst ausgesucht hat, keine Liebesbeziehung, und Frau hatte ja jungfräulich, unberührt in die Ehe zu gehen…

Und so fragt sie dann hier auch: „Wie soll das geschehen, da ich doch von keinem Mann weiß?“ Manche Exegeten, manche Textausleger meinen, dass diese Frage der Maria hier nur nachträglich eingeschoben worden sei, um die Antwort Gabriels zu ermöglichen, um die Aussage Gabriels einzubringen, die die Wundertat Gottes, die Empfängnis des Kindes durch den Heiligen Geist betont, und damit die Jungfräulichkeit Marias festhält. Um da ja keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen… „Bei Gott ist nämlich kein Ding unmöglich!“ Aber gerade diese Jungfräulichkeit Marias ist es ja, an der sich die Geister scheiden. Und damit ist es genau der Punkt, an dem wir genauer hinschauen müssen, wenn es um die Frage geht, was denn Maria bedeutet.

Ich habe früher in der Konfirmandenarbeit und in Kursen der Erwachsenenbildung häufiger das apostolische Glaubensbekenntnis so sprechen lassen, dass jeder und jede nur die Passagen laut mitsprechen sollte, die er oder sie tatsächlich glaubt und gut mitsprechen kann. Ich muss ihnen wohl nicht sagen, bei welcher Passage es sehr leise wurde und ich nur noch alleine sprach. Genau, „Empfangen durch den Heiligen Geist“ und - noch viel leiser „Geboren von der Jungfrau Maria“.

Ob diese Betonung bei Lukas, dass hier tatsächlich kein Mann im Spiel war, nachträglich eingefügt worden ist, wir wissen es nicht. Wenn wir aber bei Lukas hier lesen „Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“, dann wird klar, Jungfräulichkeit ist hier nicht zu deuten gegen Körperlichkeit, Sexualität oder unser biologisches Wissen, hier geht es um etwas ganz anderes! Hier geht es zunächst überhaupt nicht um die menschliche Seite, das Menschen mögliche. Wenn hier die Jungfräulichkeit Marias betont wird, dann geht es im Eigentlichen um die Betonung der Empfängnis aus Gottes Schöpfergeist!

Lukas erzählt: Hier ereignet sich Schöpfung, Neu-Schöpfung. Schöpfung, neue Schöpfung, der Anbruch von etwas ganz neuem – von Gott her, aus seinem Schöpfergeist, in und durch Maria.

„Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“. Darin ist gesagt: Wie am Anfang der Schöpfung, als der Geist Gottes über den Wassern schwebte, unmittelbar vor der Geburtsstunde des Seins, so bahnt sich hier nach der Überschattung Marias auch eine Geburt an, die Geburt des Einen, des neuen Menschen, nicht hinein geboren in den Kreislauf hin zu Tod und Vergehen, sondern der neue Mensch, der ganz und gar aus und von Gott lebt, der Gottes Wort und Willen zur Erfüllung bringt, die Erfüllung des Bundes Gottes mit seinen Menschen.

Wie am Anfang der Schöpfung, als der Geist Gottes über den Wassern schwebte, unmittelbar vor der Geburtsstunde des Seins, so bahnt sich auch hier eine Geburt an, die Geburt des Einen, nicht hineingeboren in den Kreislauf hin zu Tod und Vergehen, sondern den Tod überwindend, die große Wende hin zum ewigen, endgültigen Heil-Sein. Die Geburt des Messias, das heißt, des gesalbten Gottes, des Christus.

