Matthias Drobinski, SZ rät Kirche, sich auf ihre ureigenen Stärken zu besinnen

Die Menschen packen, berühren, ihr Herz öffnen

Erreicht die Kirche mit ihrer Botschaft heute noch die Menschen? Ja, sagt Matthias Drobinski, Spezialist für theologische Themen bei der „Süddeutschen Zeitung” – wenn sie mehr auf ihre ureigenen Stärken vertraut, Gottesdienst und Predigt. Und wenn sie eine klare Sprache spricht. Und wenn sie in Gestalt von Menschen auftritt, die „entflammt” sind und missionarisch wirken wollen.

Es waren anspruchsvolle Ziele, die der Journalist am Mittwoch (4.11.) in Bielefeld der evangelischen Kirche ins Stammbuch schrieb. Er sprach vor Religionslehrerinnen und –lehrern aus dem Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Ausgangspunkt war das vor 75 Jahren entstandene Bekenntnis von Barmen. Demnach hat die Kirche den Auftrag, „die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk”. 1934 bezogen evangelische Kirchenvertreter in Wuppertal-Barmen mit eindeutigen Worten Stellung gegen die Nazi-Ideologie. „An alles Volk” hieß: Kirche beschränkt sich nicht auf ihren Binnenraum.

Drobinski: Kirche des Wortes hat Sprachschwierigkeiten
„Die Kirche des Wortes hat Sprachschwierigkeiten”, diagnostizierte Drobinski, der als einer der profiliertesten deutschen Journalisten gilt. Er beobachtet im Protestantismus oft „eine verquaste, unkonkrete, manchmal auch pseudopoetische Sprache”. Das jüngst oft bemühte Wort „Kirchenaufbruch” lasse manche Zeitgenossen zuerst an Einbrecher denken, die den Opferstock in der Kirche ausrauben. Bisher sei es nicht gelungen, die alten Begriffe wie Glaube, Liebe, Hoffnung oder Sünde, Gnade, Vergebung mit neuem Leben zu füllen oder durch neue zu ersetzen.
Nirgendwo ist die Kirche so sehr bei sich selbst wie im Gottesdienst, findet Drobinski. „Eine Predigt in ihrer Nähe und Unmittelbarkeit kann die Menschen packen, berühren, ihr Herz öffnen.” Aber viele Kanzelredner seien befangen und trauten sich nicht so recht. „Ein angstvoller Prediger will nicht funkeln und ergreifen, sondern legt Floskeln zwischen sich und die Gemeinde.” Wenn dann noch die Liturgie lieblos abgespult werde, bleibe die Botschaft auf der Strecke.

Inneres Feuer muss spürbar sein
Diese Gefahr bestehe auch, wenn Vertreter der Kirche keine Begeisterung ausstrahlen. „Manche wollen nicht als Pfarrer erkennbar sein”, wundert sich Drobinski. Menschen würden aber durch andere Menschen erreicht und überzeugt, die ihr Kirchesein nicht schamhaft verbergen. Sondern denen man anmerkt, dass etwas in ihnen brennt.

Doch der Katholik Drobinski sieht die evangelische Kirche auf hoffnungsvollem Weg: „Sie hat viel von ihrer einst selbst verordneten Graumäusigkeit verloren und ist der Erstarrung entkommen.” Dabei sei es wichtig, die „widerständige Botschaft” der Bibel auch in ihrer politischen Bedeutung zu verkünden. Aber: „Wenn die Kirche politisch wird, dann soll sie prophetisch sein und sich nicht im Klein-Klein der Parteien verlieren.”


Pressemeldung der EKvW, 5. November 2009