In den Händen gehalten

Predigt zu einem Themengottesdienst


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Die Bibel ist voller Bilder und Geschichten, in denen Hände eine zentrale Rolle spielen – als Werkzeuge der Fürsorge, Macht, Schuld und Heilung.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! AMEN.

“So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt; wo du wirst geh’n und stehen, da nimm mich mit!”

Liebe Gemeinde, kaum ein Lied wird häufiger angestimmt, wenn es darum geht, einen geliebten Menschen, der von uns gegangen ist, in Gottes Hand zu legen.

Und wenn dies ein Familiengottesdienst wäre, hätten wir ziemlich sicher “Er hält die ganze Welt in seiner Hand” angestimmt.

Aber der Gottesdienst war auch ohne diese Schlager bisher schon randvoll mit Zitaten. Das Thema “Hände” ist sehr ergiebig, wenn man die Bibel danach absucht.

Sehr häufig wird jemand in eines anderen Menschen Hand gegeben - etwa so: Abram sprach zu Sarai: Sieh, deine Magd ist in deiner Hand. Mach mit ihr, was gut ist in deinen Augen. Da behandelte Sarai sie so hart, dass sie ihr entfloh. [Gen 166]

In demselben Sinne gebietet Gott Einhalt , als Abraham im Begriff steht, den anderen Sohn, den verheißenen Nachkommen Isaak, auf dem Altar des Gehorsams zu opfern: Er sprach: Strecke deine Hand nicht aus gegen den Knaben und tu ihm nichts, denn nun weiß ich, dass du gottesfürchtig bist, da du mir deinen Sohn, deinen einzigen, nicht vorenthalten hast. [Gen 2212]

Übrigens zeigt diese Begebenheit, dass Gott - auch im sogenannten “Alten Testament” - keineswegs blutrünstig und rachedurstig ist, sondern liebevoll, barmherzig und fürsorglich; Abrahams Sohn verschont er, aber sein eigener Sohn fällt dem wütenden Mob in die Hände und stirbt am Kreuz.

In die Hand geben, die Hand gegen jemanden erheben oder auch Hand anlegen - wer noch mit Sprichwörtern und Redensarten umgeht, dem sind solcherlei Ausdrücke nicht unbekannt.

Eine delikate Episode ist Königs Sauls Rückzug in eine Höhle, weil ihn ein dringendes Bedürfnis plagt. In just dieser Höhle hält sich indes David versteckt, der von Saul verfolgt und mit dem Tode bedroht wird. Nachdem das Geschäft erledigt ist, folgt David seinem Widersacher und sagt: Sieh, an diesem Tag haben deine Augen gesehen, dass der Herr dich heute in der Höhle in meine Hand gegeben hat. Und man sprach davon, dich umzubringen, ich aber habe dich verschont und gesagt: Ich werde meine Hand nicht gegen meinen Herrn führen, denn er ist der Gesalbte des Herrn. [1Sam 24,11]

Weniger geläufig sind uns Formulierungen wie die beiden folgenden: Es nahte die Zeit, dass Israel sterben sollte. Da ließ er seinen Sohn Josef rufen und sprach zu ihm: Wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, so lege deine Hand unter meine Hüfte, dass du mir die Liebe und Treue erweisen wirst: Begrabe mich nicht in Ägypten. [Gen 4729]

Deine Hand liegt auf dem Nacken deiner Feinde. Vor dir werfen sich nieder die Söhne deines Vaters. [Gen 498] Einmal also der Schwur bei den Nachkommen, auf sehr handgreifliche Art und Weise dargestellt, und einmal der Griff nach dem Nacken, also eine Geste der Unterwerfung, gegen die der Unterlegene wehrlos ist.

Ob jemand seinen Lebensunterhalt mit seiner Hände Arbeit verdient oder aber ein Schreibtischtäter, womöglich ein Künstler ist, erkennt man durchaus auch am Zustand seiner Hände. Die Zwillinge Jakob und Esau konnten verschiedener kaum sein: Vaters Liebling war ein rauher Bursche mit reichlich Haarwuchs; Mutters Favorit hatte glatte Haut. Um den beinahe blinden Vater zu betrügen und seinen Segen zu ergaunern, wandte Rebekka eine List an und ließ ihren Liebslingssohn ein Fell überziehen. Dann heisst es: Isaak erkannte ihn nicht, denn seine Hände waren behaart wie die Hände seines Bruders Esau. Und so segnete er ihn. [Gen 2723]

Biete deine Hand nicht einem, der Unrecht tut, indem du als Zeuge Gewalt deckst [Ex 231] lautet eine der zahllosen Regeln vom Sinai - ein Prinzip, dem wir bis heute treu geblieben sind, zumindest vor den Augen der Öffentlichkeit.

Aber die Hände werden für noch ganz andere Tätigkeiten verwendet, etwa um einen Bock bei den Hörnern zu packen und ihm die Sünden des Volkes aufzuhalsen, ehe er - im wörtlichen Sinne - in die Wüste geschickt wird. [Lev 1621]

Für religiöse Rituale sind die Hände insbesondere der Priester von großer Bedeutung: Vor der ganzen Gemeinde Israels trat Salomo an den Altar des Herrn, breitete seine Hände zum Himmel aus und sprach: Herr, Gott Israels! Kein Gott ist dir gleich, nicht oben im Himmel und nicht unten auf der Erde. Den Bund und die Treue bewahrst du deinen Dienern, die mit ganzem Herzen vor dir gehen... [1 Kön 822f.]

