'In Zeiten lauter Propaganda von Faschisten und Demokratiefeinden wachsam sein'

Gemeindekirchenrat der Ev. Paulus-Kirchengemeinde Tempelhof verurteilt Treffen rechtsgesinnter Politiker in Potsdam


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In einer Stellungnahme warnt der Gemeindekirchenrat vor vermeintlich "alternativen" Lösungen und ruft zu aktiver politischer Beteiligung auf: "Wir riskieren alles, Freiheit, Wohlstand und Frieden, wenn wir es nicht tun."

Text im Wortlaut:

"Die Schrift sagt uns, daß der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung an. Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten. Sie vertraut und gehorcht der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt."

So heißt es in der 5. These der 1934 beschlossenen Barmer Theologischen Erklärung der Bekennenden Kirche. In dieser Tradition steht auch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Auch unsere Ev. Paulus-Kirchengemeinde bekennt sich zu den Grundwahrheiten von Barmen, die in Reaktion auf die Machtergreifung der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler entstanden sind. Daher erklären wir, in Wahrnehmung unserer Verantwortung als Christinnen und Christen und als Regierte, die über ihre Regierung zu bestimmen haben:

Wir sind darüber empört, dass es in Potsdam ein konspiratives Treffen rechtsgesinnter Politiker gegeben hat, bei dem über massenhafte Abschiebung von Ausländer:innen und auch deutschen Staatsbürger:innen nachgedacht wurde. Das ist ein nicht nur inhaltlich abscheulicher Vorgang, sondern auch deswegen verstörend, weil neben bekannten Nazis über die AfD hinaus auch Personen vom rechten Rand der CDU anwesend waren.

Angesichts der Gefahr einer Wiederholung von 1933, dass durch einen demokratischen Wahlvorgang eine undemokratische Kraft die parlamentarische Mehrheit erlangt und in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg den Regierungschef stellen könnte, wird nun verstärkt über die Möglichkeit eines Parteienverbotes debattiert. Doch ist das der Kern des Problems?

Wir nehmen wahr, dass ein bedeutender Teil der Bürger eine Entfremdung zwischen der politischen Elite und den Menschen fühlt. Viele Bürger fühlen sich unverstanden und mit Floskeln abgespeist, angesichts der vielen notwendigen politischen Veränderungen. Klimaerwärmung, geopolitischer Verwerfungen von den USA bis China sowie Krieg in der Ukraine und im Gazastreifen führen zu Zukunftsängsten. Zudem entstehen scheinbar mehr und mehr innenpolitische Herausforderungen, z. B. durch immer schlechtere Bildungsergebnisse. Die Veränderungen bringen ein hohes Maß an Einschränkungen und Anpassungsnotwendigkeiten mit sich, ohne dass Verbesserungen der Lebensumstände unmittelbar sichtbar würden.

Rechtsextreme, demokratiefeindliche Kräfte nutzen diese Situation aus, indem sie grundsätzlich demokratisch gesinnten Personen zunehmend erfolgreich suggerieren, man müsse sich auf eine von zwei Seiten zu stellen: entweder ein "weiter so" oder eine radikal andere "Alternative" wählen. Dies ist grundfalsch. Noch nie war das demokratische, politische Spektrum vielfältiger und bunter. Die Menschen haben die Wahl zwischen demokratischen Parteien verschiedenster Art. Für wen nichts Passendes dabei ist, ist die Mitarbeit in und die Veränderung einer Partei genauso möglich, wie die Gründung einer neuen. Wir brauchen dazu keine faschistische "Alternative".

Noch etwas tun die neuen Nazis sehr geschickt: Sie wollen uns weismachen, dass die Lösung der Probleme in völkischer, ausgrenzender, unbarmherziger Abschottung besteht. Die Integration von Migrant:innen ist sicher eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Aber keines der oben genannten großen Probleme des Landes und der Welt wäre gelöst, gäbe es keine Migration mehr. Lassen wir uns nicht verblenden, sondern suchen wir gemeinsam nach Lösungen auf die Herausforderungen unserer Zeit.

Wie gelingt es, den Klimawandel zu verlangsamen und die Mobilität von Menschen, auch jenen mit geringem Einkommen, zu erhalten? Wie können die Wohnungen warm bleiben? Wie kann ausreichend Wohnraum angeboten werden? Wie können wir Frieden in der Welt und Sicherheit für uns in Deutschland erreichen? Wie können wir unser Bildungssystem verbessern und unseren Kindern die notwendigen Fähigkeiten und Abschlüsse vermitteln, um an den Entwicklungen der Wirtschaft teilzuhaben? Das sind die wichtigen Fragen, auf die Demokratiefeinde keine Antwort haben oder suchen, die aber gelöst werden müssen, damit die Angst und die Wut keinen Raum bekommen.

Auch wenn Parteien und staatlichen Institutionen zwar prinzipiell allen zugänglich sind, wirken sie doch auf viele Menschen kompliziert und abschreckend. Wir nehmen wahr, dass eine Beteiligung am politischen Prozess weit entfernt ist von den gewohnten Likes und Dis-Likes, mit denen man in sozialen Netzwerken Zustimmung oder Ablehnung äußern kann. Die Politik ist deshalb aufgerufen, nicht nur von einer Krise zur nächsten zu regieren, sondern neue Formen der Kommunikation und Beteiligung zu entwickeln, um den gesellschaftlichen Konsens zu stärken. Die Bürgerräte des Bundestags sind ein positives Beispiel. Wir brauchen dringend mehr davon.

Somit ist beides wichtig: Wir Regierte sollten in Zeiten lauter Propaganda von Faschisten und Demokratiefeinden wachsam sein und beim Angebot scheinbar einfacherer Lösungen auf komplexe Probleme besser zweimal hinschauen. Wir sollten uns auf den Weg machen und unsere Demokratie durch aktive Beteiligung stärken. Wir riskieren alles, Freiheit, Wohlstand und Frieden, wenn wir es nicht tun. Zugleich sind die Regierenden gefordert, die Probleme entschieden und behutsam zugleich anzugehen, und den Bürgern verständlich zu erklären. Dies ist wichtig um den Menschen zu ermöglichen mitzugehen. Die Regierenden sollten wahrnehmen, dass die aktuellen Formen der demokratischen Beteiligung weiterentwickelt werden müssen, damit möglichst viele die Regierung ehren können, wie es die Bibel verlangt.

Wir als Gemeinde wollen weiter beraten, was unsere Aufgabe und Verantwortung zur Stärkung der Demokratie ist.


Gezeichnet: Der Gemeindekirchenrat der Ev. Paulus-Kirchengemeinde Tempelhof