Alice und das Wunderland und warum Steuern zu zahlen nicht dumm ist

Einspruch! - von Georg Rieger


Uli Hoeness war finanztransaktionssüchtig, Theo Sommer Workaholic und Alice Schwarzer wollte sich aus Deutschland absetzen. Das sind drei originelle Ausreden für Konten in der Schweiz. Aber nicht dafür, die fälligen Abgaben nicht zu entrichten.

Warum ist es selbst für ehrenwerte und vermögende Menschen ein so großes Problem, Steuern zu zahlen? Ist die vielbemühte Gier der Grund? Oder ist es doch nur der Auswuchs eines weit verbreiteten Phänomens? Wer zahlt schon gerne Steuern?

Es gibt schließlich kein Geld zu verschenken, argumentieren die großen und kleinen Steuerfüchse. „Der Staat“ könne eh nicht genug bekommen und deshalb sei es „Notwehr“, ihm so viel wie möglich vorzuenthalten.

Selbst die Politik biedert sich bei den Bürgern damit an, niedrige Steuersätze zu versprechen.  Die Vereinigten Staaten von Amerika stolpern so von einer Fast-Pleite zur nächsten, weil die Low-Tax-Ideologie es dem Staat nicht gönnt, für seine Bürger zu sorgen.

Tatsächlich gab es Zeiten ohne Steuern. Damals gehörte allerdings jedweder Grund und Boden den Fürsten und Grafen, die von der Pacht prächtig leben, Kirchen stiften und für die nötige Infrastruktur sorgen konnten. Einzig für teure Kriegszüge wurde das Volk gelegentlich zur Kasse gebeten. Die „Bede“ (Bitte) wurde allerdings notfalls auch mit Gewalt eingetrieben.

Je mehr der Handel und später die industrielle Produktion zum Wirtschaftsfaktor wurden, suchten die Landesherren nach Möglichkeiten, an dem Gewinn teilzuhaben. Ausgerechnet der Erfinder der freien Marktwirtschaft, Adam Smith, kehrte das Prinzip um: Die Steuer solle nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein. Dafür habe der Staat auf eigene Wertschöpfung (Landverpachtung, Staatsbetriebe) zu verzichten und das Wirtschaften weitgehend den Bürgern zu überlassen. Diese hätten dann ihre Abgaben nach ihrer Leistungsfähigkeit (ability) zu bezahlen, also bemessen am Einkommen.*

Soweit die Idee. Natürlich kam es vielerorts anders. Und vor allem hielten sich noch nie alle an ihren Teil der Vereinbarung. Die Bürger lassen sich bitten, notfalls zwingen, zahlen widerwillig und suchen beinahe zwanghaft nach Schlupflöchern. Verantwortung und Solidarität sieht anders aus. Wie bitte soll so ein Staat funktionieren?

Steuerverschwendung wie am Berliner Flughafen ist zwar skandalös, aber als Ausrede für den Steuerbetrug absurd. Aber der Versuch wäre es ja mal wert: Wir ziehen alle beim Kauf der nächsten Windows-Version an der Kasse 20 Euro ab, weil wir die Villa von Bill Gates nicht mitfinanzieren wollen. Ha, ha! Nein, so geht das nicht!

Mit unseren Steuern wird uns und Anderen tagtäglich das Leben leichter gemacht. Steuern braucht es für die Infrastruktur, für gute Bildung und neuerdings auch für den Erhalt der Umwelt. Und und und … Diese Abgaben zu bezahlen ist sinnvoll und solidarisch. Denn natürlich bekommen Mittellose davon auch das Nötigste zum Leben. Steuern sind dafür da, Chancengleichheit herzustellen und Notlagen einzudämmen – und „für Recht und Frieden zu sorgen“ Die Barmer Theologische Erklärung sieht in ihrer fünften These in dem Auftrag des Staates sogar eine „göttliche Anordnung“. Solche Überhöhung bräuchte es gar nicht, würden wir nur einfach wieder klar denken und uns von der Ideologie frei machen, dass weniger Staat auf jeden Fall besser sei. Der Staat sind wir. Und Gleiches gilt für Kommunen, Bezirke und Länder. Übrigens auch für Kirchen – und deren Steuern.

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*) Nachzulesen ist das unter anderem bei dem Ökonomen und Gründer der Wirtschaftspartei, Juraprofessor und Reichsjustizminister Johann Victor Bredt (1879-1940), der als Mitglied des Moderamens des Reformierten Bundes zwischen den beiden Weltkriegen auch in der Kirchenpolitik mitmischte und von der Bonner Theologischen Fakultät einen Ehrendoktortitel erhielt.

Joh. Victor Bredt, Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Ein Beitrag zur Systematik und Reform der direkten Steuern in Preußen und dem Reiche, Leipzig, 1912

Georg Rieger