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Nein zum Jain!
Predigt zu 2Kor,1,18-22
Liebe Gemeinde,
Ich bete:
„Herr, nun lässest du uns auch dies Jahr dem Licht, der Feier und der Freude der Weihnachtstage entgegengehen, der uns das Größte, was es gibt, vor Augen stellt: Deine Liebe, mit der du die Welt geliebt hast, daß du deinen einzigen Sohn dahingabst, damit wir Alle an ihn glauben und also nicht verlorengehen, sondern das ewige Leben haben möchten.
Was werden wir dir schon zu bringen und zu schenken haben? So viel Dunkel in unseren menschlichen Verhältnis-sen und in unserem eigenen Innern! So viel verwirrte Gedanken, so viel Kälte und Trotz, so viel Leichtsinn und Haß! So viel, an dem du dich nicht freuen kannst, was uns auch voneinander trennt und was uns bestimmt nicht weiterhilft! So viel, was der Botschaft der Weihnacht schnurstracks zuwiderläuft!
Was sollst du mit solchen Geschenken anfangen? Und was solchen Leuten, wie wir Alle es sind? Aber gerade das Alles willst du ja zur Weihnacht von uns haben und uns abnehmen – den ganzen Kram und uns selber, wie wir sind, um uns dafür Jesus, unseren Heiland, zu schenken und in ihm einen neuen Himmel und eine neue Erde, neue Herzen und ein neues Begehren, neue Klarheit und eine neue Hoffnung für uns und alle Menschen.
Sei du selber unter uns, wenn wir uns nun an diesem letzten Sonntag vor dem Fest noch einmal gemeinsam darauf rüsten wollen, ihn als dein Geschenk zu empfangen! Schaffe du es, daß hier recht geredet, gehört und gebetet werde: in der rechten dankbaren Verwunderung über das, was du mit uns Allen vorhast, über uns Alle schon beschlossen, für uns alle schon getan hast! Amen.“1
Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im zweiten Korintherbrief. Er nimmt uns in eine fremde Welt mit, die voll ist von ärgsten Enttäuschungen und ebenso tiefsten Sehnsüchten, und die gerade in ihrer Fremdheit heute und hier eine besondere Botschaft bringt, nämlich dass das Evangelium zuverlässig ist! Ob wir es wissen oder nicht: In ihm wurzeln all unsere Hoffnungen – oder wir sind wurzellos. Wehe denen, die Gottes Treue antasten, indem sie das „einfache und eindeutige Ja“2 in „Ja und Nein zugleich“ verwandeln. Es ist wohl so, dass Menschen Nein zu Jesus Christus sagen. Aber Jain zu Ihm zu sagen, das ist eine unmögliche Möglichkeit. Denn er ist die Mitte nicht nur des Evangeliums, sondern der gesamten Bibel. Gerade im Advent wollen wir wieder lernen, Ihm ganz neu entgegen zu gehen. Ich lese aus der ZÜ:
„Bei der Treue Gottes, unser Wort an euch ist nicht Ja und Nein zugleich! Der Sohn Gottes, Jesus Christus, der durch uns bei euch verkündigt worden ist – durch mich und Silvanus und Timotheus – war nicht Ja und Nein, sondern in ihm ist das Ja Wirklichkeit geworden. Denn was immer Gott verheißen hat – in ihm ist das Ja und so auch durch ihn das Amen, damit Gott verherrlicht werde durch uns. Der Gott aber, der uns und euch Festigkeit gibt auf Christus hin und uns gesalbt hat, er ist es auch, der uns sein Siegel aufgedrückt, und uns den Geist als ersten Anteil in unsere Herzen gegeben hat.“
Es fällt auf, dass dieser Text trinitarisch aufgebaut ist: Von Gott, dem treuen Vater, über Jesus Christus, seinen lieben Sohn, hin zu dem Geist des Vaters und des Sohnes, der uns heiligt. Das ist kein Zufall! Paulus streitet zu Beginn des 2Kor gegen eine rivalisierende Verkündigung, die nicht nur die Zuverlässigkeit der Botschaft von Kreuz und Auferweckung bestreitet. Nein, diese Verkündigung bestreitet den gekreuzigten Auferstandenen selbst!
