Das Kompliment ist notwendiger Modus politischer Predigt

Interview mit Peter Bukowski

Dr. h.c. Peter Bukowski, Moderator des Reformierten Bundes und Direktor des Seminars für pastorale Aus- und Fortbildung in Wuppertal; Foto (bearb.): Karlfried Petri

Der Moderator des Reformierten Bundes, Dr. h.c. Peter Bukowski, wagt im Interview mit reformiert-info einen Blick auf das Jahr 2014.

Politisch predigen

Die Reformationsdekade begeht das Kirchenjahr 2013/14 unter der Überschrift Reformation und Politik. Eine These dazu lautet: "Jede Predigt ist politisch". Was meinst du?

Bukowski: Die Antwort hängt davon ab, wie man den Begriff der „politischen Predigt“ versteht. In einem weiteren Sinne ist tatsächlich jede Predigt politisch. Denn auch wenn sie zu politischen Fragen nicht ausdrücklich Stellung bezieht, wirkt sie natürlich in den Bereich des Politischen hinein, indem sie z.B. Menschen zur Nachfolge ermutigt oder ihre Gewissen schärft. Allerdings sehe ich das Problem solch implizit politischer Predigt darin, dass sie – gerade indem sie die konkrete Stellungnahme ausspart – die jeweils herrschende Meinung bestätigt oder gar verstärkt.
Im engeren Sinne verstehe ich die „politische Predigt“ als eine solche, die in Auslegung des biblischen Textes ausdrücklich Bezug nimmt zu heute aktuellen Fragen. Dass sich die Heiligung auch in den Bereich des öffentlichen und politischen Lebens hinein auswirkt, ist gute reformierte Tradition. Und so kann ich mir eine Predigt, sagen wir zu Jesaja 58, kaum vorstellen, die nicht zur heute drängenden Frage nach sozialer Gerechtigkeit Stellung bezieht. Und eine Predigt über das Wort: „Herberget gern“, wird vom derzeitigen Flüchtlingsdrama und unserer notorischen Selbstabschottung nicht absehen können. Dabei will aber die Unterscheidung zwischen Glaubens- und Ermessensfragen beachtet sein. Dass es Menschen möglich sein muss, von ihrem Lohn ein genügendes Auskommen zu haben, halte ich für biblisch wohl begründet. Wohingegen die einst ausgegebene Parole: „Gott will die 35-Stunden-Woche“ Glaubens- und Ermessensfragen zu sehr in eins setzt.
Schließlich: Ich wünsche mir im Jahr 2014 solche politischen Predigten, die neben aller notwendigen Kritik und Aufforderung zum Handeln die positive Verstärkung nicht unterschlagen. Es gibt in unseren Gemeinden hingebungsvolle, tapfere, richtungsweisende und ermutigende Taten. Das darf nicht verschwiegen werden. Das Kompliment ist ein notwendiger Modus politischer Predigt.
Zuletzt: Mir fällt immer wieder auf, wie nachlässig wir darin sind, in unseren Gottesdiensten für die „Obrigkeit“ zu beten. Dabei ist das der besondere Dienst der christlichen Gemeinde für den Bereich des Politischen.

Die Reformierten im Jahr 2014

Wagst du einen Blick in die Zukunft? Ins Jahr 2014? Was siehst du - für die Reformierten, den Reformierten Bund?

Bukowski: Was den Reformierten Bund betrifft spontan einen gewaltigen Berg Arbeit. Denn mit dem Herzug der Geschäftsstelle der Reformierten Weltgemeinschaft nach Hannover obliegt uns deren institutionelle Vernetzung in den deutschen Kontext, mit allem, was das an logistischen und kommunikativen Aufgaben mit sich bringt. Aber es überwiegt bei Weitem die Freude, die sich mit dieser Aufgabe verbindet: Durch den noch engeren Kontakt mit der Weltgemeinschaft wird sich unser theologischer und ökumenischer Horizont weiten – das wird für uns und unsere Mitgliedsgemeinden gewiss eine Bereicherung sein. Sollte das Exekutivkomitee der Weltgemeinschaft die vom Reformierten Bund ausgesprochene Einladung annehmen, wird die nächste Generalversammlung 2017 in Leipzig/Wittenberg stattfinden. Darin sehen wir eine Riesenchance für die Weltgemeinschaft, aber auch für die Reformationsfeierlichkeiten. Immerhin brächten wir weit über Tausend Nicht-Europäer zu den Reformationsstätten und könnten im ökumenischen Geist die reformatorischen Entscheidungen für unsere heutige Zeit bedenken.
Im Blick auf die EKD sind wir Reformierten in der Frage engagiert, wie das Verbindungsmodell weiter und besser ausgestaltet werden kann: Es geht darum (endlich) klarzustellen, dass die EKD als Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen selbst Kirche ist, und in praxi die Gemeinschaft zu stärken und es geht in gleichem Masse darum, sicher zu stellen, dass der deutsche Protestantismus aus dem Reichtum seiner unterschiedlichen Bekenntnistraditionen lebt, die deshalb gepflegt und gefördert sein wollen, wozu auch klare Strukturen in Gestalt der Kirchenbünde gehören.

Gnade ist nicht gleich Glück

Was sagt dir die Jahreslosung 2014: "Gott nahe zu sein ist mein Glück". - Psalm 73,28?

Bukowski: Ehrlich gesagt war ich über diese Losung zunächst nicht gerade begeistert, denn sie könnte zu dem Fehlschluss verleiten: Gott macht glücklich. Dies aber wäre biblisch arg verkürzt und deshalb falsch und seelsorgerlich verhängnisvoll. Denn die Nähe Gottes führt auch in Anfechtung und sie ist keine Garantie für ein leidfreies Leben. Wir haben gerade zu lernen, dass Gnade und Glück zu unterscheiden sind. Tatsächlich aber sagt die Losung etwas anderes: Gott nahe zu sein ist mein Glück – hilft gerade, in schweren, in unglücklichen Zeiten oder Situationen bei dem Halt zu finden, der der Gott allen Trostes genannt wird.
Nahe kommt uns Gott in seinem Wort – insofern ermutigt uns die Losung, Gott dort zu suchen, wo er zu finden ist, und im Hören Seiner neu gewiss zu werden.

Dezember 2013

Reformierter Bund gratuliert dem früheren Moderator

Peter Bukowski, ehemaliger Moderator des Reformierten Bundes, wir am 9. Juni 70 Jahre alt. Der Reformierte Bund sendet Glückwünsche an einen Theologen, der den reformierten Diskurs mit viel Engagement vorangetrieben und mitgeprägt hat.
 

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