Freiheit von der krampfhaften Sorge um das eigene Wohlergehen

Westfälische Landeskirche: Auftakt des 500-jährigen Reformationsjubiläums


Prof. Dr. Christiane Tietz vom Institut für Hermeneutik und Religionsphilosophie der Universität Zürich sprach »Von der Freiheit und Unfreiheit eines Christenmenschen« Foto: EKvW

Die Theologin Dr. Christiane Tietz (Zürich) hat die evangelische Kirche ermutigt, deutlicher auf die Freiheit hinzuweisen, die in der Zuwendung Gottes liegt. Sie befreie von der verbreiteten Sorge, zu kurz zu kommen.

Das zeige sich aktuell bei der Präsidentschaftswahl in den USA: »Wer formuliert: ›America first‹, bei dem scheint die Botschaft von der Zuwendung Gottes allein aus Gnade noch nicht angekomnmen zu sein«, sagte Tietz am Dienstag (15.11.) vor der Synode der Evangelischen Kirche von Westfalen in Bielefeld.

Professorin Tietz lehrt Systematische Theologie an der Universität Zürich. Mit ihrem Gastvortrag »Von der Freiheit und Unfreiheit eines Christenmenschen« setzte die westfälische Landeskirche einen Akzent zum Auftakt des 500-jährigen Reformationsjubiläums 2017.

Martin Luther habe die Freiheit des Gewissens auf eine ganz neue Grundlage gestellt: Es sei die »Freiheit des Menschen von der Anklage des Gewissens«, das sagt: Du bist nicht gut genug. Das befreite Gewissen bleibe dann aber nicht tatenlos, sondern sei Ansporn zu mutigem Handeln. Die Bindung an Gott und sein Wort habe Luther dazu befreit, sich staatlichen Eingriffen entgegenzustellen. Ein so befreiter Mensch »fragt sich nicht mehr ängstlich, ob das, was er tut, auch ihm selbst nützt, sondern orientiert sich allein an dem, was seine Dankbarkeit gegenüber Gott und die Not des Nächsten ihn zu tun heißt«, sagte Christiane Tietz.

Die Botschaft von der Zuwendung Gottes zum Menschen allein aus Gnade sei auch in der modernen Leistungsgesellschaft »heilsam«, weil sie der alltäglichen Geschäftigkeit und Selbstversicherung widerspreche. Sie befreie von dem Druck, sich und anderen ständig etwas beweisen zu müssen. Und: »Wer weiß, dass im Zentrum seiner Existenz für ihn gesorgt ist, der wird von einer derart krampfhaften Sorge um sein eigenes Wohlergehen frei.« Die Referentin lobte die Kampagne »Einfach frei« der westfälischen Landeskirche zum Reformationsjubiläum: »Sie bringt diesen Sachverhalt kongenial auf den Punkt.«

Das Reformationsjubiläum 2017 steht in Westfalen unter dem Motto: »Einfach frei«. Die Kampagne will die Botschaft der Freiheit, die Gott ohne Vorbedingung schenkt, sichtbar und hörbar machen. Verbunden ist damit der Hinweis auf den einmaligen Feiertag am Reformationstag, 31. Oktober 2017. An diesem Tag vor 500 Jahren hat Martin Luther seine Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlicht. Daraus entwickelte sich eine starke Bewegung, aus der die evangelische Kirche entstand. Der 31. Oktober 1517 gilt als Ausgangspunkt der Reformation.

Pressemeldung der EKvW, 15. November 2016