Staatsanwalt rechtfertigt Vorgehen gegen Schulz

Die Ermittlungen rund um die Johannes a Lasco Bibliothek wurden nachhaltig erschwert

In einem Exklusiv-Interview mit den Ostfriesischen Nachrichten hat der Leitende Oberstaatsanwalt Werner Kramer in Aurich die offensive Vorgehensweise seiner Behörde verteidigt. Es entbehre jeder Grundlage, die Staatsanwaltschaft als verlängerten Arm der Reformierten Kirche in Leer zu betrachten. Einem Anfangsverdacht für eine Straftat müsse ohne Ansehen der Person nachgegangen werden.

Die Ereignisse rund um die Emder Johannes a Lasco Bibliothek und ihren ehemaligen Leiter Dr. Walter Schulz schlugen in den vergangenen Wochen nicht nur in Ostfriesland hohe Wellen. Die Staatsanwaltschaft Aurich ermittelt seit Anfang September gegen Schulz und einen seiner Exmitarbeiter (Dr. Alfred Rauhaus) wegen des Verdachts der Untreue. Gegenüber den Ostfriesischen Nachrichten (ON)  äußert sich Leitender Oberstaatsanwalt Werner Kramer jetzt erstmals ausführlich zu den laufenden Ermittlungen.

ON: Herr Oberstaatsanwalt, ihre Behörde hat nach eigenen Angaben am 12. September eine groß angelegte Durchsuchungsaktion in der Johannes a Lasco Bibliothek und bei ihrem ehemaligen Direktor Dr. Walter Schulz sowie einem weiteren Mitarbeiter der Bibliothek durchgeführt. Aufgrund welcher Erkenntnisse oder Hinweise kam es dazu?

Kramer: Durch die umfangreiche Berichterstattung über die a Lasco Bibliothek in allen Presseorganen und der ebenfalls bereits umfänglichen Berichterstattung hinsichtlich der fristlosen Kündigung des jetzigen Beschuldigten bei der Ostfriesischen Landschaft haben wir von Amts wegen einen Vorprüfungsvorgang angelegt, um gegebenenfalls schnell reagieren zu können, falls wir Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht auf eine Straftat erhalten. Diese Anhaltspunkte erhielten wir weiter durch eine Anzeige, die unsere bisherigen Erkenntnisse teilweise bestätigten, teilweise ergänzten. Wir waren daher verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, um die Dinge weiter aufzuklären.

ON: Bei der Durchsuchung sollen 20 Beamte im Einsatz gewesen sein. Halten Sie das Ausmaß dieser Aktion, die in der Öffentlichkeit hohe Wellen geschlagen hat, für gerechtfertigt?

Kramer: Aufgrund der uns bekannt gewordenen Umstände – Vernichtung von Beweismitteln – waren wir gehalten, umgehend und umfassend diese zu sichern. Da wir drei Objekte (eines von erheblicher Größe) durchsuchen mussten, war der Einsatz von vielen Polizeibeamten und der Staatsanwaltschaft zwingend notwendig. Dabei war uns bewusst, dass angesichts der exponierten Lage des einen Objekts unsere Aktion nicht von der Öffentlichkeit unbemerkt durchgeführt werden konnte.

ON: Auch die Privathäuser von Dr. Schulz und einem weiteren Mitarbeiter wurden durchsucht. In der Öffentlichkeit wird teilweise beklagt, dass die Familie von Schulz unter den Vorwürfen leidet. Waren diese weitreichenden Maßnahmen aus Sicht der Staatsanwaltschaft notwendig?

Kramer: Dass bei der staatsanwaltschaftlichen Aktion auch Privathäuser durchsucht wurden, lag in der Natur der Sache, da die Vorwürfe sich gegen Privatpersonen richteten. Dass diese unter solchen Aktionen leiden, ist nicht zu vermeiden. Wir haben uns auf die absolut notwendigen Maßnahmen beschränkt.

ON: Die sichergestellten Beweismittel würden jetzt ausgewertet, hieß es seinerzeit von der Staatsanwaltschaft. Um welche Beweismittel geht es? Und wurde im Laufe der Ermittlungen zusätzliches Beweismaterial gefunden?

Kramer: Welche Beweismittel genau ausgewertet werden, kann aus ermittlungstaktischen Gründen nicht gesagt werden. Es handelt u. a. um umfangreiche Vertragsunterlagen, sowie EDV-Material. Im Laufe der Ermittlungen ist ferner zusätzliches Beweismaterial gefunden worden.

