Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1492-1549)
Ludwig XII. versuchte mehrmals, Marguerite als Braut in Europa zu verhandeln, aber weder ihre Aussichten, noch ihr Vermögen waren ausreichend, um eine internationale Ehe einzugehen. Stattdessen heiratete sie 1509, gerade siebzehn Jahre alt, den Herzog von Alençon, von dem wenig bekannt ist. Die Forschung geht meistens davon aus, dass sie und ihr Gatte wenig Gemeinsames hatten, zumal der Herzog vor Allem ein Soldat war. Dafür hatte sie aber eine geliebte Schwiegermutter, Marguerite von Lorraine, die eine zutiefst fromme Frau war. Jahre später schrieb Marguerite über ihren Tod und ließ ihre Trauer darüber durchblicken.
Als Ludwig XII. befürchten musste, nicht selbst Söhne zeugen zu können – er hatte „nur“ zwei Töchter, Claude und Renée de France – holte er Franz d´Angoulême an seinem Hof und gab ihm seine Tochter Claude zur Ehe. 1515 verstarb er und Franz bestieg als Franz I. den Thron Frankreichs.
Für Marguerite änderte sich das Leben schlagartig. Sie kam zu ihrem Bruder an den Hof, und da die Königin Claude sehr zurückhaltend und scheu war, übernahm sie bald die repräsentativen Pflichten. Zusammen mit ihrer Mutter bildete sie mit Franz ein Trio, die sogenannte „Dreieinigkeit“. Franz konnte immer mit seiner Mutter und seiner Schwester rechnen, und sie unterstützten ihn nach Kräften.
Franz I. wurde der erste Renaissancekönig Frankreichs. Er war jung, viril und plötzlich auch reich. Er ließ bauen an der Loire, eroberte das Herzogtum Mailand, versuchte sich als Deutschrömischer Kaiser wählen zu lassen – das war eine extrem teure Angelegenheit – und verwickelte sich in Rivalitäten sowohl mit Heinrich VIII. von England als auch mit Kaiser Karl V.
Schon 1516 verhandelte er ein Konkordat mit dem Pabst in Bologna. Die französische Kirche hatte seit dem Mittelalter ihre gallikanische Freiheiten gegenüber dem Pabst verteidigt, und als Frankreich sich als Nationalstaat festigen konnte und mit Franz I. fast die Grenzen erreicht hatte, die noch heute gelten, gelang es auch Franz, eine römisch-katholische Nationalkirche zu vereinbaren. Vor allem durfte er wichtige Posten in der Kirche mit seinen Kandidaten besetzen, die dann vom Pabst anerkannt wurden. Damit war die französische Kirche ihrem König treu ergeben, nicht desto weniger war sie streng katholisch, besonders die Fakultät der Theologie der Universität von Paris (oft abgekürzt Sorbonne genannt) wachte über die reine katholische Lehre. In den Jahren 1515 bis 1534 war Franz theologisch eher liberal und pfiff die eifrigen Theologen zurück, nach 1534 machte er mit ihnen gemeinsame Sache.
In Frankreich bildeten sich Kreise von Reformkatholiken und Humanisten, die der etwas verkrusteten katholischen Theologie kritisch gegenüberstanden. Sie forderten die Bibel in der Muttersprache und in den Händen von Laien. Sie kritisierten Heiligenkult und Reliquienverehrung, und versuchten eine Erweckung der Gläubigen im Sinne vom reformatorischen „sola fide, sola scriptura“ (= durch den Glauben allein und durch die Heilige Schrift allein) herbeizuführen. Der leitende Humanist war der alte Lefèvre d´Etaples (Faber Stapulensis), der nach Jahren als Herausgeber klassischer antiker Schriften endlich bereit war, die Heilige Schrift zu übersetzen. Er wurde unterstützt von Guillaume Briçonnet, Bischof von Metz. Dieser führte Reformen in seiner Diözese durch, legte die Bibelübersetzung des Lefèvre in den Kirchen aus, verjagte die Franziskaner, die sonst fast Predigtmonopol besaßen, und ließ durch seine eigene Leute „reformatorisch“ predigen. Unter ihnen waren Gérard Roussel, der später Hofkaplan bei Marguerite wurde, Guillaume Farel, der später in Genf als Reformator zusammen mit Calvin wirkte, und Simon Robert, der die frühere Nonne Marie Dentière heiratete und auch in die Schweiz zog.
Als katholischer Bischof wollte Briçonnet nicht die katholische Kirche umstürzen oder dem Pabst die Treue kündigen, er wollte dagegen die Kirche von innen erneuern. Er gehörte dem Reformkatholizismus an, der in Frankreich oft als „évangelisme“ bezeichnet wird, mit dem deutschen Wortbrauch „evangelisch“ aber wenig zu tun hat. Die Humanisten wie Erasmus von Rotterdam oder Lefèvre d´Etaples wollten zu den Quellen zurück, sie wollten die Bibel allen zugänglich machen, sie hatten von Paulus gelernt, dass Rechtfertigung durch den Glauben geschieht, aber er sah das alles nicht als Grund, die Einheit der Kirche auf Spiel zu setzen. Diese Männer prägten Marguerite.
