Jahreslosung 2010: Jesus Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! (Johannes 14, 1)

von Martin Dutzmann

''Zweimal ein Wort: Glaubt! Gegen das Erschrecken helfen offenbar keine noch so genauen Informationen und keine noch so klugen Berechnungen. Gegen das Erschrecken hilft allein der Glaube, hilft allein das gewisse Vertrauen. Wir wissen das aus Kindertagen: Wenn wir vor Blitz und Donner erschraken, half uns nicht die Belehrung über die physikalischen Zusammenhänge. Es half allein die Nähe von Vater oder Mutter, die unser Vertrauen stärkte und uns Mut machte.''

Jesus ist ein guter Seelsorger. Er weiß, was in seinen Jüngern vorgeht. Gerade hat er ihnen die Trennung angekündigt: Er wird seine Jünger verlassen, und sie werden ihm nicht folgen können. „Scheiden tut weh!“ heißt es in einem deutschen Volkslied, und eine französische Redensart lautet: „Jeder Abschied ist ein kleiner Tod“. Jesus weiß, dass die Jünger erschrocken und trostbedürftig sind.

„Scheiden tut weh!“ und: „Jeder Abschied ist ein kleiner Tod.“ Das ist uns wohl vertraut. Selbst das freiwillige Abschiednehmen schmerzt: Deshalb schrecken viele Menschen vor neuer beruflicher Herausforderung an neuem Ort zurück. „Was ich habe, das weiß ich“, sagen sie. „Ich weiß aber nicht, ob ich mich an einem neuen Ort zurechtfinde und wohlfühle, ob ich Freundinnen und Freunde finde.“ – und bleiben bei dem, was ihnen vertraut ist. Erst recht schmerzt das Abschiednehmen, wenn es erzwungen ist – wie bei Jesus und seinen Jüngern. Wer einen geliebten Menschen verliert – durch eine Scheidung oder durch den Tod -, dessen Herz ist erschrocken und der verliert nicht selten den Boden unter den Füßen.

„Euer Herz erschrecke nicht!“ sagt Jesus und gibt damit zu erkennen, dass er seine Jünger sehr gut versteht. Gleichwohl wirft der kurze Appell Fragen auf: Kann man denn das befehlen? Ist das nicht wieder eine dieser unsäglichen Vertröstungen im Stile des „Kopf hoch, es wird schon wieder werden!“ oder „Die Zeit heilt alle Wunden“? Jesus zerstreut diese Zweifel, indem er hinzufügt: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“

Zweimal ein Wort: Glaubt! Gegen das Erschrecken helfen offenbar keine noch so genauen Informationen und keine noch so klugen Berechnungen. Gegen das Erschrecken hilft allein der Glaube, hilft allein das gewisse Vertrauen. Wir wissen das aus Kindertagen: Wenn wir vor Blitz und Donner erschraken, half uns nicht die Belehrung über die physikalischen Zusammenhänge. Es half allein die Nähe von Vater oder Mutter, die unser Vertrauen stärkte und uns Mut machte.

„Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ sagt Jesus. An Gott glauben und an Jesus glauben ist also ein und dasselbe. Denn: Wer auf Jesus sieht, der sieht Gott selbst.

Und was gibt es zu sehen?

Wir sehen, wie Jesus sich von dem Schmerz und der Traurigkeit der Mühseligen und Beladenen anrühren lässt. Wie er sich tief zu ihnen hinabbeugt, ihnen in die Augen schaut und sie aufrichtet. Wir sehen, wie Jesus konsequent das Leid der Menschen zu seiner Sache macht. Selbst den Schrecken des Todes hält er sich nicht vom Leib. So ist unser Gott: „sym-pathisch“ – was wörtlich übersetzt nicht heißt, dass er ein netter Kerl ist, sondern dass er uns Menschen in den Abgründen unserer Not und unserer Angst nicht allein lässt und mit uns leidet. „Herr, ob den Himmeln thronst du hoch und siehest doch die Tiefgebeugten“, heißt es in einem alten Psalmlied.

Und dann sehen wir, wie Jesus am Ostermorgen das Leid und den Tod hinter sich lässt. Wie er den Sieg über alles davon trägt, was Menschen niederdrückt und fesselt. Und wir erkennen darin das Versprechen Gottes an uns: Auch euch ist nicht der Tod sondern das Leben bestimmt.

Der Glaube an Jesus Christus wird uns durch alle Abschiede hindurch tragen. Durch die freiwilligen und die aufgezwungenen, die befristeten und die endgültigen. „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“  lautet die Frage 1 des Heidelberger Katechismus. Die Antwort beginnt mit den Worten: „Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre…“ Die Antwort könnte auch heißen: „Jesus Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!“


Martin Dutzmann, Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche