''Menso Alting''-Ausstellung präsentiert bibliophile Kostbarkeiten

Erste Leihgaben treffen in Emden ein / Offizielle Eröffnung am 7. Oktober

Emden. Die Ausstellung „Menso Alting und seine Zeit. Glaubensstreit – Freiheit – Bürgerstolz“, die am 7. Oktober eröffnet wird, kann mit mehreren bibliophilen Kostbarkeiten aufwarten, die in dieser Woche als Leihgaben in Emden eingetroffen sind: Dr. Wolfgang Jahn, stellvertretender Direktor des Ostfriesischen Landesmuseums Emden und Projektleiter der Ausstellung, und Klaas-Dieter Voss, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek, konnten eine „Lutherbibel“ in Augenschein nehmen, die aus dem Fundus der Marienbibliothek in Halle stammt und auf das Jahr 1541 datiert.

Es handelt sich dabei um eine in Wittenberg gedruckte Gesamtausgabe, die der Lutheranerin Felicitas von Selmenitz (1488-1558) aus Halle gehörte und nun erstmals außerhalb von Halle in der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Diese Bibel war ein Geschenk Luthers an die Taufpatin seiner Kinder. Luther hatte zudem 1543 für ihren Sohn Georg von Selmenitz eine Widmung auf ein gesondertes Blatt geschrieben, welches dieser später in die Bibel einkleben ließ. Doch das ist nicht die einzige Besonderheit: Auch enthält sie ein Flugblatt auf der Innenseite des Rückendeckels – ein Unikat von anno 1502. Es enthält einen Aufruf von Friedrich dem Weisen und seinem Bruder Herzog Johann, mit dem seinerzeit die akademische Jugend aufgefordert wurde, an der neugegründeten Universität Wittenberg zu studieren und zu promovieren.

Eine weitere Leihgabe wird in diesen Tagen aus der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart erwartet: Es handelt sich dabei um eine Bibel aus dem Nachlass der ostfriesischen Gräfin Katharina (1539-1610), die mit Graf Edzard II. (1532-1599) verheiratet war. Sie stammt aus dem Jahre 1572, ist illustriert und weist etliche Randnotizen auf, die Einblicke in die Gedankenwelt der Tochter des schwedischen Königs Gustav Wasa I. (1496-1560) geben. Der Text geht auf Luthers Übersetzung von 1534 zurück und ist in der sogenannten sächsischen Kanzleisprache verfasst, die seinerzeit einer breiten Bevölkerung verständlich war. Beide Bibeln werden während der „Menso Alting“-Ausstellung in der Johannes a Lasco Bibliothek zu sehen sein.

„In den nun letzten zwei Wochen vor Ausstellungseröffnung treffen täglich Objekte unserer Leihgeber ein“, so Dr. Wolfgang Jahn, der auch Luthers „Bilder wider das Papsttum“ als Leihgabe aus der Marienbibliothek Halle in Emden auspacken konnte. Nach und nach gehen ebenso Gemälde und Graphiken ein und jene Exponate, welche aus den Niederlanden avisiert worden sind und jene, die von den ostfriesischen Kirchengemeinden zur Verfügung gestellt werden. „Wir sind in beiden Häusern mitten in der intensiven Phase des Sichtens und des Aufbauens“.

Gemeinschaftssausstellung wird am 400. Todestag Menso Altings eröffnet

Am 7. Oktober jährt sich der 400. Todestag des Predigers und Theologen Menso Alting – ein streitbarer Calvinist, der weit über Emden und Groningen hinaus wirkte. Das Ostfriesische Landesmuseum Emden und die Johannes a Lasco Bibliothek erinnern gemeinsam an den bedeutenden Kirchenmann der Reformationszeit und der folgenden Zeit der Konfessionalisierung. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der Mensch Alting und dessen Einfluss auf die Zeitläufe. Von ihm heißt es, dass er den Calvinismus in Emden manifestierte und die Stadt, in der ein religiöser Pluralismus gelebt wurde, so zum Brennpunkt konfessioneller Auseinandersetzungen in Europa machte. Mit ihm gedieh die Emder Revolution von 1595 – ein schillerndes Kapitel Geschichte, dass die Stadt bis in die heutige Zeit prägt.

