'Die Forderungen sind ein alter Hut'

45 Prominente sprachen sich kurz vor der Bundestagswahl in einem Generationenmanifest für Frieden, Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung aus


In den Medien stieß das Manifest auf kontroverse Reaktionen. Hannes Schrader schrieb auf zeit.de von "Politkitsch". Auch Martina Wasserloos-Strunk, Vertreterin des Reformierten Bundes bei Attac, würde nicht unterschreiben: Warum, erklärt sie in ihrem Kommentar.

Nein – ich verkneife mir beißenden Spott und Polemik in Sachen Generationenmanifest. Dafür ist die Sache zu wichtig. Aber ich halte auch nicht hinter dem Berg damit, dass ich stinksauer bin. Über die Vorwürfe die ich mir zu eigen und die Selbstanklagen in die ich einstimmen soll. Soviel nur am Rande – die Bemühungen um die bessere Welt, die uns unsere Groß- und Urgroßeltern angeblich hinterlassen wollten, haben immerhin in zwei Weltkriege geführt. Gut, aber ich will nicht kleinlich sein.

Ich, Jahrgang 63 und damit eine der „goldenen Generationen“ der Nachkriegsgeborenen soll jetzt unterschreiben, dass ich den Generationenvertrag, „die älteste Übereinkunft der Menschheit“, stillschweigend kassiert habe. Dabei habe ich Großeltern gepflegt und bin jetzt bei den Eltern angekommen. Meinen Kindern habe ich beigebracht allen politischen Heilsversprechen gegenüber misstrauisch zu sein und das Licht auszumachen, wenn sie den Raum verlassen. Ich engagiere mich seit ich denken kann für so ziemlich alle der hier aufgeführten Forderungen – zugegeben, mal mehr, mal weniger. Und jetzt das! Nein, das werde ich nicht unterschreiben. Weil ich es unachtsam und übergriffig finde, weil mir die wohlfeile Büßergeste nicht gefällt und weil die ganze Aktion so sexy ist, wie die glatt gescheitelten Jungs von der Jungen Union, die schon vor 30 Jahren glaubten, sie könnten Politik machen, indem sie – immerhin silberne - Kugelschreiber verteilen.

Na ja, das war jetzt doch polemisch. Wir sollen also in 10 Punkten die Bundesregierung auffordern, die Welt zu verändern. Bin ich dafür. Soll sie tun. Unbedingt. Ich sehe schon, wie Frau Merkel den Generationenvertrag liest und gramgebeugt feststellt, dass sie das in den letzten Jahren ihrer Regierung einfach nicht gemacht hat. Total vergessen! Dabei sind die Forderungen ja nicht neu – genaugenommen sind sie ein alter Hut. Das haben wir doch in unseren Diskussionsrunden des Konziliaren Prozesses schon vor 20 Jahren präziser formuliert und – im Gegensatz zum Generationenmanifest – mit konkreten politischen Forderungen versehen: Die Einführung der Tobinsteuer war so eine. Und dafür haben wir uns sogar mit den schrägen Vögeln von Attac zusammen getan. Wie dem auch sei – jetzt mal wirklich ohne Spott: was im Generationenmanifest gefordert wird – und es wird da nichts weniger als die Lebensgrundlage für künftige Generationen eingefordert - kann nur erreicht werden, wenn diese seltsame „Ihr-seid-schuld Haltung“ unterlassen wird. Es kann nur erreicht werden mit einer politischen Haltung, die es vermeidet in „die Guten“ und „die Bösen“ einzuteilen und stattdessen in Kauf nimmt dicke Bretter zu bohren und möglicherweise mit einer politischen Forderung auch mal Gegenwind zu bekommen. Da fällt man nicht gleich von um – wirklich nicht! Jeder Sturm ein Schritt nach vorne! Echt jetzt – da hat unsere gute Demokratie schon Schlimmeres ausgehalten!


Martina Wasserloos-Strunk