Die Worte des Engels knüpfen an, an die große Verheißung Gottes, die große Hoffnung seines Volkes, auf den Einen, den Messias, den Gesalbten Gottes, der als Sohn des Höchsten, als König vorgestellt wurde, der sehnlich erwartet wurde, dessen Herrschaft ewig und ohne Ende sein würde. Wenn wir sagen „Geboren von der Jungfrau Maria“, dann geht es nicht darum, dass wir uns über eine schwierige Glaubensklippe retten, indem wir beim Sprechen des Bekenntnisses im Hinterkopf immer denken „naja, das steht da halt so, bestimmt nur ein Übersetzungsfehler, das heißt doch nur ‚junge Frau‘…“

Hier geht es auch nicht darum, es sich so zu erklären, dass es natürlich notwendig war, Jesus wie allen großen Männern, Königen und Herrschern der damaligen Zeit, eine besondere Geburt, am besten gar eine Jungfrauengeburt anzudichten.

Und es geht auch nicht darum, die Jungfräulichkeit Marias zu betonen, um die Reinheit, die Sündlosigkeit Marias herauszustellen – womöglich noch als Frauenideal allgemein – mit dem Gedanken, dass der körperliche Zeugungsakt eben Sünde ist, oder mit ihm gar die Erbsünde weiter und weiter in die Welt hineingezeugt, hineingeboren würde – und damit darf der Sohn ja um Himmels willen nun gar nichts zu tun haben.

Die Jungfräulichkeit Marias zu betonen und zu bekennen heißt, anzuerkennen, heißt zu verstehen, dass es hier in direkter Linie um eine Verbindung, um die Kontinuität zur Offenbarungsgeschichte, zur Verheißungsgeschichte Gottes mit seinem Volk Israels geht, und dass die Verkündigung an Maria, die uns Lukas hier am Anfang seines Evangeliums erzählt, allein vor diesem Hintergrund recht verstanden werden kann.

Wenn man es sich so vorstellen mag: Gott geht hier mit Maria einen neuen, einen weiteren Schritt auf dem Weg seiner Verheißungsgeschichte mit seinen Menschen. Er, den wir als den Schöpfer bekennen, Er, der das scheinbar unbedeutende, kleine Volk Israel zu seinem Volk erwählt hat, seinen Bund mit ihm geschlossen hat, es immer wieder bewahrt, herausgeführt, erlöst hat, und die gute Hoffnung auf endgültige Erlösung durch die vielen, vielen Prophetenworte durch alle Zeiten in die Menschen gelegt hat, Er ist hier wieder am Werk! Mit Maria, in ihr und durch sie, öffnet er seine Verheißung für alle Welt, für alle Menschen, so auch für uns heute hier im Jahr 2011 in Köln.

Er, den wir als den Schöpfer bekennen, ist wieder am Werk. Er, der Gott Israels, öffnet seine Verheißung für alle Welt, für alle Menschen. Und dazu spricht er Maria an, nimmt sie in Anspruch. Mitten in ihrem Alltag, mitten in ihrer Welt, mitten in Seiner Welt will Er sie in Umstände bringen, die sie sich so wohl nie vorgestellt oder für sich gewünscht hätte. Doch er nimmt sie in Anspruch.

Er erinnert sie an seine Verheißung: das Kommen seines Messias, seines Gesalbten, des Christus. Und sie ist empfänglich dafür und antwortet: „Ja, mir geschehe, wie Du gesagt hast!“ Ob sie dieses „Ja“ je bereut hat?

Wir wissen es nicht, es wird uns nicht erzählt, aber menschlich wäre es natürlich. Denn dieses „Ja“ brachte für ihr Leben ja nicht nur eitel Freude, Sonnenschein, es brachte zunächst einmal viel Schweres mit sich:

Der Skandal im Dorf, in der Familie, eine unverheiratete ist schwanger, die Geburt im Stall, die Flucht nach Ägypten, die Angst um das Kind, das in Jerusalem verschwindet und einfach nicht versteht, warum sich Eltern sorgen, wenn er doch im Haus seines Vaters ist, das Nicht-begreifen, wie der Sohn als Prediger durch das Land zieht und ungehörte und unerhörte Dinge tut und sagt, die Leute oft höher achtet und sieht als sie, die eigene Mutter, und dann die Erfahrung, dass der Sohn zum Verbrecher gestempelt und zum Tode verurteilt wird, nein, so hatte sie sich das bei ihrem „Ja“ sicher nicht vorgestellt.

