'Wir sind immer auch abhängige und bedürftige Wesen'

Rheinland: Präses Manfred Rekowski warnt vor verengtem Menschenbild durch Reproduktionsmedizin


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Angesichts der Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin warnt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, vor einer „gefährlichen Verengung des Menschenbildes in der modernen Gesellschaft“.

In seinem Grußwort zur Jahrestagung der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf) sagte er: „Alle Menschen sind nicht nur am Anfang und am Ende des Lebens abhängig und auf die Zuwendung durch andere Menschen angewiesen. Das gilt auch für die Phasen von Krankheit oder die Folgen von Unfällen. Die Wahrheit ist: Wir sind nie nur gesunde und selbstbestimmte Menschen, wir sind immer auch abhängige und bedürftige Wesen.“ Die eaf-Jahrestagung hat in diesem Jahr das Thema: „Ein Wunschkind – um welchen Preis? Ethische Fragen an die Reproduktionsmedizin“. Tagungsort am 16. und 17. September ist das Gustav-Stresemann-Institut in Bonn.

Rekowski sprach mit Blick auf die vielen Innovationen der Reproduktionsmedizin von einer grundlegenden Ambivalenz: „Die Technologien erhöhen die Freiheitsgrade, sie machen die Zahl der Handlungsmöglichkeiten der Menschen mit Kinderwunsch größer, aber sie schaffen auch neue Zwänge, gerade dann, wenn sie sich als neue gesellschaftliche Standards etablieren.“ Ein gutes Beispiel sei das „Social Freezing“, also die frühzeitige Entnahme von Eizellen bei einer Frau, deren Befruchtung dann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann. Zwar werde dadurch die Handlungs- und Planungsmöglichkeit für jede einzelne Frau erhöht. „Aber was ist, wenn sich das dann zu einem gesellschaftlichen Standard ausweitet?“ Könne es eine unausgesprochene Erwartung von Unternehmen werden, dass junge Frauen sich zuerst ganz auf die Karriere konzentrieren, um dann später vielleicht einmal an die Familiengründung zu denken? Und würden Frauen, die schon früh schwanger werden wollen, womöglich als nicht karrierebewusst ein- oder abgestuft?

Zugleich erteilte der Präses einer falschen Eindeutigkeit eine Absage. „Kirchen dürfen auch nicht einfach den natürlichen Zustand als die alleinige Richtschnur gelten lassen. Neuere Technologien haben einen großen Segen darin, dass Gefahren reduziert, Krankheiten bekämpft und die Gesundheit aller Beteiligten erhöht wird.“ Es helfe nicht, das eine oder andere Extrem zu wählen. Weder sei früher alles besser gewesen noch liege in der Zukunft die Verheißung eines neuen und rundum gesunden Menschen, der die Reproduktion eigenmächtig bestimme. „Also bleiben die Mühen der Ebenen, wir müssen jede Frage gesondert diskutieren, das Für und Wider abwägen.“ Diese Diskussion treffe auch einen Kern des christlichen Glaubens: „Christus am Kreuz macht deutlich, wie verletzlich das menschliche Leben ist. Gott wurde Mensch und machte sich damit auch verletzlich, bedürftig.“


Quelle: EKiR