Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1877-1942)
August Adolf Johannes Zauleck wurde am 9. August 1877 als ältestes der acht Kinder von Pfarrer Friedrich August Paul Zauleck und seiner Ehefrau Auguste Luise Henriette, geb. Duchstein in Bremen geboren. Nach der Reifeprüfung an einem Bremer Gymnasium 1897 studierte Zauleck erst klassische Philologie in Marburg, dann Theologie in Greifswald, Halle und Münster. Dabei prägte pietistische Theologie und Frömmigkeit den Studenten.
Nach dem theologischen Examen 1901 unterrichtete Zauleck zunächst als Hauslehrer auf dem Landgut Palwitz in Hinterpommern. 1902-1903 war er Lehrvikar in Werther bei Bielefeld und 1903-1907 Synodalvikar in Witten. Seine erste Pfarrstelle trat Johannes Zauleck 1907 in Weidenau/Sieg an. Dort hatte er Kontakt zu Arbeitervereinen und engagierte sich im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch. 1908 heiratete Zauleck die aus einer Wittener Kaufmannsfamilie stammende Elisabeth Spennemann, mit der er vier Kinder hatte.
1913 trat Zauleck eine Pfarrstelle in Bochum an, wo er sich verstärkt um die Jugendarbeit kümmerte, insbesondere in dem „Männer- und Jünglingsverein“ und dem Jugendverein „Wartburg“, für dessen Vereinsorgan Wartburg-Zeitung er die Schriftleitung übernahm. Außerdem gründete Zauleck eine eigene Zeitschrift: Mutiges Christentum. Auf dem „konservativen Bochumer Pflaster“ konnte Zauleck seine Vorstellungen von Kinder- und Jugendarbeit nicht verwirklichen. Er wollte in eine kleinere Stadt mit ähnlicher industrieller Struktur wechseln. 1920 wurde er in der reformierten Gemeinde in der Freiheit, Wetter als Pfarrer gewählt.
In Wetter rief Zauleck das Maitreffen für die evangelische Jugend und die „Wandervögel“ auf dem Harkortberg ins Leben. Die Jugendlichen hörten Ansprachen, wanderten tanzten, turnten, sangen und musizierten gemeinsam, ohne dabei zu rauchen und zu trinken, was die zeitgenössische Berichterstattung anerkennend bemerkte. Bei dem Jugendtreffen sollten, so Zauleck, „die subjektiven Stimmungen zurücktreten hinter sozialem Fühlen!“ Zauleck versuchte auch „Brücken zu schlagen“ zur sozialistischen Arbeiterjugend, die sich ebenfalls am 1. Mai traf. Die Treffen am 1. Mai waren für viele der kirchlich gebundenen Jugendlichen ein erster Kontakt mit der deutschen Jugendbewegung, dem „Wandervogel“.
1921 folgten 600 Jugendliche Zaulecks Aufruf, 1922 schon 2000. 1923 kam es zu einem Zwischenfall, der Zauleck tief erschütterte: kommunistische Jugendliche überfielen Teilnehmer des Treffens auf dem Harkortberg. Anfang der dreißiger Jahre rückten die Maitreffen von ihren ursprünglichen Zielen ab, auch Zauleck wandte sich anderen Aufgaben zu. 1933 übernahmen Nationalsozialisten die Organisation der Treffen im Sinne ihrer Ideologie.
Im „Treubund“, der evangelischen Jugendbewegung, gestaltete Zauleck eine Jugendarbeit, die sich für eine „bessere geschlechtliche Sittlichkeit“ einsetzte und deshalb gegen „Alkohol, Tabak und Kino-Unwesen“ richtete. Als christliche Wandervogelbewegung verstand Zauleck den „Treubund“, der – damals bahnbrechend – gemeinsame Vereinsstunden für Mädchen und Jungen anbot.
