John Updike und Karl Barth

Dialektische Theologie versus Kreationismus im ''Gottesprogramm''

Barth-Lektüre einmal anders – in einem Roman des amerikanischen Schriftstellers John Updike. Das Thema: Wort-Gottes-Theologie contra Kreationismus. Der Student Dale Kohler will die Existenz Gottes mit einem Computerprogramm beweisen. Professor Roger Lambert hält ihm entgegen: Ein Gott, den man „aus dem Herzen der Natur“ beweisen könne, mache den Glauben billig.

Wer sich theologisch mit Kreationismus und „intelligent design“ auseinandersetzen möchte, kann zu einem Roman greifen: John Updike, Das Gottesprogramm. Rogers Version (1986).

Der Student Dale Kohler, ein Informatik-Genie, ist überzeugt, den Gott, der alle Entwicklungsprozesse vom Urknall bis zur alltäglichen Fruchtbarkeit eines Menschen steuert, mit einem Computerprogramm nachweisen, ja sichtbar machen zu können. Er forscht nach dem Motto: „’Wenn Gott (…) tatsächlich das Universum erschaffen hat, dann muß sich diese Tatsache schließlich auch offenbaren. Andersherum gesagt: Gott kann sich nicht länger verstecken.’“ (Updike, 30f.)

Auf der Suche nach einem Stipendium für dieses Forschungsvorhaben wendet Dale Kohler sich an Professor Roger Lambert. Dieser hört das Anliegen des Studenten mit Widerwillen und entgegnet ihm im Sinne der Theologie Karl Barths: „’Die Kirche lehrt, so glaube ich, und das Alte Testament beschreibt einen Gott, der handelt, der zu uns kommt in Offenbarung und Erlösung, und nicht einen Gott, der das Universum in Betrieb gesetzt hat und sich seither versteckt. Der Gott, mit dem wir es an dieser theologischen Fakultät zu tun haben, ist der lebendige Gott, der aus eigenem Willen und aus Liebe zu uns Menschen kommt und über all die babylonischen Türme lacht, die wir ihm zu Ehren errichten’. Ich hörte ein Echo von Karl Barth in meinen Worten (…)“ (Updike, 32f.). Für Lampert ist klar: „’Ein Gott, den man beweisen kann, macht die ganze Angelegenheit [den Glauben, Anm. Verf.] ungeheuer, ja: uninteressant. Billig. Was immer Gott sonst noch sein mag, Er sollte nicht billig sein.’“ (Updike, 35).

Auf dem Heimweg von der Universität zu seinem Wohnhaus fasst der Professor in Gedanken seine Argumentation zusammen: „Wahrhaftig, wie grotesk, wie oberflächlich ist diese Hoffnung, der er [Dale] sich verschrieben hat: Gott aus den Statistiken der Urknall-Kosmologie, der Hochenergiephysik herauszufiltern. Wenn sich die Theologie an die Naturwissenschaft vergreift, verbrennt sie sich stets die Finger – im sechzehnten Jahrhundert an der Astronomie, im siebzehnten an der Mikrobiologie, im achtzehnten an Geologie und Paläontologie, im neunzehnten an Darwins Evolutionsbiologie. Immer wurde das Weltbild schier unfaßlich erweitert, während die Kirchenmänner sich duckten, in immer kleineren und schattigeren Nischen Zuflucht suchten, sich zuletzt in den düsteren, vieldeutigen Tiefen der Seele verkrochen, wo ihnen nun die Neurologie grausam zusetzt, sie aus den Falten des Gehirns hinausspült wie der Wasserstrahl die Holzläuse aus dem Bretterstapel. Barth hatte recht gehabt: totaliter alter. Nur wenn man Gott einen Platz weit jenseits des menschlich Verstehbaren zuwies, hatte man sein Unangreifbarkeit gesichert. Der Positivismus der Offenbarung, den Bonhoeffer beschrieb.“ (Updike, 43f.)

In seinem Bücherregal findet Lambert das entscheidende Barth-Zitat in „Das Problem der Ethik in der Gegenwart“: „Es gibt keinen Weg von uns zu Gott – nicht einmal eine via negativa – nicht einmal eine via dialectica oder paradoxa. Der Gott, der am Ende irgendeines menschlichen Weges stünde – selbst dieses Weges – wäre nicht Gott.“ (Updike, 55)

John Updike, der „bekennende Christ“ und „Karl-Barth-Adept“ – so Alexandra Kedveš in der Neuen Zürcher Zeitung (März 2002) – stammt aus einer presbyterianischen Familie, sein Großvater war Pfarrer. Diesen Teil der Familiengeschichte spiegelt in verzerrter Form der Roman „Gott und die Wilmots“. Updike selbst nennt sich Christ und geht zur Kirche. 1968 half dem 36jährigen Barthlektüre in einer schweren Lebenskrise, in „existentiellem Schrecken“ (Updike, Selbstbewußtsein, 76). Barths „Römerbrief“ lag dem Schriftsteller als Bettlektüre bereit, vgl. Schöpsdau, Reformiertes Profil in der Gesellschaft.
Über seinen Glauben und dessen Entwicklung spricht Updike offen, so 1998 in einem Interview des Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts (DS): „Ich stütze mich buchstäblich auf die Tröstungen des Christentums – sonst sähe ich mich mit einer Art Panik konfrontiert, die mich lähmen würde. So habe ich vor langer Zeit gedacht. Aber heute bin ich alt, und viele dieser alten Überzeugungen sind in mir mit der Zeit abgestumpft. Ich erinnere mich aber, dass ich als junger Mann darauf angewiesen war, mir einen letzten Rest von Glauben zu bewahren. Ohne diesen Glauben zu leben, konnte ich mir nicht vorstellen – das Leben schien mir einfach zu trostlos, zu klaustrophobisch, zu abgründig. Also las ich Karl Barth und Kierkegaard und fasste dadurch Mut.“

Literatur
John Updike, Das Gottesprogramm. Rogers Version, 4. Aufl. Hamburg 2002
John Updike, Selbstbewusstsein. Erinnerungen, 2. Aufl. Hamburg 2002 (New York 1989)
Walter Schöpsdau, Reformiertes Profil in der Gesellschaft

Links
Dieter Schneberger, Der US-amerikanische Bestsellerautor John Hoyer Updike wird 70. Der Glaube an Gott und die Macht des Eros, am 17. März 2002 im Sonntagsblatt (Bayern) 
Alexandra Kedveš, Formvollendete Unartigkeiten. Zum siebzigsten Geburtstag von John Updike (18. März 2002, Neue Zürcher Zeitung) 
Interview von Dennis Scheck mit John Updike, in: DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT, 28. August 1998 Nr. 35/1998


Barbara Schenck