Eine solche Lehre verwirrt das apostolische Zeugnis. Es handelt sich allerdings, und das müssen wir verstehen, um eine recht gewiefte, raffinierte, tiefsinnige Lehre, die die Versöhnung nicht etwa platt ablehnt, sondern die den Versuch unternimmt, den Glauben an den Sohn Gottes, und so an Gott selbst, zu erschüttern. Diese Lehre hat keine heilsame Absicht, sondern zielt darauf, der Gemeinde die Versprechen Gottes abspenstig zu machen, und Gott in einem Mix aus „Gott und Nicht-Gott in eins“ zu lehren.3 Mit wem haben wir es zu tun? Ich möchte euch nur ein paar Gedankensplitter mitteilen, denn der Text ist schwer.
Noch einmal: Mit wem haben wir es zu tun? Wir haben es sicher nicht mit Agnostikern zu tun. Agnostiker sind Menschen, die behaupten, dass eine Existenz Gottes überhaupt nicht erkennbar ist. Weshalb wir aus unserer Erfahrung auch keine Gottheit oder höhere Macht ableiten können. Bereits Dietrich Bonhoeffer hat uns ins Stammbuch geschrieben: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“4 Das erstaunt euch? Zu Recht!
Agnostiker, d.h.: Nicht-Erkenner, Nicht-Erfahrer, enthalten sich der Wahrheitsfrage, indem sie, wenn ich richtig verstanden habe, darauf hinweisen, dass, wenn so etwas wie „Gott“ existieren sollte, dieser oder diese sich selbst erweisen muss. Und an dieser Stelle erkennt der Agnostiker etwas Zutreffendes: Der in Jesus Christus Mensch gewordene Gott ist kein höheres Prinzip, die Wahrheit ist eine Person.
ER ist hinabgestiegen in den Herrschaftsbereich des Todes. ER ist durch die Hölle, die wir uns auf Erden bereiten, gegangen. ER ist der, der nicht in fernen Galaxien thront oder haust, sondern der den Tempel von Jerusalem, ja die ganze Erde zu seinem Wohnsitz auserwählt hat. Denn es ist der Gott, der in Jesus Christus dein und auch mein Leben angenommen, unsere korrupte und verkehrte Existenz angezogen hat. Nicht um sich in ihr einzurichten – er hat sich in dem, was manche menschliche „Natur“ nennen, nämlich nicht wohlgefühlt. Sein erster Wohnort war eine Krippe. Welch ein Gegen-Satz: Der Schöpfer des Himmels und der Erde liegt hilflos bei Tieren herum.
Das klingt unangenehm? Nun, die Gemeinde bekennt sich nicht zur Übernatur, wo sie von Gott spricht. Sie bekennt sich auch nicht zum Übernatürlichen; das überlasse ich der Science-Fiction Der Gegensatz von natürlich und übernatürlich zerreißt die eine Welt Gottes in zwei Welten, in eine Vor- und Hinterwelt. Christen sind aber keine Hinterweltler. Sie bekennen den, der in den Himmeln und zugleich auf Erden regiert. Sie glauben an den Gott, der zur Sünde geworden ist, ohne zu sündigen (2Kor 5,21; 1Petr 2,22; s. auch Joh 8,7). Nur Er vergibt Sünde, nur Er erneuert Sünder.
Nun zur rivalisierenden Verkündigung: Die Rivalen, also die Gegner von Paulus, Silvanus und Timotheus sind wohl keine modernen Agnostiker. Sie sind vor-, sowie nachmoderne Gnostiker. Gnostiker sind das Gegenbild zum Agnostiker. Gnostiker sind Eingeweihte, Gelehrte, Kenner, Theologen. In Korinth sind sie Intriganten, die Paulus und seine Mitarbeiter vor der Gemeinde lächerlich machen. Die sie in Verruf bringen und die (üble Nachrede verbreitend) Gemeinde zu spalten drohen. Und zwar weil sie die Versöhnten zugleich für Nicht-Versöhnte halten und Gott für Nicht-Gott. Wie haben wir uns das vorzustellen?
