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Gottes Güte als kosmologischer Beweggrund bei Platon und Augustinus
Ein Impuls zur ökumenischen ''Schöpfungszeit''

Die auf Initiative der Orthodoxie vor über 30 Jahren jährlich vom 1. September bis zum 4. Oktober von christlichen Kirchen weltweit in ökumenischer Gemeinschaft begangene „Schöpfungszeit“ bietet Anlass zur Auseinandersetzung mit der Auslegung von Genesis 1,3–4 („Da sprach Gott: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war.“) durch den ökumenischen Kirchenvater Augustinus (354–430).
Dieser führt in seiner zwischen den Jahren 413 und 426 entstandenen, in Latein abgefassten Schrift „De civitate Dei“ (dt. „Vom Gottesstaat“) aus, dass die genannte Bibelstelle es ermögliche, „dreierlei über das Geschaffene zur Kenntnis zu nehmen, nämlich wer es geschaffen, wodurch er’s geschaffen und weshalb er’s geschaffen“ habe:
„Fragen wir also, wer es geschaffen hat, lautet die Antwort: ‚Gott‘, fragen wir, wodurch er’s geschaffen, hören wir: ‚Er sprach: es werde, und es ward‘, fragen wir, weshalb, heißt’s: ‚Weil es gut war.‘ Kein Urheber erhabener als Gott, keine Kunst wirksamer als Gottes Wort, kein Beweggrund besser, als dass vom guten Gotte Gutes geschaffen werde.“i (de civ. Dei XI 21)
Dabei verweist Augustinus auf den griechischen Philosophen Platon (um 427 – 349 v. Chr.), der ebenfalls als Ursache der göttlichen Schöpfung angenommen habe, dass Gott gut sei und deshalb Gutes erschaffe:
„Auch Plato nennt diesen Beweggrund der Weltschöpfung den einzig wahren, nämlich dass vom guten Gotte gute Werke hervorgebracht werden sollten. Vielleicht hat er dies gelesen, oder es von anderen, die es lasen, vernommen, oder aber er hat selbst mit hellem Geistesauge Gottes unsichtbares Wesen an den Werken der Schöpfung geschaut und erkannt, oder endlich es von denen, die es geschaut, gelernt.“ii (de civ. Dei XI 21)
Tatsächlich lässt Platon in seiner Schrift „Timaios“ den gleichnamigen Protagonisten die neidlose Güte des erschaffenden Gottes als Ausgangspunkt seiner Erschaffung nennen:
„So wollen wir denn sagen, welcher Grund den, der dieses All, das Reich des Werdens, zusammenfügte, zu dieser seiner Wirksamkeit bewogen hat. Er war gut, und in einem Guten entsteht niemals Neid, worauf sich derselbe auch immer beziehen könnte, und, weil frei von diesem, wollte er denn auch, dass Alles ihm selbst so ähnlich als möglich werde. Diesen Ausgangspunkt des Werdens und der Welt dürfte man daher wohl mit dem größten Recht einsichtigen Männern als den eigentlichsten zugestehen. Da nämlich Gott wollte, dass, so weit es möglich, Alles gut und Nichts schlecht sei, aber Alles, was sichtbar war, nicht in Ruhe, sondern in regelloser und ungeordneter Bewegung vorfand, so führte er es denn aus der Unordnung in die Ordnung hinüber, weil er der Ansicht war, dass dieser Zustand schlechthin besser als jener sei.“iii (Tim. 29e–30a)
Auf die sich aufdrängende Frage, weshalb der Kirchenvater Augustinus die platonische Kosmologie rezipiert, liefert Christian Tornau, wissenschaftlicher Leiter des Würzburger Zentrums für Augustinusforschung (ZAF) und Professor für Klassische Philologie an der Universität Würzburg, folgende mögliche Erklärung:
„Als einer der ersten hat Augustinus die historische oder besser heilsgeschichtliche Bedingtheit mancher biblischer Aussagen betont. Seine Exegese der Genesis möchte den Bibeltext zugleich als Schöpfungsbericht ernst nehmen und mit der naturwissenschaftlichen, zu seiner Zeit eher naturphilosophischen Kosmologie gesprächsfähig bleiben.“iv
Der in jedem Falle bemerkenswerte Parallelismus zwischen Platons und Augustinus’ Schöpfungslehre illustriert beispielhaft den transhistorischen und transkulturellen Charakter vieler religiöser Vorstellungen und passt daher sehr gut zum ökumenischen Unternehmen „Schöpfungszeit“.
i Aurelius Augustinus, Vom Gottesstaat (De civitate dei). Buch 11 bis 22. Aus dem Lateinischen übertragen von Wilhelm Thimme. 2. Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1985, S. 34.
ii Ebenda.
iii Platon, Sämtliche Werke in zehn Bänden. Griechisch und deutsch. Nach der Übersetzung Friedrich Schleiermachers, ergänzt durch Übersetzungen von Franz Susemihl und anderen. Herausgegeben von Karlheinz Hülser. Band VIII: Philebos, Timaios, Kritias. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1991, S. 241.
iv Christian Tornau / Regina Einig, „Fester Standpunkt, Redlichkeit und brillante Rhetorik“. Ein Gespräch über die Faszination des Kirchenvaters Augustinus. Die Tagespost, 28. August 2025, S. 12.
Thomas Tews


