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Biografien A bis Z
(1912-2011)
Am 16. Dezember 2011 wurde in Hoerstgen Pfarrer in Ruhe Eduard Hesse beerdigt, an der Seite seiner lieben Frau, die wir knapp ein Jahr vorher hier zu Grabe getragen haben. Der Freund Albert Walter, früher Pfarrer in Lintfort und Meiderich, hat beiden die Grabpredigt gehalten. Viele Hoerstgener, Rheurdter und Sevelener kennen Eduard Hesse noch als Pfarrer unserer Gemeinde in den Jahren 1952 bis 1978.
Außer den Erinnerungen an einen leidenschaftlichen und gründlichen Prediger und Theologen und an das Leben im und um das Pfarrhaus mit Friederike Hesse, sechs Kindern und deren Freunden sind auch viele Geschichten und Aussprüche lebendig geblieben, die ihn als originellen, lebhaften, fröhlich-streitbaren Menschen zeigen, mit dem es immer etwas zu erleben gab. Eduard Hesse war anders als andere Pfarrer, und nach seiner Überzeugung sollte es in Hoerstgen auch anders zugehen als in anderen Gemeinden.
Haft und Kriegsdienst mit „Himmelfahrtskommandos“
Pfarrer Hesse war tief geprägt vom Weg seiner Familie in der Zeit des Nationalsozialismus. Zusammen mit seinem Vater Hermann Albert Hesse, Pfarrer in Wuppertal, und seinen Brüdern gehörte er einem radikalen, entschiedeneren Flügel der sogenannten „Bekennenden Kirche“ an, der auch das Eintreten für die verfolgten Juden direkt zum christlichen Bekenntnis zählte. Diese konsequente Haltung brachte Eduard Hesse Haft und staatspolizeilich angeordnete „Himmelfahrtskommandos“ während seines Kriegsdienstes ein. Seinen Vater und seinen jüngsten Bruder Helmut schützte weder die offizielle Kirche noch die Bekennende Kirche. Sie kamen ins Konzentrationslager Dachau, wo Helmut Hesse 1943 durch Entzug dringend benötigter Medikamente oder sogar durch eine zusätzliche Giftspritze ermordet wurde.
Diese Erfahrungen ließen Eduard Hesse nach dem Krieg kritischen Abstand zur Kirchenleitung halten, auch wenn sie vom Mehrheitsflügel der „Bekennenden Kirche“ mitbestimmt war - und genauso zu vielen Tendenzen in der Bundesrepublik Deutschland. Alles, was die Kirche angeht, sollte am Ort mit dem Presbyterium aus der Bibel entschieden worden. „Irgendwo muss es doch stehen“, pflegte er zu sagen, um bald darauf seine Ergebnisse aus dem Zusammenhang von zwei oder drei Bibelstellen zu präsentieren. Sein Einsatz für die Betreuung und Begleitung von Kriegsdienstverweigerern verstand sich dann fast von selbst.
Das Abendgebet von Bruder und Vater im Konzentrationslager
In unserer Gemeinde begegnen wir der theologischen Arbeit von Eduard Hesse gleich im Eingang der Hoerstgener Kirche. Dort sind mit den Toten des Zweiten Weltkriegs auch die ermordeten jüdischen Nachbarn genannt. „Sie sind das Fundament, warum die Anderen überhaupt dastehen dürfen. Denn sie waren nur Opfer, die Anderen sind Täter und Opfer gewesen.“ Originalton Eduard Hesse.
