EU-Türkei-Abkommen rechtlich nicht haltbar

Badische Landeskirche und Diakonie decken Verstöße gegen den Flüchtlingsschutz auf


Foto: Diakonisches Werk der Evangelischen Landeskirche in Baden e.V. / ekiba.de

Die Türkei ist alles andere als „sicher“ für Flüchtlinge. Das haben Recherchen der badischen Diakonie und Evangelischen Landeskirche bestätigt. Eine sechsköpfige Delegation hatte die türkische Region um Izmir und die griechische Insel Chios besucht. Sie bestätigten massive Verstöße türkischer Behörden gegen die Europäische und die Genfer Menschenrechtskonvention.

Jürgen Blechinger, Jurist und Migrationsexperte der Evangelischen Landeskirche und des Diakonischen Werks in Baden, erklärte, vor diesem Hintergrund sei es mit dem internationalen Flüchtlingsrecht nicht vereinbar, Flüchtlinge ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe in die Türkei zurückzuschicken. Blechinger, bestätigte, dass die Flüchtlinge in der Türkei weder sicher seien, noch einen Schutzstatus erhielten, der der Genfer Flüchtlingskonvention entspreche. Die Türkei wende diese auf nicht-europäische Flüchtlinge gar nicht an. Syrische und irakische Flüchtlinge würden an der Grenze zurückgewiesen, und immer wieder nach Syrien zurückgeschickt - teilweise sogar mit Waffengewalt. Flüchtlinge erhielten in der Türkei nicht den Schutz, der ihnen rechtlich zustehe.

Laut Blechinger erhalten Syrer in der Türkei praktisch nur sehr selten eine Arbeitserlaubnis. Von den rund vier Millionen Flüchtlingen in der Türkei hätten nur ein paar tausend die Erlaubnis, zu arbeiten. Daraus resultiere extreme Armut, die oft mit Kinderarbeit einhergehe. Nach dem internationalen Flüchtlingsrecht hätten Flüchtlinge aber das selbe Recht auf Arbeit wie die Staatsangehörigen des eigenen Staates. 

Blechinger kritisierte, dass der Europäischen Union bekannt gewesen sei, dass die Türkei die Standards des internationalen Flüchtlingsrechts nicht umsetze. Trotzdem habe man das EU-Türkei-Abkommen unterzeichnet und damit wissentlich in Kauf genommen, dass Menschen von Griechenland in ein Land zurückgeschickt würden, dass Flüchtlingen keinen angemessenen Schutz biete. Dass die EU mit der Türkei einen „Deal“ mache, der gegen das europäische Flüchtlingsrecht verstoße, sei ein Skandal. Das gelte auch für die Praxis, Flüchtlinge in den Schlauchbooten zu verhaften und in die Türkei zurückzubringen, bevor sie die der Türkei vorgelagerten griechischen Inseln erreichten. Solche Push-Back-Operationen widersprächen klar dem Recht auf effektiven Zugang zum Flüchtlingsschutz.

„Wenn es Deutschland und die EU mit dem Menschenrechtsschutz ernst meinen, müssen Zurückweisungen und Rückschiebungen von Flüchtlingen aus der EU in die Türkei sofort gestoppt werden“, fordert Jürgen Blechinger. Eine an den europäischen Grundrechten und Grundwerten orientierte Flüchtlingspolitik müsse anders aussehen. Das Völkerrecht regle unmissverständlich, dass niemand in den Verfolgerstaat zurückgeschickt werden dürfe, dem im Herkunftsland politische Verfolgung drohe oder dessen Leib und Leben im Rahmen von Bürgerkriegssituationen in Gefahr sei. Flüchtlinge hätten einen Anspruch auf Schutz.

Den Angaben zufolge befinden sich derzeit rund 3,5 bis 4 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei, davon ca. 250.000 in Flüchtlingslagern. Hinzu kommen weitere 700.000 nicht-syrische Flüchtlinge.

Hinweis:
Ein Interview mit Jürgen Blechinger, Jurist und Migrationsexperte des Diakonischen Werks und der Evangelischen Landeskirche in Baden, finden Sie online unter www.ekiba.de

Pressemeldung des Diakonischen Werks der Evangelischen Landeskirche in Baden e.V., 08.09.2016