An Bischof Briçonnet wandte sich Marguerite mit der Bitte um geistigen Beistand. Ein Briefwechsel folgte, der sich (nachweislich) über die Jahre 1521 bis 1524 erstreckte. Der Bischof schrieb lange Homilien, und Marguerite bat ihn ständig um mehr „seelische Nahrung“. Sie verwendete vermutlich seine schriftlichen „Predigten“ als Grundlage für Andachten mit ihren Hofdamen. Abschriften ließ sie in ihrem Freundes- und Verwandtenkreis verteilen .
Briçonnet legte ihr die Bibellektüre ans Herz, mit besonderer Wertschätzung der Paulinischen Briefe. Nebenbei sei bemerkt, dass sowohl Luther als auch Calvin in jungen Jahren den Römerbrief auslegten, denn wer Erneuerung für die Kirche erhoffte, kam um Paulus nicht herum. Das Besondere bei Briçonnet war allerdings sein Hang zur Innerlichkeit, die Liebe zwischen Christus und der Seele, die Aufgabe des Selbst und das Hinschmelzen in Christus. Gute Werke, der Verdienst der Heiligen, Fasten und Pilgern kamen bei ihm dagegen nicht vor.
Für Marguerite bedeutete diese religiöse Erneuerung, dass sie anfing, geistliche Gedichte zu schreiben, ihre poetische Ader wurde freigelegt. Das erste Gedicht handelt von einer nächtlichen Vision. Ihre Nichte – die Tochter ihres Bruders – starb 1524 mit acht Jahren, und Marguerite fragt die reine Seele, was sie glauben soll. Der Antwort ist klar, sie soll Christus allein lieben und glauben. Briçonnet hätte es nicht besser ausdrucken können.
In diesen Jahren wurden Luthers Schriften in Frankreich verbreitet und wir wissen mit Sicherheit, dass Marguerite seine Schriften kannte. Die theologische Fakultät der Universität von Paris leistete Widerstand gegen die lutherische Ketzerei und das bekam Bischof Briçonnet zu spüren. In seinen Briefen an Marguerite bat er sie wiederholt um Unterstützung und besonders darum, dass sie ihren Bruder und ihre Mutter für seine Reformen gewinnen möge. Marguerite hatte zwar großen Einfluss auf ihren Bruder, aber trotzdem musste Briçonnet alle seine Reformvorhaben aufgeben. Die Gruppe um ihn flüchtete nach Straßburg, während er selbst widerrufen musste. Er starb kurze Zeit später.
1524 starb Königin Claude, und Marguerite wurde mit der Aufsicht der königlichen Kinder betraut. Aus ihrem Briefwechsel wissen wir, wie sehr diese Kinder ihr ans Herz wuchsen. Ihre Ehe blieb kinderlos – ihre Trauer darüber vernimmt man in den Briefen an Briçonnet – und jetzt konnte sie ihre mütterlichen Gefühle den Kindern ihres geliebten Bruders zu Gute kommen lassen.
1525 verlor Franz I. die Schlacht bei Pavia in Norditalien. Seit vielen Jahren, schon in der Regierungszeit Karl VIII. hatte Frankreich mit den italienischen Stadtstaaten Krieg geführt. Jetzt stießen in Italien die habsburgischen und die französischen Truppen zusammen. Die Blüte des französischen Adels wurde an einem Tag vernichtet, und Franz selbst wurde gefangengenommen. Der Herzog von Alençon flüchtete vom Schlachtfeld und starb wenige Monate später, von seiner Gattin liebevoll gepflegt.
Jetzt schlug die Stunde für Marguerite. Mit ihrer Mutter hatte sie in Lyon den Ausgang des Krieges abgewartet, und nach dem Tod ihres Gatten ließ sie ihre Mutter als Regentin Frankreichs zurück, sie selbst segelte und ritt zu ihrem Bruder, der schwer krank in Madrid im Gefängnis lag. Sie pflegte ihn wieder gesund und versuchte mit dem unerbittlichen Kaiser Karl V. zu verhandeln. Sowohl sie als auch Franz dachten, dass der ritterliche Ehrencodex seine Befreiung möglich machen würde, Karl war aber auf handfeste Vorteile aus. Am Ende versprach Franz alles, um freizukommen, fuhr nach Hause, gab seine Söhne quasi als Unterpfand dem Kaiser und musste eine Riesensumme als Lösegeld aufbringen.
Als Regentin hatte die streng katholische Louise von Savoyen die französische Kirche in ihrem Kampf gegen die „Ketzer“ unterstützt, deshalb war auch keine Hilfe für Briçonnet und seine Leute zu erwarten. Nach der Rückkehr Franzens war er noch abhängiger als zuvor von der Kirche, nur sie konnte ihm mit dem Geld, das er dem Kaiser schuldete, versorgen. Anders als die deutsche Fürsten, die sich sehr wohl handfeste Vorteile von der Reformation in ihren Ländern erhoffen konnten, hatte der französische König schon eine (katholische) Nationalkirche, die ihn kräftig unterstützte, natürlich in der Annahme, dass er keine „Ketzer“ dulden würde.
