Es lebe der Unterschied!

Mittwochskolumne von Paul Oppenheim


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Ein oft gehörter Satz aus dem Munde von Epidemiologen und Virologen war: „Das Virus kennt keine Grenzen“. Diese Binsenweisheit hätte ein grenzüberschreitendes Vorgehen und einheitliche Maßnahmen gegen Covid-19 zur Folge haben müssen, doch das Gegenteil geschah. Einer der größten Pandemieverlierer war und ist der europäische Gedanke.

Ich kehre aus Frankreich zurück, wo in allen Bistrots, Cafés und Restaurants ein „pass sanitaire“ verlangt wird. Das ist nichts anderes als der europaweite QR-Code für Geimpfte, Geteste und Genesene, das „EU digital Covid Vaccination Certificate“. In Italien nennt sich dasselbe Dokument „Green Pass“. Warum muss jedes Land so tun, als habe es etwas Eigenes erfunden, wenn es ein für die ganze EU geltendes System gibt? Das Dokument mit dem QR-Code und der Europafahne gilt ob auf Papier oder auf dem Smartphone an jeder europäischen Grenze, in allen 26 Ländern und an jedem Flughafenschalter.

Wozu wurde dann hierzulande die Unterscheidung zwischen G2 und G3 eingeführt, die dem europäischen Konsens widerspricht? Nicht anders ist es mit der Öffnung und Schließung von Kitas und Schulen. Jedes Land muss sich mit eigenen Regeln hervortun. in Deutschland meinen sich sogar die sechzehn Bundesländer voneinander unterscheiden zu müssen. Im Blick auf das Tragen von Masken ist es nicht anders und natürlich auch bezüglich der Öffnung von Fenstern und dem Einbau von Luftfiltergeräten. In Frankreich zeigt in jeder Klasse eine Ampel an, wann gelüftet werden muss. Es wird schlicht der CO2-Gehalt der Luft gemessen. In Deutschland wird ein System entwickelt, bei dem außer dem CO2-Gehalt der Luft auch die Temperatur, die Klassengröße und die Anzahl der Schüler gemessen werden. Warum nicht auch das Alter der Lehrkraft? Die Landeskirchen wollten in alledem nicht nachstehen und haben munter vor sich hin eigene Verordnungen geschaffen.

Jedes Land und jedes Bundesland hat eigene Studien in Auftrag gegeben. Mit abweichenden Regelungen wurde nicht nur Verwirrung gestiftet, sondern auch sehr viel Steuergeld verschwendet. Es wurde auf nationale Inzidenzwerte geschaut und das Große und Ganze aus dem Blick verloren. Sogar bei der Beschaffung von Impfstoff, die europaweit einheitlich organisiert wurde, wollte man auf nationale Besonderheiten pochen und miteinander in Konkurrenz treten. Einzelne Politikerinnen und Politiker, Regierungen und Parteien wollten sich profilieren. Wie die deutsche Bundestagswahl zeigt, hat es ihnen wenig gebracht und Europa hat es dauerhaft geschadet.


Paul Oppenheim