Neben der Jugendarbeit widmete Zauleck sich der Männerarbeit. 1922-1932 organisierte er zehn Männerfahrten, mit denen er überwiegend der kirchlichen Gemeinde ferner stehenden Arbeitern eine Urlaubsreise ermöglichte. 1934 wurden diese Reisen von den Nationalsozialisten verboten. Auf vielfältige Weise war Zauleck seelsorgerlich und diakonisch tätig, so errichtete er z.B. in der Zeit der hohen Arbeitslosigkeit in Wetter eine „Wärmestube“, in der sich jene, die nicht genug Geld für Kohlen hatten, aufwärmen und ihre Zeit mir Spiel und Gespräch verbringen konnten. Unter dem Namen „Volkshochschule“ baute Zauleck eine eigene kirchliche Bildungsarbeit auf.
Zaulecks schriftstellerische Tätigkeit war nicht begrenzt auf seine Monatszeitschrift „Mutiges Christentum“ und das Sonntagsblatt „Für unsere Kinder“, er veröffentlichte – wie schon sein Vater – beim Bertelsmann Verlag in Gütersloh mehrere Kirchenliederbücher sowie Erbauungsbücher für ältere Menschen, die in sehr hohen Auflagen erschienen. Ab 1938 wurde Zaulecks schriftstellerische Tätigkeit stark eingeschränkt. Als Schriftleiter im Nebenberuf durfte er nur noch die Zeitschriften „Für unsere Kinder“ und „Für alte Augen“ herausgeben. 1941 wurde der „Evangelische Gemeindebote“ verboten, etwas später auch das Kinderblatt und 1942 wegen angeblicher Papierknappheit die Herausgabe aller Schriften.
Zauleck, der Mitglied der Bekennenden Kirche war, nahm eine neutrale Haltung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat ein, geriet aber in Konflikt mit der herrschenden Macht, u. a. auf Grund seines Bemühens „Brücken zu schlagen“ zur sozialistischen Jugend. Zauleck wurde von Mitglieder der Hitlerjugend auch tätlich angegriffen, als „politisierender Pfarrer“ verunglimpft und für einige Stunden festgenommen. Eine längere Verhaftung oder gar Abschiebung ins Konzentrationslager blieb ihm aber erspart. Das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft erlebte Johannes Zauleck nicht mehr. Er starb 1942.
Literatur:
- Pfarrer Zauleck, der Seelsorger, Schriftsteller und Diakon. Eine biographische Skizze. Zum Download, siehe unten.
- Peter Friedemann, Johannes Zauleck. Ein Wächter und kein Anführer: im Kirchenkampf 1933-1942 (Bochum 14. Juli 1992). Zum Download, siehe unten.
Erziehung zur Freiheit
Calvins Predigtpraxis in Genf am Beispiel der Predigten zum Deuteronomium. Von Albrecht Thiel, Dortmund
Calvin als Prediger
Calvins Selbstverständnis als Prediger
Grundzüge der Homiletik Calvins
Predigt als Ausdruck von Gottes akkommodierendem Handeln
Gemeinde und Predigt
Nachtrag: Zur (anscheinend nie endenden) Frage nach der Erwählung
Einleitung
Ich möchte Ihnen Calvin als Prediger vorstellen. Die Überschrift versucht dabei, einen Prozeß zu beschreiben: „Erziehung zur Freiheit“: Das erziehende Subjekt, Gott, der mit den Menschen als Gegenüber in einen Dialog eintritt. Gott redet und handelt, im Wort der Bibel. Er tut dies nicht allgemein an der Menschheit, sondern konkret in der Geschichte mit seinem erwählten Volk Israel - und in diesem Brennglas kann sich dann auch später die konkrete christliche Gemeinde wiederfinden. Die Freiheit, zu der Gott führt, ist allerdings von einer ganz anderen Qualität als das, was der Mensch nach seiner Lust und Laune tun will. Gott muß gerade gegen das arbeiten, was „dem Menschen gut scheint“[1]. Denn die Menschen sind von sich aus nicht frei, sie stehen unter der Macht der Sünde und des Egoismus. Sie schmieden sich eine Religion nach ihrem Wohlgefallen und wollen Gott nach ihrer Phantasie dienen. Eben so verhärten sie sich gegenüber dem wirklichen Gott - so Calvin[2].