Marguerite war eine noch junge Witwe, und ihr zweiter Gatte war ein junger, strahlender Held: Henri d´Albret, König von Navarra. Er hatte sich in der Schlacht von Pavia tapfer geschlagen, war gefangen genommen worden, hatte sich aber in einer „Mantel und Degen Aktion“ buchstäblich erfolgreich abgeseilt. Er war zudem ein Frauenheld und 12 Jahre jünger als Marguerite. Sein Königreich war winzig: das Königreich Navarra war ursprünglich das, was wir heute das Baskenland nennen, ein Gebiet, das sich beidseitig über den Pyrenäen erstreckte, jedoch sein Schwerpunkt auf der Südseite der Bergkette mit Pamplona als Hauptstadt hatte. Die Albrets, als südfranzösische Großgrundbesitzer, waren durch Heirat an die Krone gekommen, nur um erleben zu müssen, dass Spanien 1512 der Gebiet um Pamplona eroberte. Damit schrumpfte das Königreich auf Basse-Navarre zusammen, der französische Teil des Baskenlandes. Da er auch Vicomte von Béarn war, eine unabhängige Grafschaft mit eigener Regierung und Generalständen, hatte er dennoch sein eigene Hausmacht. Er erwartete, sozusagen als Mitgift, dass Franz ihm helfen würde, ganz Navarra zurückzuerobern. Franz dagegen erwartete, dass er die Grenze gegen Spanien verteidigen würde und machte ihn zum Oberbefehlshaber in Guienne, eine Bezeichnung für Südwestfrankreich von den Pyrenäen bis Loire, vom Atlantik bis Auvergne.
Was Marguerite erwartete, wissen wir nicht. Ihre Ehe bedeutete für sie eine Zerreißprobe zwischen dem geliebten Bruder und dem Ehemann, und es war für sie nicht einfach, beiden gegenüber loyal zu sein.
Ihre Ehe bedeutete aber auch, dass sie endlich Mutter wurde. 1528 gebar sie ihre Tochter, Jeanne d´Albret, danach einen Sohn, der kurz nach dem Geburt starb, und dann – sie wurde ja nicht jünger – hatte sie eine Reihe von Fehlgeburten und Scheinschwangerschaften.
Als Königin mit eigenem Herrschaftsgebiet konnte sie jetzt Glaubensflüchtlingen Schutz bieten. Bei ihrem Bruder trat sie immer noch für Andersdenkende ein, sie konnte aber jetzt in Bourges luthersche Studenten und Dozenten an die Universität holen, sie brachte den alten Lefèvre d´Etaples bei ihrem Hof in Nérac unter, sie machte Gérard Roussel zum Bischof von Oloron, und sie stellte als Sekretäre bekannte humanistische Skribenten ein, unter ihnen Clément Marot, Dichter und Verfasser vom ersten gereimten französischen Psalter.
Anfänglich blieben sowohl sie wie ihr Gatte am Hofe. Sie verhandelte zusammen mit ihrer Mutter und Margaretha von Habsburg, Statthalterin der Niederlande, den sogenannten Damenfrieden von Cambrai aus. Sie empfing Botschafter, verhandelte mit dem Pabst, und hatte immer noch die Aufsicht über die königlichen Kinder. Sie reformierte Klöster überall in Frankreich, ihre Lektüre der Lutherschrift „Von den Mönchsgelübden“ hatte sie nicht dazu gebracht, die Klöster abzuschaffen, sondern eher Missstände abzubauen.
1531 veröffentlichte Marguerite ihr religiös-poetisches Werk „Ein Spiegel der sündigen Seele“. Die zweite Ausgabe 1533 wurde von der Sorbonne als ketzerisch verurteilt und verboten. Wütend verlangte Franz I. die Rücknahme der Verurteilung, und die Universität fügte sich schleunigst. Als dann, 1534, die Plakataffäre mit ihrem Angriff auf die Messe und das katholische Abendmahlverständnis die Gemüter erregte, ging sie nach Südfrankreich. Dort konnte sie unter Anderen einem Flüchtling, dem jungen Calvin, weiterhelfen. Sie hatte seit jungen Jahren freundschaftliche Beziehungen zu ihrer Cousine, Renée de France, Herzogin von Ferrara, gepflegt, und jetzt schickten die zwei gleichgesinnten Verwandten einander hilfsbedürftige Glaubensflüchtlinge zu.
In den nächsten Jahren war das Verhältnis zwischen Bruder und Schwester etwas abgekühlt. Franz I. unterstützte die römisch-katholische Kirche nach Kräften, und Marguerite war vorsichtig geworden. Als der Berater des Königs ihn aber fragte, ob Gefahr bestünde, Marguerite könne zum Protestantismus übertreten, erwiderte der König: „Dafür liebt sie mich zu sehr!“, und behielt Recht damit.
