Ein Mutmachbuch zu Weihnachten

Martin Schröder: Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden.


Buchrezension von Jürgen Kaiser

Ein Buch voller guter Nachrichten. Kaum zu glauben, was uns da verkündigt wird: Dass die Welt in fast jeder Hinsicht in den letzten Jahrzehnten besser geworden ist. Aber was Martin Schröder verkündigt, braucht man auch gar nicht zu glauben, denn der Marburger Soziologe legt kein Bekenntnis seines Glaubens ab, sondern belegt seine guten Botschaften mit Fakten.

Der erste Teil von Schröders Buch widmet sich der Situation in Deutschland, der zweite Teil untersucht die globalen Entwicklungen. In der Einleitung und im Schlusskapitel geht der Autor der Frage nach, warum die meisten trotz der eindeutigen Befunde den Eindruck haben, die Welt werde immer schlechter.

Um die pauschale Frage, ob die Welt besser oder schlechter wird, beantworten zu können, muss man Teilaspekte betrachten: Armut und Hunger, Gesundheit und Bildung, wirtschaftliche Entwicklung und Ökologie, Krieg und Terror. Schröder traut dabei den Statistiken mehr als den Medien und den Experten. Statistiken werden in Kurven ausgewertet. Kurven, die in den letzten 50 Jahren teils rasant gestiegen sind: die weltweite Kaufkraft, die Lebenserwartung, die Zahl der Demokratien, die Schulbildung, in den letzten Jahrzehnten besonders die von Mädchen, sogar der Intelligenzquotient ist gestiegen.

Kurven, die in den letzten 50 Jahren teils rasant gefallen sind: die Kindersterblichkeit, die absolute Armut, die Zahl der Tötungsdelikte, der Kriegstoten, selbst die Zahl der Terroropfer ist in Westeuropa nachweislich gesunken, die IRA und die ETA haben viel mehr angerichtet als der IS 2016. Obwohl auch die Zahl der Verkehrstoten stark rückläufig ist, ist Autofahren immer noch bedeutend gefährlicher als der Terrorismus.

Die Millenium-Entwicklungsziele, die die Vereinten Nationen 2000 beschlossen haben, sollten bis 2015 nachweislich die Armut und den Hunger bekämpfen, die Schulbildung heben, die Gleichstellung der Geschlechter fördern, die Kindersterblichkeit senken, Aids und Malaria bekämpfen und für ökologische Nachhaltigkeit sowie globale Entwicklungspartnerschaft sorgen. Viele dieser Ziele wurden erreicht, manche sogar schneller als geplant.

Nicht erfüllt haben sich dagegen die Prognosen, die der Club of Rome 1972 veröffentlichte. Danach müssten fast alle Rohstoffe der Erde längst aufgebraucht sein. Durchaus mit Häme erinnert Schröder immer wieder an die Weltuntergangsprophezeiungen gerade von Intellektuellen. Die Trefferquote der Zukunftsprognosen aus dem Kreis der Nobelpreisträger sei bedeutend schlechter als die von normalen Menschen, sogar unter der Trefferquote eines Zufallsgenerators. „Viele Intellektuelle gefallen sich in der Pose des überlegenen Warners, der sich als Gegengewicht zur dekadenten Gesellschaft fühlen kann, indem er normalen Menschen klarmacht, wie sie bloß 'Werkzeuge mächtiger Kräfte wie Industrieunternehmen und Militärdiktatoren' seien.“ (S. 13).

Erinnern Sie sich noch an das „Waldsterben“? Anfang der 80er Jahre erklärten Experten im Spiegel, es sei vollkommen sicher, dass es in fünf Jahren keine Wälder mehr in Deutschland gäbe. Das Problem des sauren Regens wurde jedoch relativ schnell durch Rauchgasentschwefelung gelöst. Zur Zeit wird die Welt vom Klimawandel bedroht. Es wäre ignorant, die Fakten nicht zur Kenntnis zu nehmen. Auch Schröder leugnet sie nicht. Die Umstellung auf eine CO2-freie Wirtschaft sei allerdings bereits heute nicht mehr eine Frage des Könnens, sondern eine des Wollens.

Dass wir den Zustand der Welt trotz allem für schlechter halten, als er in den letzten Jahrzehnten geworden ist, liegt nach Schröder nicht nur an der Warnerpose von Intellektuellen und Experten sowie an der Berichterstattung der Medien, die naturgemäß mehr über Krisen als über positive Entwicklungen reden. Es liegt auch an einem psychologischen Effekt, der sog. rosaroten Brille. Wir Menschen haben die Angewohnheit, negative Erinnerungen auszublenden und nur die positiven zu bewahren. Weil unserer Erinnerung deswegen die Vergangenheit positiver erscheint, als sie wirklich war oder von uns damals empfunden wurde, hat es im Vergleich dazu die Gegenwart schwer, einen positiven Eindruck von sich zu vermittlen.

Schröders Buch der guten Nachrichten ist ein besonderes Evangelium. Es ist kein Glaubensbuch gegen düstere Fakten, sondern ein Faktenbuch gegen düsteren Glauben. Die Welt ist gar nicht so dunkel, wie wir oft glauben. Schröder will nicht beschwichtigen und uns weismachen, wir lebten bereits im Paradies. Er stellt nur mit aller Klarheit dar: Die Fakten geben keinen Anlass zum Pessimismus. Im Gegenteil: Sie zeigen, dass wir Menschen in der Lage sind, die Welt besser zu machen. Engagement lohnt sich.

Martin Schröder
Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden
Gebunden, 228 Seiten
Benevento-Verlag, 1. Auflage
ISBN: 9783710900587
20 Euro


Jürgen Kaiser

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