Doch Gottes Pläne sind grösser, Gottes Pläne sind anders. Er ist es, der die Initiative ergreift, er spricht Maria an, in ihrem Alltag, in ihrem Leben, und nimmt sie in Anspruch.

Aber, und das vielleicht in kritischer Brechung zum Titel dieser Predigtreihe, er spricht an, er nimmt in Anspruch, aber er ruft nicht heraus, er ruft hinein in seine Verheißungsgeschichte. Eine oder einzelne als Herausgerufene zu bezeichnen birgt immer die Gefahr – menschlich, allzu menschlich – diese für besser, grösser, höher, näher dran an Gott zu halten und sich selbst für fein raus zu halten, für nicht angesprochen, nicht zuständig zu erklären. Eine oder einzelne als Herausgerufene zu bezeichnen birgt immer die Gefahr – menschlich, allzu menschlich – diese auf Sockel zu heben, heilig zu sprechen, in Stein zu hauen, in Holz zu schnitzen, zu vergolden, überirdisch. Wir erinnern uns:„Die Begnadete, die gnadenvolle Himmelskönigin!“

Doch diese Worte der Verkündigung an Maria stellen klar vor Augen und Ohren, es ist allein Gott, der die Initiative ergreift, der erschafft, der erwählt, der allein als der Höchste, der Heilige genannt und geglaubt werden soll. Lukas schreibt an anderer Stelle, dass einmal eine Frau zu Jesus kam, die sagte: „Selig der Schoss, der dich getragen hat, und die Brüste, an denen du gesogen hast. Er aber sprach: Selig vielmehr, die das Wort Gottes hören und bewahren.“

Es ist allein Gott, der die Initiative ergreift. Er ist es, der Menschen begegnet, der Menschen anspricht und in Anspruch nimmt, sein Wort zu hören, „Ja“ zu ihm zu sagen und es zu bewahren. Maria hat genau das getan! Und genau da, da sind wir an dem Punkt, was sie, was Maria denn für uns bedeuten kann!

Calvin hat einmal in einer Predigt über unsere Bibelstelle hier bei Lukas gesagt: „[…] wir sollen erkennen, dass wir sie [Maria] als Lehrmeisterin annehmen und halten […] denn wie wir sehen ist hier die ganze Summe unseres Heils enthalten […]. Tun wir es [doch] der Jungfrau Maria gleich und sagen [auch] wir: „Herr, mir geschehe nach deinem Wort!“ Dahin müssen wir kommen, dass sein Wort vor uns hergehe und uns führe und dann sollen wir wissen, dass es zu einem Ziel kommt.“

Gott ruft nicht heraus, er ruft hinein in eine Geschichte mit ihm, er ist es, der Menschen anspricht und in Anspruch nimmt, ganz und gar, wie Maria. Sie ist offen, sie ist empfänglich für sein Wort und lebt damit fortan in anderen Umständen. Sie ist guter Hoffnung, sie erwartet nichts Kleines, sondern Großes, den Christus Gottes in ihrem Leben. Ihr Leben trägt etwas aus, den Trost, die Hoffnung, das Heil für alle Welt.

Gott macht einen neuen Anfang. Was er braucht sind empfängliche Menschen, offen für ihn. Begeisterungsfähige Menschen, offen für seinen Geist, der das Leben unter Umständen in Umstände bringt, die wir so nie geplant und gewollt haben – und, mit Blick auf die Kirche, schon gar nicht verwalten können.

Menschen, die ihm unter allen Umständen vertrauen, unter allen Umständen guter Hoffnung sind und sein können! Weil wir glauben, dass Maria nichts Kleines, sondern Großes ausgetragen hat: Chaire! Shalom! Das heißt Freude, das heißt Friede.

Gegrüßet seiest Du, Maria.

Amen.