Die Ruhe und Abgeschiedenheit am Hofe bedeutete für Marguerite Zeit für eine rege schriftstellerische Tätigkeit. Die religiösen Gedichte waren wohl eher eine Art meditative Übung inmitten der oberflächlichen Geschäftigkeit des Hofes. Jetzt verfasste sie Schauspiele, die am Hof aufgeführt wurden. Angeregt durch die Beschäftigung mit den Schriften des Plato, die sie durch den italienischen Humanisten Pico della Mirandola und Marsilio Ficino kennengelernt hatte, dachte sie über das Wesen der Liebe nach, und ihre schriftstellerische Tätigkeit wurde von diesen Überlegungen geprägt. Sie ließ Platos Schriften ins Französisch übertragen, so wie sie auch die Novellen von Boccaccio, „Dekameron“, übersetzen ließ. Diese Novellen beeinflussten ihre berühmteste Werk, die Novellen, aus denen das „Heptameron“ besteht, und die von ihr über einen längeren Zeitraum zusammengefügt wurden. Sie gab nur ein Buch in Druck, „Les marguerites de la Marguerite des princesses“, die Perlen der Perle (Marguerite) der Prinzessinnen, mitsamt dem Folgeband: „Suyte des marguerites“ (1547). Alle andere Schriften von ihr waren zu ihren Lebzeiten nur als Manuskript vorhanden, aber das Heptameron wurde ungefähr zehn Jahren nach ihrem Tod als Buch herausgegeben, und zählt seitdem zu den Klassikern des 16. Jahrhunderts, obwohl es oft missverstanden worden ist – dazu mehr später (vgl. Nielsen, Theologie als Erzählung).
Eine andere wichtige Angelegenheit in den letzten Jahren, ihr Verhältnis zu ihrer Tochter Jeanne, wird im Artikel über diese behandelt. In den letzten Jahren hatte sie eine Auseinandersetzung mit Calvin über die Freigeister, die sich bei ihrem Hof aufhielten. Ihre Bedeutung für die Reformation wird später untersucht. Klar ist allerdings, dass sie als Katholikin starb. Als ältere Frau zog sie sich immer öfters in Klöstern zurück und auch, wenn sie nie besonders rechtgläubig war, trat sie nie aus der Kirche aus. Sie starb 1549 auf ihrem Schloss Odos.
Marguerite d`Angoulême war eine hoch begabte, zutiefst fromme Frau. Sie ging unbeirrt ihre eigenen Wege, und auch, wenn sie diskret war, ließ sie sich nicht einschüchtern. Ihre Verdienste für die Verbreitung der Reformation sind offenkundig, und in Genf wusste Calvin sehr wohl, wie dankbar er ihr sein musste. Dabei war die geistige Freiheit ihr ohne Zweifel eine Herzensangelegenheit, während ihre Tochter und Enkelin mit Nachdruck Partei ergriffen. Zu Marguerites Zeiten waren diese geistige Freiheit und die Hoffnung, die katholische Kirche von innen zu erneuern und zu „reformieren“, ohne die Glaubensspaltung vollziehen zu müssen, noch möglich. Diese Umstände gaben ihr etwas Spielraum, den spätere Generationen nicht länger hatten.
Literatur
In Deutschland ist die Literatur zu Marguerite d´Angoulême übersichtlich. Zu erwähnen sind:
Margarete von Navarra: Das Heptameron, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1960, mit einem ausgezeichneten Nachwort von Peter Amelung. Neudruck München 1979, 1999 (dtv 12710)
Eltz-Hoffmann, Lieselotte von: Kirchenfrauen der frühen Neuzeit, Stuttgart 1995
Kraus, Claudia: Der religiöse Lyrismus Margaretes von Navarra, München 1981
Schönberger, Axel: Die Darstellung von Lust und Liebe im Heptaméron der Königin Margarete von Navarra, Frankfurt a/M 1993
Sckommodau, Hans: Die religiösen Dichtungen Margaretes von Navarra, Köln 1955
Sckommodau, Hans: Galanterie und vollkommene Liebe im „Heptaméron“, Münchener Romanistische Arbeiten, Band 46, München 1977
Sckommodau, Hans: Die spätfeudale Novelle bei Margareta von Navarra, Sitzungsbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt, Bd. XIV, Nr. 4, Wiesbaden 1977
Zimmermann, Margarete: Der Salon der Autorinnen: französische „dames de lettres“ vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert, Berlin 2005
Stedman, Gesa & Zimmermann, Margarete: Höfe – Salons – Akademien, Hildesheim 2007
Hinzu kommt eine Übersetzung:
Febvre, Lucien: Margarete von Navarra. Eine Königin der Renaissance zwischen Macht, Liebe und Religion, Frankfurt a/M 1998 (Originaltitel: Autour de l´Heptaméron: Amour sacré, amour profane, Paris 1996)
Allgemeine Kirchengeschichte:
Strasser-Bertrand, Otto Erich: Die evangelische Kirche in Frankreich, in: Die Kirche in ihrer Geschichte, Göttingen 1975
In Frankreich zählt sie zu den wichtigen Renaissancedichterinnen. Eine vollständige wissenschaftliche Ausgabe ihrer Werke von Nicole Cazauran ist in Arbeit:
Marguerite de Navarre: Oeuvres Complètes, Paris 2001. Bisher erschienen:
Heptaméron, Paris 2000 und die Bände 1,3,4,8 & 9
Die klassische Biografie ist:
Jourda, Pierre: Marguerite d´Angoulême, duchesse d´Alençon, reine de Navarre (1492-1549), Étude biographique et littéraire, Paris 1930, Genf 1978
Jourda, Pierre: Répertoire analytique et chronologique de la Correspondance de Marguerite d´Angoulême, Duchesse d´Alençon, reine de Navarre (1492-1549), Paris 1930
Christine Martineau, Michel Veissière & Henry Heller: Guillaume Briçonnet/Marguerite de Navarre: Correspondance, 2 Bd., Paris 1975-79
Herminjard, Aimé, hrsg.: Correspondance des réformateurs dans les pays de langue française, Genf 1886-79
In Heptaméron, ed. Nicole Cazauran, ist weiterführende Literatur erwähnt. Hier verweise ich nur auf drei Kolloquien aus dem Jahr 1992:
Marguerite de Navarre, 1492-1992, Actes du Colloque international de Pau (1992), Mont-de- Marsan 1995
Etudes sur l´Heptaméron de Marguerite de Navarre, Colloque de Nice, 15-16 Fèvrier 1992, Uni.de Nice, o. J.
