Reformationstag 2018: Plädoyers für Freiheit und Barmherzigkeit

Leiter der Landeskirchen sprechen sich für Solidarität und Freiheit aus


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Anlässlich des 501. Reformationstags fanden auch in diesem Jahr deutschlandweit zahlreiche Gottesdienste statt.

Kirchenpräsident Martin Heimbucher hat in einem ökumenischen Gottesdienst zum Reformationstag den Missbrauch in den Kirchen scharf verurteilt. „Was für ein abgrundtiefer Skandal ist es, wenn in der Kirche bis heute einzelne ihre Macht missbrauchen, um sich andere gefügig zu machen“, sagte er am Mittwoch in der Kirche der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in Westoverledingen-Ihren bei Leer: „So etwas schreit nach der Befreiung, die Christus schenkt und nach der Entmachtung derer, die andere für ihre eigenen Bedürfnisse ausnutzen.“

Die Kirche sei nicht Herrin über den Glauben der Menschen, sagte der evangelische Theologe, sondern seine Dienerin. Jeder Mensch habe seine von Gott geschenkte Würde, unabhängig von dem, was er tue. „Und darum richtet die Gemeinde ihr besonderes Augenmerk auf die Menschen, die in unserer Gesellschaft nicht die Chance haben, etwas aus sich zu machen: Behinderte, Arbeitslose, Kranke, Bedürftige.“ Alle Menschen stünden unter dem gleichen Licht von Gottes Barmherzigkeit. „Wer meint, es gebe in Deutschland oder in Europa eine 'Leitkultur', eine Lebensweise, der sich alle anderen unterzuordnen oder anzupassen hätten, verfehlt genau diesen Kern“, betonte Heimbucher.

Rheinland: „Freiheit ohne Bindung an Gott kann sich schnell gegen den Menschen richten“

Präses Manfred Rekowski hat die christliche Botschaft von der Freiheit hervorgehoben. Die Freiheit gehöre „zu den wichtigsten und gleichzeitig auch am meisten gefährdeten Werten unserer Zeit: die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Religionsfreiheit, die Freiheit, seinen eigenen Lebensweg zu wählen“, sagte der leitende Geistliche der rheinischen Kirche im Reformationsgottesdienst in der Evangelischen Kirchengemeinde Werdorf, Aßlar, im Kirchenkreis Braunfels. „Unter dem Deckmantel einer grenzenlosen Freiheit ohne Bindung an Gottes Befreiung zum Wohl des Menschen kann sich Freiheit sehr schnell gegen den Menschen richten.

„,Ich zuerst – wir zuerst!‘ heißt immer auch ,Du nicht – Ihr nicht!‘“, so der Präses weiter. Dabei nähme man in Kauf, dass andere auf der Strecke bleiben. „Eine ungehemmte Marktwirtschaft und der freie Handel sind das Glaubensbekenntnis der westlichen Welt. Freiheit ohne Grenzen! Aber diese Freiheit verhindert nicht, dass die Schere zwischen Arm und Reich in unserer Welt immer mehr auseinanderklafft, sie befördert sie wohl noch. Für diese Freiheit, die zulasten anderer geht, zahlen viele Menschen einen viel zu hohen Preis.“

Hessen-Nassau: „Welt im Geist der Freiheit mitgestalten“

Auch der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hat die Bedeutung der Freiheit in Kirche und Gesellschaft hervorgehoben. „Freiheit ist ein großes Wort des Glaubens und Freiheit ist ein großes Wort in der Politik“, sagte er beim zentralen Festgottesdienst zum Reformationstag am Mittwochabend in der Mainzer Christuskirche. Auch das gesellschaftspolitische Leben müssten Christinnen und Christen nach Worten Jungs „im Geist der Freiheit mitgestalten“. Dazu sei es wichtig, auch Menschen mit anderer Glaubenszugehörigkeit zu ermöglichen, ihre Religion auszuüben. Zudem sollten sie sich für Meinungsfreiheit und Pressefreiheit einsetzen und sich „an die Seite derer stellen, die wegen ihrer Religion oder ihren Meinungen bedroht und verfolgt werden“.

Der Präses der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Ulrich Oelschläger, wies auf den bleibenden Anspruch der evangelischen Kirche hin, sich permanent zu erneuern und die Reformation weiterzuführen. Heute sei „ständige Reformbereitschaft in wechselnden Zeiten“ ein zentrales Anliegen. In diesem Zusammenhang sei es auch eine Frage an die Kirchen, wie sie „für den europäischen Traum von Freiheit und Solidarität für alle Menschen eintreten können“. Manchen Menschen erscheine die Europäische Union zudem heute zu kompliziert und bürokratisch, zu unverständlich, manchmal auch zu weit weg und zu uninteressant“, sagte der Präses. Oelschläger: „Man könnte sich jetzt abwenden und den alten Nationalstaaten zu – man kann aber auch versuchen, Europa wieder eine Seele zu geben.“


Quelle: EKiR/ErK/EKHN