Die kulturhistorische Präsentation „Menso Alting und seine Zeit. Glaubensstreit – Freiheit – Bürgerstolz“ versteht sich als erster Beitrag und prägnanter Auftakt zum Reformationsjubiläum 2017, da Emden eine Auszeichnung zur Reformationsstadt anstrebt. Hinzu kommt: Die evangelisch-lutherische Theologin Prof. Dr. Margot Käßmann, die als „Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017“ wirkt, konnte als Schirmherrin für die sechs Monate währende gemeinschaftliche Ausstellung beider Häuser gewonnen werden.

Das Ostfriesische Landesmuseum Emden widmet sich den kulturellen und wirtschaftlichen Aspekten jener Emder Epoche, die von einem starken Bedürfnis nach bürgerlicher Selbstbestimmung geprägt war und späterhin als das „goldene Zeitalter“ der Stadt deklariert wurde. Die Ausstellung wird in der ersten Etage mit der „Vorreformatorischen Zeit“ eröffnet, die Themenschwerpunkte „Konfessionalisierung“ und „Armenwesen“, „Der Weg zur Emder Revolution“ sowie „Bürgerstolz“ und „Neue Bilderwelten“ erwarten den Besucher in der zweiten Etage. Auch die Rüstkammer, in der Waffen aus dem Spanisch-Niederländischen Krieg (1568-1648) gezeigt werden, wird zum Schauplatz. Dass die Ausstellung im Rathaus an jener Stätte zu sehen ist, in der dereinst die Bürgergemeinde tagte und in der bis heute so manches Kleinod aus jener „bürgerstolzen“ Zeit präsentiert wird, gibt der inhaltlichen Ausrichtung eine besondere Gewichtung. So wie das vor 50 Jahren an selber Stelle neu errichtete Emder Rathaus als Sinnbild einer selbstbewussten Stadt fungiert.

Die Johannes a Lasco Bibliothek wiederum nimmt Menso Alting als politischen Theologen in den Fokus. In der einstigen Großen Kirche verkündigte Menso Alting seine reformierte Glaubensauffassung mit einer Vehemenz, die letztendlich in die Aufkündigung der Gefolgschaft zu seinem lutherischen Landesherrn Edzard II. mündete. Die „Moder Kerk“ wurde so zum geistigen Zentrum der Emder Revolution; ein Umbruch, der die Stadt schließlich in die politische Unabhängigkeit führte. So wird dem Ausstellungsbesucher auch in der Johannes a Lasco Bibliothek jene Aura gegenwärtig, die ihr als einstiger Wirkungsstätte Menso Altings innewohnt. Er stritt dort bis zu seinem Tod für den Calvinismus und fand ebenda vor 400 Jahren seine letzte Ruhestätte – beigesetzt wurde er an jenem Platz, an dem er während des Abendmahles zu sitzen pflegte. Der Besucher der Johannes a Lasco Bibliothek wird an historischer

Stelle erfahren, wie sich das Täufertum in Emden konstituierte, wie sich die Diakonie entwickelte, welche kirchlichen Dispute in der Konsistorienkammer ausgetragen wurden und wie es seinerzeit um Emden als Zentrum des reformatorischen Buchdrucks bestellt war.