Da gibt’s Gruppen und Kreise, Alte und Junge innerhalb und außerhalb der Kirche, die sprechen vielleicht so: Gott sagt Ja zu dir, wenn du zuerst zu ihm dein Ja sagst. Ansonsten muss er leider Nein zu dir sagen! Oder umgekehrt: Gott sagt ein Nein zu dir, und sein Nein musst du in ein Ja verwandeln, wenn du sündlos werden willst. Oder gar: Manchmal sagt Gott Ja, manchmal sagt er Nein. Wir können das nicht wissen. Deshalb: Von unserer Liebe zu ihm hängt es ab, ihm ein Ja zu entlocken und – sein Nein zu umgehen. Usf. Alle, die so reden, erlegen Menschen eigene, dem Evangelium fremde Bedingungen auf.
Liebe Gemeinde, Paulus weiß nichts von solch einer Lehre, die Unvereinbares vereinbaren will, um es dann als Evangelium auszugeben. Er kennt vor allem keinen wesenhaften(!) Unterschied zwischen dem Gott des Alten und des Neuen Bundes, zwischen einem Rachegott dereinst – und einem lieben heute. Der Gott Israel ist der Vater Jesu Christ – kein anderer Gott, weder ein so genannter niederer noch ein feinerer oder höherer Gott. Er ist der Gott, in sich in Beziehung ist und also zu uns: „Denn was immer Gott verheißen hat – in ihm ist das Ja und so auch durch ihn das Amen, damit Gott verherrlicht werde durch uns.“
Wer zum Vater Ja sagt, sagt zum Sohn Ja. Wer zum Sohn Jain sagt, sagt auch zum Vater Jain. Wer zum Heiligen Geist Ja sagt, sagt zum Sohn und zum Vater Ja. Wer zum Ihm Jain sagt, sagt zum Vater und Sohn Jain. Der Heilige Geist ist nämlich der Geist des Vaters und des Sohnes – keine Projektion von Menschen, die geistreich sein möchten, aber ehrlicherweise geistlos sind. Kurz gesagt: Da Jesus zu dir und mir kaputter Kreatur Ja sagt, darum ist er in unvergleichlicher Weise Gottes Ja. Wer Nein zu seinem Kreuz sagt, aber Ja zum Auferstanden zerteilt ihn, zerteilt das Evangelium. Hier gibt es aber nur Gehorsam oder Ungehorsam. Kein Drittes!
Ihr Lieben! Ein letzter Gedanke: Gottes Ja zu uns ist ein unüberbietbares Ja. Gerade weil dieses Ja so gewaltig ist, enthält es ein Nein – ein kleines Nein, aber ein Nein. Das meint nicht: Ja und Nein, Harmonie, gegenseitige Abhängigkeit von Ja/Nein. Das ist die Lehre, die Paulus abwehrt! Im Ja zu uns ist ein Nein enthalten. Dieses Nein ist nicht ein Nein zu dir und mir. Die Geschöpfe sind „sehr gut“ (Gen 1,31) geschaffen. Aber Gott sagt Nein zu dem, was ihm arge Mühe macht: Unsere Verbohrtheit und Besserwisserei, unsere Trägheit, Unmenschlichkeit und Sorglosigkeit, unsere Dummheit und Unwahrhaftigkeit. Jesaja bringt es auf den Punkt, was Gott aufregt: „Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten.“ (43,24) Gott ist ein Liebhaber seiner Erwählten. Weshalb ist der Mensch aber ein Gnadenhasser und Menschenfeind? Oh je! Wider besseres Wissen wollen wir, was wir nicht wollen können – ohne Gott leben. Würden wir doch gegen Gott leben wollen, würden wir doch rebellieren, wie Hiob: Gott würde uns reich beschenken (so zumindest Job 42).