ON: Dr. Schulz hat über beträchtliches „fremdes Vermögen“ im Sinne des Paragrafen 266 Strafgesetzbuch verfügt. Der Verdacht lautet auf Untreue. Das Stiftungskapital von anfangs rund acht Millionen Euro soll im Laufe der Jahre auf weniger als die Hälfte abgeschmolzen sein. Bei den jetzigen Ermittlungen soll es um eine Million Euro gehen. Ab wann kann man von einem strafbaren Missbrauch sprechen?

Kramer: Es muss klargestellt werden, dass die Staatsanwaltschaft nicht ermittelt wegen des Abschmelzens des Stiftungskapitals durch Wertpapierhandel etc. Vielmehr richten sich die Ermittlungen auf völlig andere Sachverhalte. Von Untreue wird gesprochen, wenn jemand aufgrund Gesetz oder Vertrag Vermögen, das ihm anvertraut ist, beiseite schafft oder gefährdet, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Person sich selbst bereichert. Entscheidend ist der Schaden, der beim „Treugeber“ entsteht. Dabei muss der Täter jeweils mit Vorsatz handeln.

ON: Bei den Ermittlungen soll auch eine zweite Stiftung namens „L & S Fonds“ mit Sitz in Leer eine Rolle spielen. Wie sind da die bisherigen Erkenntnisse?

Kramer: Richtig ist, dass im Rahmen der Ermittlungen nicht nur die Stiftung a Lasco Bibliothek, sondern auch eine weitere Privatstiftung im Fokus steht. Über diese Stiftung sollen Geschäfte abgewickelt worden sein, die nicht im Einklang mit den Vertragsbeziehungen der a Lasco Bibliothek stehen.

ON: Außer gegen Dr. Schulz wird noch gegen einen weiteren Mitarbeiter der Bibliothek ermittelt. Worum geht es bei diesem Mitarbeiter?

Kramer: Bei dem zweiten Beschuldigten handelt es sich um einen ehemaligen Mitarbeiter der Bibliothek, der im Zusammenwirken mit Dr. Schulz die Untreuetatbestände mitverwirklicht haben soll – Mittäterschaft oder Beihilfe.

ON: Dr. Schulz hat in Emden viele mächtige Fürsprecher. Wurden die Ermittlungen bisher in irgendeiner Weise behindert oder erschwert?

Kramer: Die Ermittlungen sind nicht konkret von irgendjemandem behindert worden. Sie sind jedoch nachhaltig erschwert dadurch, dass in Stellungnahmen von Personen des öffentlichen Lebens erheblicher Druck auf die Staatsanwaltschaft ausgeübt wird mit dem Tenor, die Ermittlungen seien einzustellen. Dr. Schulz habe sich keiner Straftat schuldig gemacht und die Staatsanwaltschaft würde als verlängerter Arm der Reformierten Kirche missbraucht. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Staatsanwaltschaft hat von Gesetzes wegen jedem Verdacht auf gesetzeswidriges Verhalten nachzugehen und Sachaufklärung zu betreiben. Dabei darf die Stellung und das Ansehen einer Person überhaupt keinen Einfluss auf das Verfahren haben. Allerdings beachten wir natürlich die Interessen eines Beschuldigten an einer raschen Sachaufklärung, wobei wir naturgemäß wissen, dass ein Beschuldigter so lange als unschuldig zu gelten hat, bis er rechtskräftig verurteilt ist. Allerdings sollte bei öffentlichen Meinungsäußerungen auch berücksichtigt werden, dass die Staatsanwaltschaft an das Gesetz gebunden ist und jedem Verdacht - Anfangsverdacht – nachzugehen hat, gleichgültig welche Personen, Institutionen oder Personengruppen Ehrenerklärungen für einen Beschuldigten abgeben. Dieses kann aus unserer Sicht nur als Einwirkung auf sachgerechte Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft und Polizei gewertet werden.

ON: Wie weit sind die Ermittlungen bislang fortgeschritten und wann kann mit einem Ende gerechnet werden?

Kramer: Die Ermittlungen sind schon weit fortgeschritten. Wir gehen davon aus, dass wir noch in diesem Jahr das Verfahren abschließen können, wenn nicht neue Erkenntnisse hinzukommen.


Ostfriesische Nachrichten (aik/rak Aurich) - 14.10.2008

Interview als PDF

Eine Stellungnahme der Evang. - reformierten Kirche, Leer

Die Johannes a Lasco Bibliothek soll als wissenschaftliche Spezialbibliothek des reformierten Protestantismus weitergeführt werden. Das ist das Ziel der Kirchenleitung der Evangelisch-reformierten Kirche und des Kuratoriums der Stiftung Johannes a Lasco Bibliothek.