Marguerite de Navarre, Actes du colloque international du 14 au 16 septembre 1992, Lódź 1997
Karlsson, Britt-Marie: Sagesse divine et folie humaine, Etude sur les structures antithétiques dans l´Heptaméron de Marguerite de Navarre (1492-1549), Göteborg 2001
Montaigne: Oeuvres complètes, Paris 1962
Ausgewählte Literatur in englischer Sprache:
- Patricia F. Cholakian & Rouben C. Cholakian: Marguerite de Navarre, Mother of the Renaissance, New York 2006
- Cholakian, Patricia F.: Rape and Writing in the Heptameron, Carbondale 1991
- Cottrell, Robert D.: The Grammar of Silence, A Reading of Marguerite de Navarre´s Poetry, Washington D.C. 1985
- Davis, Betty J.: The Storytellers in Marguerite de Navarre´s Heptaméron, Lexington 1978
- Davis, Natalie Zemon: Society and Culture in Early Modern France: eight Essays, Stanford 1975
- Farge, James K.: Orthodoxy and Reform in Early Reformation France, The Faculty of Theology of Paris, 1500-1543, Leiden 1985
- Ferguson, Gary: Mirroring belief: Marguerite de Navarre´s Devotional Poetry, Edinburgh 1992
- Gelernt, Jules: World of Many Loves, The Heptameron of Marguerite de Navarre, Chapel Hill 1966
- Greengrass, Mark: The French Reformation, London 1987
- Salmon, J.H.M.: Society in Crisis, France in the Sixteenth Century, London 1975
- Tetel, Marcel: Marguerite de Navarre´s “Heptaméron”: Themes, Language and Structure, Durham N.C. 1973
Reformierte Beiträge zum Kirchenrecht
Gemeinschaftsbindung durch kirchliche Grundrechte
Dr. Arno Schilberg, leitender Jurist der Lippischen Landeskirche und Mitglied im Moderamen des Reformierten Bundes, fasst in einem Artikel der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht „Reformierte Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht“ zusammen. Reformiert-info stellt in Kürze Auszüge aus dem Text Schilbergs dar.
I. Allgemeine Überlegungen zum evangelischen Kirchenrecht
Bekenntnisse und Ordnungen der Kirche
Zwischen juristischem Rechtspositivismus und theologischem Klerikalismus
Die Ordnung der Kirche als Antwort auf Gottes Handeln: "bekennendes Recht"
II. Kennzeichen reformierten Kirchenrechts
Presbyterial-synodale Kirchenverfassungen in Deutschland
Kirchliche Grundrechte stärken die „Gemeinschaftsbindung“
Die freie Pfarrwahl und das „Gemeindeprinzip“
Unterschiede zwischen lutherischem und reformiertem Verständnis von Kirchenrecht
Die Synode ist kein Kirchenparlament
I. Allgemeine Überlegungen zum evangelischen Kirchenrecht
Bekenntnisse und Ordnung der Kirche
Ende des 19. Jahrhunderts stellte der Kirchenrechtler Rudolph Sohm die These auf: „Das Kirchenrecht steht mit dem Wesen der Kirche in Widerspruch ... es ist undenkbar, daß das Reich Gottes menschliche (rechtliche) Verfassungsformen und der Leib Christi menschliche (rechtliche) Herrschaft an sich trage. Das Wesen des Rechts ist dem idealen Wesen der Kirche entgegengesetzt“ (zitiert nach Schilberg, 32).
Die neue Kirchenrechtslehre lehnt Sohms These ab und vertritt einen „ganzheitlichen Kirchenbegriff“: „Die Spaltung des Kirchenbegriffs in Rechtskirche und (rechtsfreie) Liebeskirche ist überwunden. Kirche hat einen Doppelcharakter als geistliche und gesellschaftliche Größe“ (Schilberg, 33). Beide Aspekte der Kirche gehören zusammen.