Calvin als Prediger
Calvin als Prediger ist weithin noch zu entdecken. Der Systematiker der „Institutio“, der Mann der theologischen Synthese, der Ökumeniker - all diese Prädikate sind sicher richtig. Dennoch: Die Haupttätigkeit Calvins ist das Predigen gewesen. Er selbst bezeichnete sich als „Lektor der Heiligen Schrift an der Genfer Kirche“[3]. Vor allem anderen war es seine Aufgabe, in Vorlesungen[4], Congrégations (das waren die wöchentlichen, verpflichtenden Pfarrkonferenzen mit dem Thema der theologischen Auslegung eines biblischen Buches) und vor allem in Predigten das Wort Gottes zu erklären und auszulegen.
Einige äußere Fakten
Sein normales Maß waren zwei Predigten am Sonntag und eine Predigt am Werktag, wobei er werktags nur jede zweite Woche zu predigen hatte[5]. An dieses Schema scheint er sich aber nur grob gehalten zu haben. Predigtzeit war werktags im Sommer um sechs Uhr, im Winter um sieben Uhr[6]. Insgesamt dürfte Calvin in Genf etwa 4000 Predigten gehalten haben, nur der kleinere Teil ist überliefert[7].
Die Zuordnung, am Sonntag über Texte des Neuen und am Werktag über solche des Alten Testamentes zu predigen[8], hat er - bis auf die Psalmen[9] - streng durchgehalten. Wenn ich mich im folgenden auf die Deuteronomiumspredigten beziehe, spricht das nicht für ein besonderes „alttestamentliches Denken“ Calvins. Neben Reihen über die großen Propheten[10][11][12] oder über erzählende Stoffe wie die Genesis[13]. bilden die neutestamentlichen Reihen über die Apostelgeschichte[14] und die Evangelienharmonie[15] die umfangreichsten Corpora.
Calvin hatte international einen Ruf als hervorragender Prediger, so daß es vor allem unter Studenten zu einem regelrechten Predigttourismus nach Genf kam[16]. In Genf selber waren die Gottesdienste - anders als ein verbreitetet Vorurteil es wahrhaben will - „Hoch gepriesen - wenig besucht...“ - so Erwin Mülhaupt[17].
Was wir heute „Situation“ nennen, sah in Genf etwa so aus: Die Stadt, von Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl bestenfalls eine mittlere Großstadt, wies eine breite soziale Streuung mit erheblichen Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen auf. Dazu kamen die im Laufe der 50er Jahre anwachsenden Konflikte zwischen Einheimischen und Fremden. Calvin sprach nicht den Genfer Dialekt (eine Mischung aus Französisch und Provençalisch[18]), sondern die französische Hochsprache. Diese wurde zwar von den Hörern verstanden, aber doch als fremd wahrgenommen. Dazu kam, daß er mit seiner schwachen Stimme in der großen Kirche akustisch nur schwer zu verstehen war.
Seit 1549 wurden die Predigten stenographisch durch Denis Raguenier, einen französischen Flüchtling, festgehalten. Er war als einziger Vollzeitbeschäftigter bei der Bourse française, der diakonischen Hilfseinrichtung für Flüchtlinge, fest angestellt[19]. Raguenier war Chef einer Agentur von Schreibern, denen er die (meist von ihm selbst) mitgeschriebenen Predigten diktierte[20]. Der Verkauf der gedruckten Predigten kam den Flüchtlingen zugute.
[1] „Ce que bon luy semble“ ist eine der wichtigsten Ausdrücke in den Predigten Calvins.