Gott nimmt für sich in Anspruch, mit seinen Händen alles gemacht zu haben - Himmel und Erde und alles, was darinnen ist: Ich - ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr geschaffen. Ich - meine Hände haben den Himmel ausgespannt, und all sein Heer habe ich befehligt. [Jes 4512] Deshalb erträgt er es nicht, wenn Menschenwerk angebetet und verehrt wird: Zu den Altären (der Menschen), zum Werk seiner Hände, wird er nicht blicken, und zu dem, was seine Finger gemacht haben, wird er nicht schauen, auch nicht zu den Ascheren und den Altären für die Rauchopfer. [Jes 178]

Immer wieder wird Götzendienst gebranntmarkt, gern in derben Worten angeprangert wie etwa mit dem Vorwurf der Hurerei. Dagegen heisst es ganz schlicht und grundsätzlich beim Propheten Jesaja: Ihr Land wurde voll von Götzen; das Werk ihrer Hände beteten sie an, das, was ihre Finger gemacht hatten. [Jes 28]

Wir sind durch das Erste Testament schon beinahe durch. Es fehlen noch zwei aufsehenerregende Hand-lungen des Mose. Als Moses Hände schwer wurden, nahmen sie einen Stein und legten diesen unter ihn, und er setzte sich darauf. Aaron und Hur aber stützten seine Hände, der eine auf dieser, der andere auf jener Seite. So blieben seine Hände fest, bis die Sonne unterging. [Ex 1712] Das war nach der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. Als diese noch bevorstand, erhielt Mose folgenden Auftrag: Strecke deine Hand aus und fasse (die Schlange) beim Schwanz! Da streckte er seine Hand aus und ergriff sie, und in seiner Hand wurde sie wieder zu einem Stab. [Ex 44]

Ich schließe das Kapitel “Gesetz und Propheten” ab mit einem Zitat aus jenem Kapitel des 5. Buches Mose, in dem das Bekenntnis Israels nachzulesen ist. Das Volk soll Gottes Worte in- und auswendig lernen - dazu dient dann auch, sie als Zeichen auf deine Hand (zu) binden und sie als Merkzeichen auf der Stirn (zu) tragen. [Dtn 68]

Es ist gut, wenn Menschen harmonieren und auch gut zusammenarbeiten können; wir sagen dann, sie arbeiten “Hand in Hand”.

Was aber, wenn die Hände nicht mehr gehorchen, wenn sie verletzt sind oder aufgrund einer Erkrankung nichts mehr ausrichten können? Im Neuen Testament gibt es zahlreiche Berichte wundersamer Heilungen - so auch diese: (Jesus) schaute alle an, einen nach dem andern, und sagte (zu dem Mann mit der gelähmten Hand): Streck deine Hand aus! Und der tat es, und seine Hand wurde wiederhergestellt. [Luk 610] - Und dies an einem Sabbat!

Es gibt allerdings auch Fälle, in denen die Gesundheit der Seele in radikaler Weise der körperlichen Unversehrtheit vorgezogen wird. Sehr drastisch klingt die Aufforderung Jesu aus der Bergpredigt: Wenn deine rechte Hand dich zu Fall bringt, hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, eines deiner Glieder geht verloren, als dass dein ganzer Leib zur Hölle fährt. [Mat 530]

Obwohl Pilatus ein Römer und dazu ein gewissenloser Lump war, hatte er das Bedürfnis, vor den Augen der aufgewiegelten Menge zu bekunden, dass er keinen Grund für eine Verurteilung Jesu finden konnte: Als Pilatus sah, dass er nichts erreichte, vielmehr die Unruhe wuchs, nahm er Wasser, wusch sich vor den Augen des Volkes die Hände und sagte: Ich bin unschuldig an diesem Blut. Seht ihr zu! [Mat 2724]

Schon lange bevor es dazu kam, hatte Jesus angekündigt, was mit ihm einst geschehen werde: Er lehrte seine Jünger und sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird ausgeliefert in die Hände von Menschen, und sie werden ihn töten, und wenn er getötet worden ist, wird er nach drei Tagen auferstehen. [Mark 931]

Laut dem Evangelisten Johannes konnte er das in aller Gelassenheit sagen und erleiden, weil er - ich zitiere: wusste, dass ihm der Vater alles in die Hände gegeben hatte und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott weggehen würde. [Joh 133]

Entsprechend bezeugt der Evangelist Lukas: Jesus rief mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Mit diesen Worten verschied er. [Lk 2346]

Ein, wenn auch trauriges, so doch schönes Ende, möchte man meinen. Wir aber glauben und bekennen, dass dies keineswegs das Ende ist, weil Gott das Ende zum Anfang gemacht und den Gekreuzigt auferweckt hat. So kann Paulus im Römerbrief auf die Frage, wer uns, die auf Jesus Christus vertrauen, verurteilen will, antworten: Christus Jesus ist es, der gestorben, ja mehr noch, der auferweckt worden ist; er sitzt zur Rechten Gottes, er tritt für uns ein. [Röm 830]

Doch die Osterbotschaft ist zu gewaltig, als dass sie jedermann auf Anhieb hätte mit Freude annehmen können - so auch Thomas, den Jesus auffordert: Leg deinen Finger hierher und schau meine Hände an, und streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! [Joh 2027] - Ja, wohl denen, die nicht sehen und dennoch glauben, liebe Geschwister!

Fehlt zu guter Letzt nur noch eines für ein wirkliches “happy end”. Davon erzählt die Heilige Schrift recht häufig - ich greife ein Beispiel heraus [Apg 8,17]: (Petrus und Johannes) legten ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist.

Das war, was ich zu unserem Thema beizutragen habe.

Alles andere liegt in Gottes Händen.

Er segne und behüte uns!

Amen.


Stephan Schaar