Kirchliches Recht unterscheidet sich vom staatlichen Recht darin, dass es sich als „eine von christlicher Vernunft geprägte Ordnung“ weiß, die „an göttliche Vorgaben gebunden ist und die Herrschaft Christi in seiner Kirche abbildet“.
Dem Grund der Kirche, Jesus Christus, und ihrem Auftrag folgen Ordnung und Recht in der Kirche. Kirchenrecht ist Konsequenz und Folge des Glaubens.
Besonders in Auseinandersetzung mit dem totalitären Anspruch des Nationalsozialismus wird betont, dass es in der Kirche keine Ordnung und kein Recht geben kann, das ihrem Wesen und Auftrag widerspricht, wie es in der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 heißt: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen.“
Zwischen juristischem Rechtspositivismus und theologischem Klerikalismus
Das Wort Gottes bietet jedoch nicht „das Rechtsbuch eines ein für allemal verbindlichen Rechtes“: „Wer Recht und Ordnung allein zu einer Funktion der Kirche machen will, ist in Gefahr, sie zu klerikalisieren oder sie womöglich zu einem Instrument der jeweiligen verfaßten Kirche und ihrer leitenden Organe zu machen. Es gibt nicht nur einen juristischen Teufel des Rechtspositivismus, sondern auch einen theologischen des Klerikalismus. Ordnung und Recht in der Kirche haben auch eine kritische Funktion und dürfen nicht einfach der jeweiligen theologischen Erkenntnis ausgeliefert werden.“
Anders formuliert: In der Kirche darf der Geist nicht rechtlos und das Recht nicht geistlos werden.
Die Ordnung der Kirche als Antwort auf Gottes Handeln: „bekennendes Recht“
Die Ordnung der Kirche gestaltet sich als Anwort auf das Handeln Gottes und Christi in Wort und Sakrament. Diese Antwort geschieht im Bekenntnis. Somit muss das Recht der Kirche „bekennendes Recht“ sein.
Diese Bekennen umfasst:
- die Gebundenheit an die „historischen“ Bekenntnisse
- die Notwendigkeit des aktualen Bekennens
- die Bindung an das Wort der Heiligen Schrift und an den Herrn Jesus Christus (das ist das Gemeinsame der verschiedenen Kirchen)
- Abgrenzung gegenüber Irrlehren und Abwehr von Ordnungen, die im Widerspruch zum Auftrag des Evangeliums stehen
Der Barmer Theologischen Erklärung folgend erfährt die Ordnung der Kirche „im aktualen Bekennen ihre entscheidende Zuspitzung“ (Schilberg, 36).
Das an das Bekenntnis gebundene Recht der Kirche muss seine „Mitbedingtheit“ durch die gesellschaftliche Umwelt akzeptieren, so Schilberg (a.a.O., 37). Das bedeutet, die Kirche muss die „Bedingungen und Notwendigkeiten der Veränderung“ ständig reflektieren.
II. Kennzeichen reformierten Kirchenrechts
Das Kirchenrecht ist vom Bekenntnis abgeleitet und muss so von dessen „Geist beseelt und bestimmt sein“. Umgekehrt muss jedoch nicht jeder kirchliche Rechtssatz ein Bekenntnissatz sein.
Die Vielfalt der reformierten Kirchenverfassungen spiegelt die Vielfalt reformierter Bekenntnisse wieder.
Unter den Kirchenverfassungen gibt es zum einen mehr kongregationalistische, zum anderen mehr presbyteriale Grundtypen, zum dritten Mischformen.
Der Kongregationalismus geht von der Selbstständigkeit der einzelnen Gemeinden aus. Eine Gemeinde hat keine Kirchenleitung über sich, Synoden dienen der gemeinsamen Beratung, können aber keine Kirchengesetze erlassen.
In der presbyterialen Verfassung hingegen entscheidet die Synode über Angelegenheiten, die gemeindeübergreifend von Bedeutung sind, erlässt Gesetze und leitet die Kirche. Dabei gehen Reformierte davon aus, dass auch Synoden irren können und die Schrift Richtschnur des Glaubens ist, nicht ein Synodenbeschluss.
In Deutschland hat sich die presbyterial-synodale Verfassung durchgesetzt. Die einzelnen Gemeinden leitet ein Presbyterium, ein „Ältestenrat“, in dem Laien sowie Pfarrerinnen und Pfarrern gemeinsam die Kirche leiten. Die Ämter in der Gemeinde sind grundsätzlich gleichgestellt. Auch andere kirchenleitende Funktionen, wie die Synoden, werden von Pfarrerinnen/Pfarrern und Presbytern übernommen.
Die wichtigen Entscheidungen in der Kirche werden nicht von einer einzelnen Amtsträgerin/einem einzelnen Amtsträger getroffen, sondern von einem Kollegium. Diese Ordnung soll davor schützen, eine „Herrschaft von Menschen über die Kirche zu bilden“, denn Jesus Christus herrscht als König: „Die Königsherrschaft Christi soll aufrechterhalten, Menschenherrschaft abgewehrt werden.“ (Schilberg, 39). Sitzungen und Versammlungen der Presbyterien und Synoden tragen einen „gottesdienstlichen Charakter“.