[2] Z.B.: „Au reste, les hommes suyvent les entreprinses de leur coeur en deux façons: l’une est, quand ils se forgent une religion que bon leur semble, et que là dessus ils veilent servir Dieu à leur phantasie...“ sowie: „...les hommes s’endurcissent ainsi à l’encontre de Dieu...“ (beides CO 28, S. 526)
[3] CO 5, 233.
[4] Parker geht davon aus, daß vor der Gründung der Akademie im Jahre 1559 die Hörer der Vorlesungen in erster Linie Genfer Schüler waren. (Thomas Henry Louis Parker, Calvin’s Old Testament Commentaries, Edinburgh 1986, S. 15)
[5] Erwin Mülhaupt, Die Predigt Calvins. Berlin 1931, S. 16.
[6] ebd.
[7] So die Schätzung Rodolphe Peters (Rodolphe Peter, Genève dans la prédication de Calvin. In: Calvinus ecclesiae Genevensis custos. Die Referate des Congrès Internat. des Recherches Calviniennes vom 6. bis 9. Sept. 1982 in Genf. Hg. von Wilhelm H. Neuser, Frankfurt/M. u.a. 1984, S. 23-48. S. 23f). Veröffentlicht sind davon in den Calvini Opera 873, für die Veröffentlichung in den Supplementa Calviniana sind weitere 442 vorgesehen. Von den ca. 4000 Predigten sind 1542 erhalten (ca. 38%).
[8]Siehe dazu die Tabelle bei Parker, Thomas Henry Louis, The Oracles of God. An Introduction to the Preaching of John Calvin.
[9] Erwin Mülhaupt, Einleitung zu SC VII: Psalmpredigten, Passions-, Oster- und Pfingstpredigten. Neukirchen 1981, VII - LIV. „Nicht weniger als für Luther ist auch für Calvin der Psalter ein besonders geliebtes Buch der Bibel gewesen.“ (S. XXIV)
[10] Jeremia: Der größte Teil der Jeremia-Predigten ist verloren, ein Rest 1971 veröffentlicht als Suppl. Calv. VI.
[11] Ezechiel: Auch hierüber predigte Calvin 15 Monate lang (November 1552 bis Februar 1554).
[12] Jesaja: Vom Juli 1556 bis August 1559 (= 37 Monate)! Dabei könnte es allerdings zu größeren krankheitsbedingten Unterbrechungen gekommen sein.
[13] September 1559 bis Januar 1561 (= 17 Monate). Auch dabei gelten die Bedenken hinsichtlich möglicher Krankheit. Siehe hierzu jetzt die Edition von Max Engammare als SC XI: 97 Predigten über Gen 1-20.
[14] August 1549 bis Februar 1554.
[15] Juli 1559 bis zu Calvins letzter Predigt im Februar 1564.
[16] Karl Halaski: “An welchem Ort wurde in der Reformationszeit noch soviel gepredigt wie in Genf? (...) Die Bürger der Stadt, die zahllosen Flüchtlinge in ihren Mauern, die Studenten und jene Sorte von Weltreisenden, die auch in der Renaissance überall dabeigewesen sein mußten, haben den Prediger Calvin gehört.“ (Karl Halaski, Vorwort. In: Der Prediger Johannes Calvin. Beiträge und Nachrichten zur Ausgabe der Supplementa Calviniana. H. 17 der Schriftenreihe „Nach Gottes Wort reformiert“, hg. von K. Halaski, Neukirchen 1966, 7-8. S. 7)
[17] Erwin Mülhaupt, Die Predigt Calvins. Berlin 1931, S. 22.
[18] Siehe dazu William G. Naphy, Calvin and the Consolidation of the Genevan Reformation.
[19] Siehe Jeanine E. Olson, Calvin and Social Welfare. Deacons and the Bourse Française. Selinsgrove /
[20] Siehe Bernard Gagnebin, L’Histoire des manuscrits des sermons de Calvin. In: SC II, Neukirchen 1961, XIV-XXVIII. S. XVIII.
©Dr. Albrecht Thiel, Dortmund