Leihgaben und Förderer

Die Ausstellung aus dem Fundus beider Emder Kultureinrichtungen wird unterstützt mit Leihgaben aus dem Groninger Museum, dem Diözesanmuseum Osnabrück, dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, den Kunstsammlungen der Universität Göttingen, dem Stadsarchief Amsterdam, der Stiftung Luthergedenkstätten Wittenberg, der Landesbibliothek Stuttgart, der Sammlung SØR Rusche Berlin-Oelde, der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, der Marienbibliothek Halle (Saale), dem Landesarchiv Detmold, dem Staatsarchiv Aurich, dem Stadtarchiv Emden, der Ostfriesischen Landschaft sowie aus Gemeinden Ostfrieslands. Zu den besonderen Leihgaben zählt ein Brief Calvins an die Emder Gemeinde von Mai 1557, der vom Stadsarchief Amsterdam zur Verfügung gestellt wird. Auch Original-Korrespondenz Menso Altings wird zu sehen sein – so beispielsweise Briefe, die der Prediger an den reformierten Theologen und Begründer der Groninger Universität, Ubbo Emmius, schrieb. Den Besucher erwarten überdies theologische Streitschriften zum Emder Katechismus, seltene Buchdrucke aus jener Zeit, Grafiken aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und den Luthergedenkstätten, Werke aus den Kunstsammlungen der Universität Göttingen sowie liturgische Gegenstände, die den konfessionellen Pluralismus Ostfrieslands in jener Epoche anschaulich machen – unter anderem eine silbervergoldete Monstranz aus der Kirche von Campen, die anno 1523 als katholisches Zeigegerät gefertigt wurde und zum Fundus des Groninger Museums gehört, sowie ein lutherischer Abendmahlskelch (1559-1599) aus der Kirchengemeinde Baltrum.
Gefördert wird die Ausstellung durch das Staatsministerium für Kultur und Medien, das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, von der Stadt Emden, der Ostfriesischen Landschaft sowie von der reformierten Kirchengemeinde Emden. 

Inhaltliche Ausrichtung auch im Rahmenprogramm

Vor dem Hintergrund des Reformationsjubiläums 2017 und der Ausrichtung Emdens als Reformationsstadt richten die beiden Emder musealen Institutionen ihr Augenmerk nicht allein in die Vergangenheit. So wird der Besucher mit Begriffen wie Freiheit, Selbstbestimmung und Toleranz konfrontiert – Wertvorstellungen, die damals wie heute auf das bürgerliche Leben Einfluss nehmen und aktuell reichlich Diskussionsstoff bieten. In Zusammenarbeit mit der reformierten Kirchengemeinde Emden und anderen Kooperationspartnern – auch von niederländischer Seite – werden sich diese Themenansätze auch im Rahmenprogramm der Ausstellung, die Ende März 2013 endet, wiederfinden. Das Programm setzt sich aus wissenschaftlichen Vorträgen, musikalischen Veranstaltungen und einem museumspädagogischen

Programm des Ostfriesischen Landesmuseums zusammen, an dem sich auch niederländische Schulen beteiligen. Auch erscheint zur Ausstellung ein 250 Seiten starker Katalog.

Die Ausstellung „Menso Alting und seine Zeit. Glaubensstreit – Freiheit – Bürgerstolz“ wird am 7. Oktober um 17 Uhr im Rahmen eines Gottesdienstes in der Johannes a Lasco Bibliothek eröffnet. Die beiden evangelisch-reformierten Emder Pastoren Bert Gedenk und Manfred Meyer werden die Andacht gestalten; der Oberbürgermeister der Stadt, Bernd Bornemann, wird Grußworte sprechen.

 

„Dem besten, frömmsten und berühmtesten Mann, Menso Alting, dem wirklich hervorragenden Theologen, der Christus beim Weiden der Kirche 45 Jahre hindurch treu gedient hat … Er kam in den Himmel im Jahre der christlichen Zeitrechnung 1612 am 7 Oktober. Diese Inschrift verfasste für den ihm eng verbundenen Freund sein Freund Ubbo Emmius.“ 

(Auszug aus Menso Altings Grabsteininschrift, die Ubbo Emmius (1547-1625) verfasste; der Grabstein befindet sich in der Schweizer Kirche)

 

 


Presseinformation des Ostfriesischen Landesmuseums Emden, 27. September 2012