In der Tradition der Ämterlehre von Calvin und Johannes a Lasco wird zwischen vier Ämtern unterschieden: den Predigern, Ältesten, Diakonen und Lehrern. Heute betont das Moderamen des Reformierten Bundes, es sei angesichts der Vielfalt der Ämter im Neuen Testament nicht möglich, einen einzigen Ordnungstyp oder ein starres Ämterschema als allein biblisch begründet oder geboten auszugeben (vgl. Schilberg, 39).
Presbyterial-synodale Kirchenverfassungen in Deutschland
Vom (preußischen) Niederrhein aus gelangten presbyterial-synodale Einrichtungen nach Berlin, wo 1662 die erste presbyterial-synodale Kirchenordnung in Kraft trat.
Der Konvent von Wesel 1568 den ersten Versuch unternommen, die weit verstreuten reformierten Gemeinden, die sich aus Religionsflüchtlingen aus den Niederlanden zusammensetzten, zu verknüpfen. Die Verfassungsvorstellungen vom Weseler Konvent wirkten noch im 19. und 20. Jahrhundert in den synodalen Verfassungsaufbau der deutschen Landeskirchen.
Heute verknüpfen sich in den Verfassungen der Landeskirchen reformierte und lutherische Traditionslinien: neben den Synoden haben kollegiale Kirchenbehörden und personale Amtsträger – wie SuperintendentInnen, Bischöfe, Präsides – teil an der Leitungsverantwortung.
Die Offenheit des Weseler Modells für künftige Verfassungsänderungen ermöglichte es, die Forderung nach demokratischen Strukturen in Staat und Kirche aufzunehmen. Die staatliche Kirchenhoheit wurde eingegrenzt und eine Trennung von Kirche und Staat eingeleitet: „Kirchliche Strukturen wurden in der Folge dem zeitgenössischen Parlamentarismus nachgebildet. Die entstandenen synodal-konsistorialen Mischverfassungen waren immerhin so tragfähig, daß sie den tiefen Umbruch in der deutschen evangelischen Kirchenrechtsgeschichte 1918/1919 aushielten" (Schilberg, 43).
Kirchliche Grundrechte stärken die „Gemeinschaftsbindung“
Nach dem Zweiten Weltkrieg flossen die Erfahrungen des „Kirchenkampfes“ in die Kirchenverfassungen, die „Königsherrschaft Christi“ wird in unseren Tagen auch in den Grundordnungen klar formuliert.
Einige Beispiele: Die Grundordnung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hält die „Gleichheit der kirchlichen Amtsträger“ fest; die Verfassungsgrundsätze der Evangelisch-reformierten Kirche und der Lippischen Landeskirche schützen die Menschenwürde auf Grund der Ebenbildlichkeit Gottes und sprechen ein Benachteiligungs- bzw. Diskriminierungsverbot wegen Herkunft oder Geschlecht aus.
Manche Verfassungen formulieren auch einen Gleichheitssatz, der die Herrschaft einer Gemeinde über eine andere, eines Gemeindegliedes über ein anderes, eines Amtes über ein anderes ausschließt. Ferner besteht ein Recht auf Kirchenmitgliedschaft ohne Gewissenszwang.
Während im staatlichen Bereich Grundrechte „in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat“ sind (Schilberg, 45), haben Grundrechte in der Kirche eine andere Funktion. Die theologische Begründung von Menschenrechten ist kontrovers und Kirche ist auch keine „Zweckordnung zum friedlichen Ausgleich widerstreitender Interessen“ wie der Staat (Schilberg, 46).
Kirchliche Grundrechte müssen im Licht des Verkündigungsauftrags gesehen werden: „Kirche lebt in der Beziehung zu Gott, Christus wirkt in der Gemeinde und durch die Gemeinde, so daß sich der Leib nach dem Haupt ausrichtet“ (Schilberg, 46).
Der Heilige Geist weckt den Glauben und schafft Gemeinschaft. In seiner Kraft wird die Gemeinde ständig erneuert. Kirchliche Grundrechte dienen wesentlich der Stärkung der „Gemeinschaftsbindung“ (Rainer Mainusch).
Die freie Pfarrwahl und das „Gemeindeprinzip“
Besondere Bedeutung hat im reformierten Kirchenrecht die freie Pfarrwahl. Eine Pfarrerin/ein Pfarrer wird entweder durch den Kirchenvorstand oder durch die Gemeinde auf Vorschlag des Kirchenrates gewählt.
Als „reformiertes Kirchenrechtsprinzip“ versteht Martin Rauhaus in seiner Dissertation (2005) das sog. „Gemeindeprinzip“. Dieses leitet er aus den reformierten Bekenntnisschriften ab. Das sog. Gemeindeprinzip ist „die Rechtsposition der Gemeinden innerhalb einer Landeskriche, die sich dann insbesondere auch auf übergemeindliche Leitungsstrukturen auswirkt.
