Zwischen dem Stadtkanal und der Bundesstraße zwei in Potsdam röhren Bagger. Der Platz ist umzäunt. Ein Container mit Fenster gewährt Einblick hinter die Fassaden: Drinnen, zwischen Betonrohren und Wellblechhütten, entstehen in diesen Monaten die Mauern eines der wohl umstrittensten Bauprojekte Potsdams: der Garnisonkirche. Geplant ist der Wiederaufbau des historischen Gebäudes, die Fassaden sollen nach Fertigstellung nahezu identisch aussehen. Eine Baugenehmigung liegt der Stiftung Garnisonkirche seit 2013 vor. Die Predigt zum Baustart im Oktober 2017 hielt der Kuratoriumsvorsitzende Wolfgang Huber. Schirmherr ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Doch
Die evangelische Martin-Niemöller-Stiftung kritisierte in einem Gutachten das Nutzungskonzept als ungeeignet. Die Links-Partei suchte die Ko-Finanzierung durch Bundesmittel per Antrag zu verhindern. Die Martin-Niemöller-Stiftung protestierte noch im Februar 2018 gegen einen einminütigen Spot für die Garnisonkirche, den das ZDF an einem Sonntag direkt vor den „heute“-Nachrichten gezeigt hatte. „Christen brauchen keine Garnisonkirche“, erklärt eine Initiative aus Bürgern und Gemeindemitgliedern. Die Initiative drängt zu wissenschaftlicher Aufarbeitung und Vorlage eines konkreten Nutzungskonzepts.
Eine nicht unkomplizierte Aufgabe - die Garnisonkirche durchlebte eine wechselhafte Geschichte, die dem Gebäude eine extrem mehrdeutige Symbolik verlieh:
Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte sich die Frage nach dem weiteren Umgang mit dem Gebäude. Während eines Luftangriffs auf Potsdam im Jahr 1945 war die Kirche von innen ausgebrannt. Die Mauern aber blieben erhalten. Mitglieder der Zivilgemeinde nutzten die Ruinen im Turmbereich für Gottesdienste. 1949 erfolgte eine Umbenennung in Heilig-Kreuz-Kirche. 1968 ließ die SED-Regierung die Mauern allerdings komplett sprengen. Erst 2011 entstand im hinteren Bereich des Geländes eine provisorische Kapelle, die sogenannte Nagel-Kreuz-Kapelle. Die Räumlichkeiten werden seitdem für Gottesdienste und Workshops genutzt. Die 2008 gegründete Stiftung Garnisonkirche will das historische Kirchengebäude nun komplett wieder aufbauen. Es gehe um die „Heilung einer offenen Wunde im Stadtbild Potsdams“, außerdem den „christlichen Auftrag, Botschafter der Versöhnung an Christi statt“, so heißt es in der Begründung.
Die Stiftung Garnisonkirche plant laut Satzung einen „Denkmal- und Erinnerungsort“ der „Versöhnung“ zu schaffen. „Weil die Kirche diese Geschichte hat wollen wir sie wieder aufbauen“, sagt Cornelia Radeke-Engst, Pfarrerin der Nagelkreuzkapelle. Sie verweist auf das die enge Bindung an das Nagelkreuz-Projekt von Coventry: Nach Zerstörung der Kathedrale im Zweiten Weltkrieg vergibt die Gemeinde symbolisch ein Kreuz an befreundete Nagelkreuzzentren. So auch an die Nagelkreuz-Kapelle in Potsdam. Kritiker zweifeln an Umsetzung. „Man kann nicht einen Panzer bauen und Friedensarbeit drin machen“, sagt Hildegard Rugenstein, reformierte Theologin der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).
Doku-Tipp: "Der Turmbau zu Potsdam" (3Sat / 30. September 2017)
Bis 2020 soll der Rohbau des Turmes stehen. 88 Meter und 365 Stufen hoch. Und damit höher als beinahe sämtliche Häuser Potsdams. Nicht nur die Prominenz des Gebäudes im Potsdamer Stadtbild stößt auf Kritik. Strittig ist außerdem die Form des Wiederaufbaus. Geplant ist eine originalgetreue Nachbildung der barocken Turmfassade. Dazu gehören auch Reliefs und Skulpturen in Form von Trophäen. Die Stiftung plant allerdings die Jahreszahl an der Fassade auszutauschen: Die Zahl 2020, geplantes Jahr der Wiedereröffnung, soll an den zeitlichen Wandel und die heutige Funktion der Garnisonkirche als Ort der Versöhnung erinnern.
Gegner des Wiederaufbaus kritisieren, dass die neue Nutzung des Gebäudes damit trotzdem für Passanten von außen kaum sichtbar ist. Die Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ forderte deshalb eine „architektonische Auseinandersetzung“ mit den „geschichtlichen Brüchen“ der Garnisonkirche. Mitglieder der Stiftung dagegen verteidigen den Wiederaufbau als notwendig, um der historischen Bedeutung des Geländes gerecht zu werden. „Gerade weil wir das Gebäude wieder aufbauen und nicht irgendeinen fremden Betonklotz dort hinstellen, ist die Kirche in der Diskussion“, sagt Wieland Eschenburg, Sprecher der Stiftung Garnisonkirche. „Wenn die Besucher das Gebäude betreten, erleben sie hinter der Fassade eine völlig andere Welt.“
Im Turm soll eine Ausstellung auf 300 Quadratmeter Fläche über die Geschichte der Garnisonkirche informieren. Geplant sind außerdem eine Seminaretage für Gruppenbesucher wie Schulklassen, eine eigene Bibliothek und eine Aussichtsplattform. Schon jetzt finden Veranstaltungen und Workshops in der provisorischen Kapelle statt. Ein genaues Programm steht bislang allerdings noch nicht. Vertreter der Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ bemängeln deshalb Rückstände in der konzeptionellen Arbeit: „Erst jetzt kommt die Frage auf: Was könnten wir mit dieser Kirche machen?“ so Uta Brux, Sprecherin der Initiative. „Dabei müsste man doch umgekehrt vorgehen: Was wollen wir inhaltlich und konzeptionell erreichen? Erst dann kann man sich auch Gedanken darüber machen, wie sich das architektonisch umsetzen lässt.“ Radeke-Engst betonte, dass bereits jetzt im provisorischen Kirchengebäude interreligiöse Workshops in Zusammenarbeit mit jüdischer und muslimischer Gemeinde stattfinden: „Der Ort bietet die Möglichkeit zur Friedensarbeit.“
Die Kosten für den ersten Bauabschnitt belaufen sich auf 26,1 Millionen Euro. Davon kommen zwölf Millionen Euro aus Fördermitteln des Bundes. Die Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz bewilligte ein zinsloses Darlehen in Höhe von 3,2 Millionen Euro. Bis 2020 muss der Rohbau fertiggestellt sein und eine bauordnungsrechtliche Abnahme erfolgen. Laut Eschenburg, Stiftung Garnisonkirche, sei es darum „zwingend“ gewesen noch 2017 mit den Bauarbeiten zu beginnen. Die Finanzierung weiterer Bauabschnitte inklusive Fassadenschmuck ist bislang noch nicht gesichert. Die Stiftung hofft auf Spenden und Eintrittserlöse. Für eine Neuerrichtung des Kirchenschiffs liegen bislang nach Informationen von reformiert-info.de bislang noch keine detaillierten Pläne vor.