'Schlimmere Lage als in den südafrikanischen Townships'

Flüchtlingslager im Libanon


© ErK

Ende August hat Kirchenpräsident Martin Heimbucher mit einer kleinen Delegation die Evangelische Kirche in Syrien und im Libanon besucht. Ziel der Reise war es, die vor etwa drei Jahren aufgenommenen Beziehungen zu intensivieren. Dabei hat die Gruppe auch ein Flüchtlingslager für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge besucht.

„Wir fühlen uns wie Figuren, nicht wie Menschen.“ Diesen Satz sagt Familienvater Jamal*, als wir im drei-mal-drei Meter großen Wohnzimmer seiner Hütte Platz genommen haben. Hier zieren Teppiche den Boden, Tücher hängen an der Wand und auf dem Boden liegen Sitzkissen. Seine Söhne sind bemüht, dass die siebenköpfige Besuchergruppe darauf bequem Platz findet. Seit sechs Jahren lebt Jamal mit seiner Frau im Libanon, geflüchtet vor dem Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien. Möglicherweise ist er auch deshalb in den Libanon geflohen, weil er schon zuvor hier in der Landwirtschaft den Lebensunterhalt für seine Familie verdiente.

Untergebracht ist die inzwischen achtköpfige Familie in einem Verschlag aus Brettern, Folien und anderen zusammengesammelten Materialien. Das Wohnzimmer, eine Kochstelle und ein Raum zum Schlafen. Drei Kinder sind hier im Lager zur Welt gekommen, ein Neffe lebt auch mit ihnen zusammen. Das halblegale Flüchtlingslager liegt nahe der Stadt Zahle in der Bekaa-Ebene, 60 km von Beirut entfernt und nur 25 km vor der syrischen Grenze. Es gibt zwar Strom aber kein fließendes Wasser, die sanitäre Lage ist katastrophal. Hütte steht hier an Hütte. Jetzt ist alles trocken und staubig. Wie es im Lager aussieht, wenn es mal regnet, besonders auf dem Sandboden der Hütten, mag man sich nicht ausmalen. „Die Lage hier ist schlimmer als in den südafrikanischen Townships“, merkt die Menschrechtsreferentin der EKD, Sabine Dressler, an.

Die Bekaa-Ebene mit der Stadt Zahle als Zentrum gilt als die Obst- und Gemüsekammer des Libanon – ein krasser Gegensatz zur Armut im Lager. Über die gesamte Ebene verstreut finden sich immer wieder größere und kleinere Ansammlungen von Hütten und Verschlägen, in denen Geflüchtete leben. Direkt daneben steht das repräsentative Wohnhaus des Farmbesitzers. Er kassiert von den Flüchtlingen Pachtgeld und Nebenkosten.

Inzwischen hat der libanesische Staat begonnen, die ersten Flüchtlingsfamilien nach Syrien zurückzuführen. In Regionen, in denen die Lage sicher ist, so wird versichert. Dabei droht allen syrischen Männern zwischen 18 und 42, dass sie nach der Rückkehr in ihr Heimatland zum Militärdienst verpflichtet werden, berichtet ein Pastor der syrisch-libanesischen evangelischen Kirche. Viele Männer hätten davor Angst und würden daher nicht nach Syrien zurückkehren wollen. Es sei völlig unklar, wie sie dort von den aktuellen Machthabern behandelt würden.

1,5 Kilometer vom Lager, in dem Jamals Familie wohnt, betreiben verschiedene Organisationen eine Schule, die von außen ebenfalls wie ein Flüchtlingszelt und gar nicht wie eine Schule aussieht. Jetzt in den Ferien gibt es hier ein Ferienprogramm, das Freiwillige für die Kinder aus den umliegenden Flüchtlingslagern organisieren. Die Schüler kommen zum Teil zu Fuß, zum Teil werden sie auf der Ladefläche eines Transporters gebracht. Heute stehen knapp 100 Kinder vor dem Eingang und werden zu Kreisspielen angeleitet.

Für die Evangelische Kirche in Syrien und dem Libanon ist das kein Problem. Sie betreibt in der Nähe anderer Flüchtlingslager eigene Schulen. „Wir meinen, dass gute Bildung der Schlüssel für ein friedliches Zusammenleben in der Zukunft ist“, betont die Theologin im Ruhestand Mary Michael. Sie betreut für ihre Kirche das Schulprogramm in den Flüchtlingslagern. „Unser Anliegen ist es nicht, die muslimischen Kinder zum Christentum zu bekehren. Sie sollen aber bereits als Kinder erleben, dass ein gutes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen gelingen kann.“


Quelle: Evangelisch-reformierte Kirche

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