Dabei geht es nicht um die Frage von ‚oben‘ und ‚unten‘ in dem Sinne, daß die Kirchenleitung ‚oben‘ und die Gemeinden ‚unten‘ wären. Eine solche Sichtweise ist in der Ev. Kirche häufiger anzutreffen, entspricht aber weder CA 7 [Confessio Augustana] noch Frage 65 HK [Heidelberger Katechismus]. Wo immer die Botschaft des Evangeliums verkündigt wird, ist Kirche. Weitere heilsnotwendige kirchenverfassungsrechtliche Voraussetzungen gibt es nicht, insbesondere ist auch die ehrwürdige historische Organisationsform der Kirche nicht heilsnotwendig."
In diesem Sinne baut sich die Kirche nach evangelischem Verständnis – also sowohl nach lutherischem als auch nach reformiertem Verständnis – von den Gemeinden her auf.
Unterschiede zwischen lutherischem und reformiertem Verständnis von Kirchenrecht
Einen Unterschied zwischen lutherischem und reformiertem Verständnis von Kirchenrecht sieht Rauhaus darin, „daß nach luth. Auffassung Kirchenrecht und Kirchenverfassungsrecht überwiegend funktional verstanden würden, während die ref. Verfassungstradition der Annahme eines kirchenrechtlichen Gestaltungsprinzips offener gegenüber stehe“ (Schilberg, 47).
Einen weiteren Unterschied sieht Rauhaus darin, dass in reformierten Bekenntnisschriften „die Verkündigung des Evangeliums sowie die fortwährende Erziehung der Gläubigen und ihrer Bewährung betont würden“, während „das luth. Kirchenverständnis durch die Konzentration auf die Wortverkündigung und auf Predigtamt, das praktisch zum ‚organisierenden Prinzip‘ im luth. Kirchenvertsändnis werde“ geprägt sei (Schilberg, 47).
Von den reformierten Bekenntnisschriften leitet Rauhaus ein Prinzip zur Verfassung der Kirche und zur Aufteilung der örtlichen Leitungsbefugnisse ab:
„Die Ortsgemeinde ist danach originäre Trägerin der Leitungsbefugnisse für den örtlichen Bereich. Auf Grund des Gemeindeprinzips als spezifisch kirchliches Rechtsprinzip kommen überörtlichen kirchlichen Leitungsorganen prinzipiell keine originären Kompetenzen zur Leitung der Ortsgemeinde zu.“ (Schilberg, 47)
Laut Rauhaus gibt es keine „juristische Vorrangstellung“ der Landeskirche vor einer einzelnen Gemeinde. Die Konsequenz aus dieser Sicht auf Ortsgemeinde und Landeskirche ist eine dezentrale Kirchenorganisation. Die Zusammengehörigkeit der einzelnen Gemeinden bringen dann Synoden zum Ausdruck.
Die Synode ist kein Kirchenparlament
Die Vertreter von Kirchenkreisen, einzelnen Gemeinden oder kirchlichen Werken in der Synode, die Synodalen, sind nicht „bloße Repräsentanten partikularer Interessen“. Die Synode ist kein Kirchenparlament, sondern hat den eigenständigen Amtsauftrag, die Kirche zu leiten: „Während Parlamente in der mittelbaren Demokratie den Zweck haben, die Herrschaft des Volkes im Staat zu sichern, gründet sich die Kirche in dem Wort des dreieinigen Gottes. Die Synoden entscheiden über die Angelegenheiten, die ihnen die Kirchenverfassung zuweist oder die eine Mehrzahl von Gemeinden angehen. Ihre Aufsichtsbefugnisse beschränken sich auf Maßnahmen, die unerläßlich sind, um die rechte Verkündigung des Evangeliums sowie die bekenntnisbedingte Ordnung und die Selbstbestimmung der Kirche zu gewährleisten. Die Kirchengemeinden wirken an der Vorbereitung der synodalen Verhandlungen mit. Um der synodalen Gemeinschaft Willen wissen sie sich an die synodalen Entscheidungen gebunden.“ (Schilberg, 48).
Literatur
Arno Schilberg, Reformierte Beiträge zum evangelischen Kirchenrecht. Zugleich ein Beitrag zur Stellung der Reformierten in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht, Band 52 (2007), 30-50
Martin Rauhaus, Das kirchenrechtliche Gemeindeprinzip und seine Auswirkungen auf die kirchliche Verfassungsgestaltung. Dargestellt am Beispiel der Verfassung der evangelisch-reformierten Kirche (Schriften zum Staatskirchenrecht 23), Frankfurt/M. 2005
Barbara Schenck
Bereits im Mai 2007 wählte die Vollkonferenz der Union evangelischer Kirchen in der EKD in Hannover Kirchenrat Dr. Arno Schilberg zum neuen Vorsitzenden des Rechtsausschusses. Anfang 2008 wird Schilberg diesen Vorsitz antreten. Er ist Nachfolger für Oberkirchenrat Professor Jörg Winter, der in den Ruhestand geht.