Vergangenheitsbewältigung
Black lives matter hat hierzulande ein Wort aus der Versenkung geholt, das jahrzehntelang den Umgang mit Geschichte bestimmt hat. War es die jüngere deutsche Vergangenheit, die bislang zur Vergangenheitsbewältigung mahnte, so ist es heute die koloniale Vergangenheit mehrerer Staaten, aktuell Belgiens im Congo. Kein Zweifel am Bedarf! König Leopold II. war nicht nur Rassist und Ausbeuter, sondern auch Absolutist und Menschenschinder in unvorstellbarem Ausmass. 1885-1908 behandelte er seinen Congo Free State samt allen Lebendgütern als Privatbesitz. Sicher niemand, dem ein Denkmal gebührt!
Ich zweifle nur, ob Vergangenheit bewältigt werden kann. Dieselbe Wurzel steckt in bewältigen wie in vergewaltigen: Walten hat immer mit herrschen zu tun. Mit rhetorischer Gewalt oder sozialer Verwaltung jetzt zurechtbiegen zu wollen, was einst gehörig krumm gelaufen war, wäre, den Teufel mit Beelzebub austreiben zu wollen. Das wiederholt nur die Macht der Täter und den Schmerz der Opfer.
Nein, rhetorisch gebührt Schwarzen im Congo zuerst unser Schweigen bei geneigtem Haupt und gebeugtem Knie, liturgisch die contritio cordis, ein glaubhaft zerknirschtes Herz, und theologisch die Versöhnung der Urenkel. Statt Energie in Zerstörung von Denkmälern zu verschwenden, hätte sie in Patenschaften zwischen Weiss und Schwarz einen nachhaltigen Ort. Versöhnte Vergangenheit hat Zukunft, bewältigte nicht.
MK