Nur Heiden wie wir können so verrückt sein, den menschgewordenen Gott zu verleugnen. Nur wir sind so dreist, seinem Ja ein gleichwertiges Nein zur Seite zu stellen. Allein wir können so vermessen sein, seine Verheißungen für erledigt (für „erfüllt“) zu halten. Nur wir, die wir seinen Namen kennen, können ihn so verkennen. IHN, der uns gerecht und heilig gemacht hat, der uns in die Nachfolge gerufen hat, der in Jesus Christus das Ja gesprochen hat, das den Kosmos er-schüttert. Hier treffen sich Gnostiker und Agnostiker: Die einen sind sich zu vornehm für diese Wahrheit, die in sich selbst wahr ist. Und die anderen glauben, sie besäßen die Wahrheit. Beiden fehlt die lebendige Begegnung mit Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift und in der Verkündigung der Gemeinde bezeugt ist. Ich gestehe, ich leide an dieser Zeit. Ich schließe: Sein Ja ist ein unwiderstehliches „Vorwärts“5. Denn nicht wir sagen zuerst zu ihm Ja, sondern Er hat zuerst zu uns Ja gesagt. Nicht ich mache mich Gott angenehm, sondern Gott macht mich vor sich und anderen angenehm, damit ich ihm Ehre und nicht länger Schande bereite. Nun ja, ich will ehrlich sein. Das Evangelium ist hart. Sein Ja ist wie ein Felsen. Seine Enttäuschungen sind nicht die meinen und seine Sehnsucht ist meiner fremd. Wir wünschen uns ruhige Weihnachten. Aber Er will die Welt, die so böse dran ist, völlig verändern. Wo Er groß denkt, denke ich klein. Wo er Ja sagt, sage ich Jain. Wagen wir es neu mit ihm Ja zu sagen?! Jede, jeder an seinem Ort, zu seiner, zu ihrer Zeit. Ich möchte zum Schluss noch einmal beten:
„Herr, unser Gott und Vater, schenke du das Vielen, Allen und so auch uns, daß wir so Weihnachten feiern dürfen: indem wir ganz dankbar und ganz demütig und dann ganz fröhlich und zuversichtlich zu dem kommen, den du uns gesandt hast und in dem du selber zu uns gekommen bist. (…)
Erbarme dich auch über alle die, die dich und dein Reich nicht oder noch nicht recht erkennen, die vielleicht auch einmal Alles gewusst und es dann wieder vergessen oder missverstanden oder gar verleugnet haben! Erbarme du dich über die heute wieder so besonders geplagte und bedrohte, von so viel Unvernunft heimgesuchte Menschheit! Erhelle du die Gedanken derer, die im Osten und im Westen an der Macht sind und, wie es scheint, heute alle nicht recht ein noch aus wissen! Gib den Regierenden und Volksvertretern, den Richtern, Lehrern und Beamten, gib den Zeitungsschreibern in unserem Vaterland die Einsicht und die Nüchternheit, die sie für ihr verantwortungsvolles Tun nötig haben! Lege du selbst denen, die in dieser Weihnachtszeit zu predigen haben, die rechten, die nötigen, die hilfreichen Worte auf die Lippen und öffne dann auch die Ohren und Herzen derer, die sie hören! Tröste und ermutige die an Leib und Seele kranken Menschen in den Spitälern, auch die Gefangenen, auch alle Betrübten, Verlassenen und Verzweifelnden! Hilf ihnen mit dem, was ihnen und uns Allen allein wirklich helfen kann: mit der Klarheit deines Wortes, mit dem stillen Werk deines heiligen (sic.) Geistes!
Wir danken dir, daß wir wissen dürfen: wir beten nicht umsonst und werden nie umsonst zu dir beten. Wir danken dir, daß du dein Licht hast aufgehen lassen, daß es scheint in der Finsternis und daß die Finsternis es nicht überwältigen wird. Wir danken dir, dass du unser Gott bist und daß wir dein Volk sein dürfen. Amen.“6
1 Karl Barth, Fünfzig Gebete, Zürich 2018, 13f.
2 Predigt über 2Kor 1,18-22 (am 4. Advent 1953), in: Hans-Joachim Iwand, Predigtmeditationen, Göttingen 1963, 371.
3 A.a.O., 372.
4 Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung (DBW 8), Gütersloh 1998, 514f.
5 Karl Barth, Das große Ja (Advent 1959), in: Ders., GA, Bd. 6: Predigten 1954-1967, hg. v. H. Stoevesandt, Zürich 1979, 267.
6 Vgl. Anm. 1 (14f.; leicht gekürzt).
Dennis Schönberger