Die Wunder des Herrn in Überlandbussen verkündigen

Skizzen von Sylvia Bukowski (III)

aus dem Ecumenical Theological Seminary, Baguio, Philippinen

Sumo

heißt der magere Straßenköter,
der hier Asyl gefunden hat.
Verängstigt,
voller Flöhe
liegt er entfernt von mir
auf der Rohbauetage des Seminars,
scheints noch nicht ganz sicher,
dass er entkommen ist
dem Verkehr
und den Kochtöpfen derer,
die immer noch
Hundefleisch lieben.
Aber mit kämpferischem Gebell
meldet er jeden Fremden.
Es könnte ja einer sein,
der ihn wieder vertreibt
aus seinem kargen
Hundeparadies.
 

Portraits einiger meiner Studenten

Da ist zuerst Lawrence,
immer der erste,
der sich meldet.
Er stammt aus Ghana
und ist stolz auf sein "British",
das hier aber leider niemand versteht.
Vor dem Elend seiner Heimat geflohen
hat er hier
ein bescheidenes Glück gefunden
und verkündet dankbar
mit kräftiger, afrikanischer Stimme
die Wunder des Herrn
in Überlandbussen.

Joven
begegne ich
im Zwielicht des Abends:
eine dunkle Gestalt
mit übergezogener Kapuze.
Er blickt kaum auf,
als ich ihn grüße.
Wie wird er sein im Unterricht?
Dort lerne ich ihn ganz anders kennen:
als einen Jungen
mit vielen Schmerzen.
Sein Vater ist Trinker
und schlägt die Mutter.
Joven hat das seit seiner Kindheit gesehen,
ohne helfen zu können.
Seine eigene Zukunft
ist ungesichert.
Die Kirche zahlt ihm
nur 1000 Pesos (20 Euro) im Monat.
Davon kann selbst hier
niemand überleben.
Joven muss arbeiten auf dem Bau,
muss Gemüse anbauen in seiner Gemeinde,
um die Güte des Herrn verkünden zu können.
Aber als er den Gong schlägt,
und für mich
singt und tanzt
wie es Brauch ist bei den Ifugao,
kommt ein Glanz auf
Jovens dunkles Gesicht.

Caroline,
eine zarte junge Frau
mit herbem Gesicht,
ist "Aktivistin",
Pfarrerin in einem Dorf
weit ab von der Straße,
wo die Busse halten.
Zu Fuss muss sie zwei Stunden gehen
bis zu ihrer Pfarrhütte.
Fast ebenso lang zu ihren Feldern,
auf denen sie anbaut,
was sie täglich isst.
Sie stützt leidenschaftlich
den Protest der Gemeinde
gegen die "mining companies",
die die Schätze der Berge ausplündern,
und die Landschaft verwüstet hinterlassen.
24 Stunden jeden Tag
halten Männer und Frauen Wache
und blockieren die Wege,
auf denen Maschinen anrücken könnten.
Es ist gefährlich,
Aktivistin zu sein auf den Philippinen:
Viele haben dafür schon
mit dem Leben bezahlt.
Caroline sagt,
manchmal habe sie Zweifel,
ob sie den Kampf durchhalten kann.
Aber sie kehrt zurück
und macht weiter
als Gottes Aktivistin
für Gerechtigkeit.

Eliseo
ein älterer Mann
von der Nordküste
fährt 16 Stunden
im Bus hierher,
um endlich "richtiger" Pfarrer zu werden.
Er liebt die Bibel,
und seine Predigt
reiht nur ein Zitat
daraus an das andere.
Schüchtern nickt er,
als ich von unseren Alten erzähle,
die nie gelernt haben,
"ich" zu sagen
und ihre  Meinung
wichtig zu nehmen.
Es werden vielleicht nie
eigene Worte sein,
mit denen Eliseo
Gottes Güte bezeugt.
Aber der große Ernst
und die spürbare Liebe zu Gottes Botschaft
haben Eliseo
längst
zu einem richtigen Pfarrer gemacht.

Paolo
hat die dunkle Hautfarbe
eines Tamilen,
die Mandelaugen
eines Mongolen,
das breite Lachen
eines Amerikaners.
Er ist Pfarrer
in einer reichen Gemeinde Manilas,
mit "aircondition" in der Kirche,
wie die anderen
neidvoll belustigt erzwaänen.
Paolo schreibt auf einem Laptop,
er ist der einzige,
der es wagt,
meine Predigt zu kritisieren.
Er hat sich mit der Shoah  beschäftigt,
will von mir wissen,
wie ich dazu stehe.
Beim Mittagessen der Studenten
ist er jeden Tag der "dishwasher"
und träumt lachend,
einmal "Millionair" zu werden.

Sylvia Bukowski, Pfarrerin und Autorin bei reformiert-info, ist für zwei Monate auf den Philippinen. In Baguio unterrichtet sie Homiletik und Liturgie am Ecumenical Theological Seminary. Ihre Tätigkeit dort wurde vermittelt von der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM): www.vemission.org.

Quelle Foto: ETS Baguio; Video einer Prüfung in Kirchenmusik: http://www.youtube.com/watch?v=eYhUR9O5K34


Sylvia Bukowski, Pfarrerin, 21. Januar 2012
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