Kleiner Mann ganz groß

Zum Tod von Prof. Dr. Wilhelm Holtmann - von Jörg Schmidt


Mitte Juli ist Wilhelm Holtmann gestorben, fast 92jährig. Wohl nur noch wenige werden ihn kennen, sicher die Herausgeberinnen und Herausgebern der Reformierten Bekenntnisschriften und Mitglieder der Caspar-Olevian-Gesellschaft in Trier, deren Gründungspräsident er war. Vielleicht auch noch einige ältere Mitglieder des Reformierten Bundes.

Seine Zeit, das war die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Da allerdings war er einer der wichtigen und – oft im Hintergrund – prägenden Personen des reformierten Bereichs. Er kannte sie alle, die im Reformierten Bund (und in der rheinischen Kirche!) wichtig waren. Und viele andere darüber hinaus. Und er wurde nicht müde, von ihnen zu erzählen, von Zusammenhängen und Entwicklungen, von Verwicklungen und Spannungen, eben von den handelnden Personen und der Geschichte des Reformierten Bundes, an dem ihm so viel lag. Sehr viel. Vor allem aber lag ihm an der Reformierten KirchenZeitung (RKZ), die es bis 1999 gab.

Wer die Ausgaben aus den letzten Jahrzehnten ihres Bestehens zur Hand nimmt, der findet seine Spuren wohl in jeder Ausgabe. Vor allem bei den Rezensionen. Es gibt wahrscheinlich kein wichtiges reformiert-theologisches Buch aus dieser Zeit, das nicht über seinen Schreibtisch gegangen ist. Und das er freundlich, eigentlich nie polarisierend, allenfalls fragend so besprochen hat, dass Nutzen und Grenzen den aufmerksamen Leserinnen und Lesern schnell deutlich wurden. Begleitet hat er in dieser Weise die RKZ schon, als Karl Halaski ihr Schriftleiter war und als Walter Herrenbrück diese Aufgabe übernommen hatte. Und dann in der Zeit, in der ich für ihr Erscheinen verantwortlich war (seit 1984).

Das Moderamen des Bundes hatte mir zur Seite ein Gremium bestellt, sicher auch weil man damals nicht sicher war, ob der im Bund kaum bekannte Pfarrer aus der reformierten Gemeinde in Braunschweig dieser Aufgabe denn gewachsen wäre. Auch, um über die „rechte reformierte Lehre“ zu wachen, die in der RKZ erscheinen sollte. Mitglieder dieses Gremiums waren Hans Theodor Goebel, Jochen Kuhn, Rolf Wischnath und eben Wilhelm Holtmann.

Gerade er hat schnell dafür gesorgt, dass aus dem auch zur Kontrolle eingesetzten Gremium ein gut funktionierender Kreis von befreundeten Kollegen wurde, denen gemeinsam Wohl und Wehe der RKZ am Herzen lag. Vor allem für mich war er dabei geradezu unersetzlich. Eben weil er sie alle kannte, mit denen wir zu tun hatten, und unzählige Informationen abgespeichert hatte. Von denen er gerne und oft erzählte. Und die weiter brachten, auch wenn wir scheinbar abkamen von Fragen und Zielen, die zu beantworten oder zu erreichen wären.

So sehe ich ihn noch vor mir: diese kleine, etwas rundliche Gestalt, die Baskenmütze auf dem Kopf mit dem kurz geschnittenen Haar (wohl auch deshalb nannten sie ihn in der Ev. Kirche im Rheinland „Igel“ Holtmann), eigentlich immer lächelnd. Und – als Mülheim-Styrumer Junge – dem Oberhausen-Alstadener Junge, der ich bin, immer solidarisch verbunden.

Und so hat er den Reformierten und dem Reformierten Bund „einen sehr guten Dienst getan“, so hätten wir das damals formuliert. Vieles in Gang gesetzt und gehalten. Überall dabei bei dem, was wichtig war, sicher auch bei manchem Unwichtigen. Natürlich Interessen vertretend, natürlich „Strippen ziehend“, aber dann doch wieder Gegensätze oder theologisch eigentlich einander widerstehende Positionen und Personen ausgleichend. Mit Ernst Volk zum Beispiel, dem eher „erz“lutherischen Superintendenten von Trier und Vorsitzenden des Lutherischen Konventes in der rheinischen Kirche kam er gut aus – anders als viele andere Reformierte.

Bekannt ist er den Älteren im Rheinland dann vor allem, weil er lange Jahre – gefühlt Jahrzehnte – der Protokollant der Landessynode war. Auch hier um Ausgleich bemüht, so wie er es im reformierten Bereich war. Wichtig war ihm (schon von seinem Lehrer Otto Weber her), das theologische Erbe der reformierten Väter zu bewahren und aus ihm für die Gegenwart zu lernen, in seiner, der rheinischen Kirche, in seinem, dem Reformierten Bund. Und er lehrte selbst  – als  Schulreferent und als Hochschullehrer.
Still war es zuletzt um ihn geworden, manche Entwicklung bei den Reformierten wurde ihm, der die Probleme reformierter Gemeinden in einer Unionskirche vor Augen hatte, fremd.

Und so ist er jetzt gestorben, der kleine, große Reformierte.

Psalm 27,1 hat die Familie auf die Traueranzeige gesetzt: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?“


Jörg Schmidt