Im Zeitalter der Angst

Wie Terror und Hysterie zusammenhängen

Auch Bilder können Angst erzeugen - bekanntes Beispiel sind Aufnahmen von den Anschlägen am 11. September 2001 © Wikimedia / Robert J. Fisch

Leitsatz VII thematisiert ein Grundgefühl unserer Zeit, sowohl einzelner Menschen als auch ganzer Gesellschaften: die Angst.

Angst kann viele Ursachen haben und sich unterschiedlich auswirken. Hier geht es vor allem um die Angst, die durch den internationalen Terrorismus kalkuliert erzeugt wird. Seit 9/11 ist deutlich, dass der politisch oder religiös motivierte Terrorismus nicht nur in Kriegs- und Krisengebieten Menschen zu Opfern macht, sondern auch in unsere westlichen Gesellschaften eingezogen ist.

Es gehört zum Kalkül des Terrorismus, Menschen zu verunsichern. Manche reagieren mit Hysterie. Einige verändern ihre Lebensgewohnheiten und meiden öffentliche Großveranstaltungen oder Plätze. Zugleich muss man zwischen rational begründeten Ängsten, subjektiv empfundenen Ängsten und durch Medienberichterstattung oder politische Interessen inszenierten Ängsten unterscheiden. Und: Es bleibt wichtig, sich das Kalkül mit Angst und Hysterie klarzumachen und seine Mechanismen zu durchschauen. Denn das ist ein erster Schritt zur Überwindung der Angst durch eine „widerständige Besonnenheit“.

Impulsfragen:

  • Mit welchen Empfindungen reagieren Sie auf die Nachricht von einem Terroranschlag?
  • Welche Gedanken löst das in Ihnen aus?
  • Wie gehen Sie mit Ihren Gefühlen und Gedanken um?
  • Ändern Sie Ihre bisherigen Lebensgewohnheiten?

Der Soziologe Heinz Bude schreibt im Buch „Gesellschaft der Angst“ (Hamburg 2014):

„Ein wichtiger Erfahrungsbegriff der heutigen Gesellschaft ist der Begriff der Angst. Angst ist hier ein Begriff für das, was die Leute empfinden, was ihnen wichtig ist, worauf sie hoffen und woran sie verzweifeln. In Begriffen der Angst wird deutlich, wohin die Gesellschaft sich entwickelt, woran Konflikte sich entzünden, wann sich bestimmte Gruppen innerlich verabschieden und wie sich mit einem Mal Endzeitstimmungen oder Verbitterungsgefühle ausbreiten. Angst zeigt uns, was mit uns los ist.“ (10)

„In modernen Gesellschaften ist Angst ein Thema, das alle angeht. […] Auch von der Sache her sind die Ängste zahllos: Schulängste, Höhenängste, Verarmungsängste, Herzängste, Terrorängste, Abstiegsängste, Bindungsängste, Inflationsängste. Schließlich kann man in jede Richtung der Zeit Ängste entwickeln: Man kann Ängste vor der Zukunft haben, weil bisher alles so gut geklappt hat; man kann jetzt im Moment Angst vor dem nächsten Schritt haben, weil die Entscheidung für die eine immer auch eine Entscheidung gegen eine andere Variante darstellt; man kann sogar Angst vor der Vergangenheit haben, weil etwas von einem herauskommen könnte, worüber längst Gras gewachsen ist.“ (11)

„Es war der bis heute als Staatsmann bewunderte Franklin D. Roosevelt, der das Thema der Angst und die Strategie der Angstabsorption auf die politische Agenda des zwanzigsten Jahrhunderts gesetzt hat. In seiner Antrittsrede als 32. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika fand er am 3. März 1933 nach den schrecklichen Jahren der ‚Großen Depression‘ die Worte, die eine neue Politik begründen sollten: ‚The only thing we have to fear is fear itself.‘ Freie Menschen sollen keine Angst vor der Angst haben, weil das ihre Selbstbestimmung kosten kann. Wer von Angst getrieben ist, vermeidet das Unangenehme, verleugnet das Wirkliche und verpasst das Mögliche. Angst macht die Menschen abhängig von Verführern, Betreuern und Spielern. Angst führt zur Tyrannei der Mehrheit, weil alle mit den Wölfen heulen, sie ermöglicht das Spiel mit der schweigenden Masse, weil niemand seine Stimme erhebt, und sie kann panische Verwirrung der gesamten Gesellschaft mit sich bringen, wenn der Funke überspringt. Deshalb, so sollte man Roosevelt verstehen, ist es die erste und vornehmste Aufgabe staatlicher Politik, den Bürgern die Angst zu nehmen.“ (15)

Impulsfragen:

  • Welche der Beschreibungen von Heinz Bude leuchten Ihnen ein?
  • Wo regt sich Widerspruch?
  • Was folgt daraus für den Umgang mit dem Terrorismus?

Matthias Freudenberg
Interview mit einer Studentin

Gespräch mit Victoria Steinmetz, die an der Universität des Saarlandes das Fach „Angewandte Kulturwissenschaften“ studiert, werden die Hauptthemen von Leitsatz 7 (Angst, Kraft des Geistes Gottes, widerständige Besonnenheit) aus der Sicht einer in der Kirche engagierten Frau reflektiert.
Ängsten aufgeklärt entgegentreten

Widerständige Besonnenheit aus Leitsatz VII meint eine Friedfertigkeit ohne Angst und Hysterie. Das bedeutet nicht, reale Gefahren ausblenden zu müssen.
Wirkungen für das friedliche Zusammenleben

Im Leitsatz ist von der „verändernde[n] Kraft des Geistes Gottes“ die Rede. Gottes Geist macht lebendig und stiftet Leben. Mit seiner Kraft ist er schöpferisch wirksam.
Sich mit Vertrauen in Gottes Arme werden

Angst befällt uns in unterschiedlichen Lebenssituationen. Dabei scheint sie oft unbezwingbar. Was Menschen in der Bibel dann allerdings auch erfahren: Gott ist größer als meine Angst.
Deutungen im christlichen Glauben und in unserem Alltag

Die Taube gilt als Symbol des Friedens. In der Bibel spielt sie die Rolle eines Botschafters.
Ein Wort - mit großen Unterschieden

Nicht alles, was sich auf Gottes Geist beruft, stammt wirklich von Gott. Wie der Geist der Wahrheit im Neuen Testament dem Geist der Täuschung gegenübergestellt wird.
Leitsatz VII der Friedenserklärung des Reformierten Bundes

Der Reformierte Bund hat 2017 einen Zwischenruf zur Friedensverantwortung der Kirche veröffentlicht. Hier finden Sie Leitsatz VII zusammen mit weiterführende Materialien und Impulsen.