Bei Taufe und Abendmahl sind in Hoerstgen von Pfarrer Hesse mit seinem Presbyterium aus der Bibel erarbeitete Formulare in Gebrauch, die noch immer aufhorchen und nachfragen lassen: „Das klingt ja, als ob wir Eltern und Paten auch getauft werden.“ – „Genau!“ müsste man dann im Sinne Eduard Hesses sagen, „denn die Taufe ist keine magische Handlung am Kind, sondern eine gehorsame Antwort der dankbaren Gemeinde!“
Der Kontakt des Ehepaars Hesse zu unserer Gemeinde ist auch nach der Pensionierung nie abgerissen. Viele Male sind sie gekommen, um Gemeinde und Freunde zu besuchen. Und vor allem der Hoerstgener Posaunenchor und der vor etwa 40 Jahren von Friederike Hesse gegründete Mütterkreis haben sich aufgemacht in den Westerwald, wo das Pfarrehepaar in einem kleinen Haus mit wunderbarem, großem Garten den Ruhestand verbrachte. Wir haben immer wieder gemerkt, wie fröhlich und weitherzig diese Beiden trotz der schweren Erfahrungen in ihrer Lebensgeschichte und trotz des Ernstes ihrer Anliegen waren.
„Ich liege und schlafe ganz mit Frieden, denn allein du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“ Über dieses Wort aus Psalm 4 hat Pfarrer Eduard Hesse vor einigen Jahren seine letzte Hoerstgener Gastpredigt gehalten. Er hat der Gemeinde die Erinnerung nicht erspart, dass dies das Abendgebet seines Vaters und seines todgeweihten Bruders im Konzentrationslager gewesen sei. Aber es sei die Wahrheit, gegen allen Anschein und alle schlimmen Erfahrungen, weil Gott aus freier Gnade sein Wort und seine Treue hält.
Marga Bührig
(1915-2002)
Marga Bührig wurde am 17. Oktober 1915 in Berlin geboren. 1925 zog sie mit ihren Eltern nach Chur. Nach der Matura 1934 studierte sie Germanistik und Neuere Geschichte in Zürich, Bern und Berlin. Abschluss 1939 an der Universität Zürich mit dem Mittelschullehrerdiplom und dem Dr. phil.
Während des Krieges Vertretungen als Deutschlehrerin an verschiedenen Schulen, journalistische Tätigkeit, berufsbegleitendes Studium der evangelischen Theologie in Zürich.
1945 Gründung des Reformierten Studentinnenhauses in Zürich, einer Wohngemeinschaft von Studentinnen "im Zeichen des Evangeliums. Heute Boldernhaus Zürich. 1948 Mitgründerin des Evangelischen Frauenbundes der Schweiz, eines Dachverbands von evangelischen Frauengruppierungen verschiedenster Art in der deutschen und der französischen Schweiz. Redaktorin seiner Zeitschrift (heute "Schritte ins Offene").
1954 Delegierte an die Vollsammlung des Reformierten Weltbunds in Princeton/USA. Ernannt zu dessen Mitarbeiterin für Frauenfragen. Anschliessend als Gast an der 2. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Evanston/USA.
1958 aktive Mitarbeit an der SAFFA, der Ausstellung "Die Schweizer Frau, ihr Leben, ihre Arbeit". 1959 Berufung ans Evangelische Tagungs- und Studienzentrum Boldern, Männedorf und Zürich (zusammen mit Dr. Else Kähler). 1959-71 Studienleiterin, 1971-81 Leiterin des Gesamtwerkes. 1976-82 Präsidentin der Ökumenischen Vereinigung der Akademien und Tagungszentren in Europa. Ende der 70er-Jahre. Mitbegründerin der Frauen für den Frieden Zürich und Schweiz. 1975-93 regelmässige Sprecherin der Worte "Zum neuen Tag" bei Radio DRS.
1983-91 eine der sieben Präsidentinnen und Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen. 1988-90 Moderatorin der Vorbereitungsgruppe für die Weltkonferenz des Ökumenischen Rates "Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung", Februar 1990 in Seoul. Co-Leiterin der Konferenz.
1983 Umzug nach Binningen/BL zusammen mit Else Kähler und Elsi Arnold.1998 Dr. h.c. der Theologischen Fakultät der Universität Basel.1994 Kulturpreis Baselland. Am 13. Februar 2002 ist Marga Bührig gestorben. Sie ist auf dem Friedhof Binningen bestattet.
Veröffentlichungen:
- Die unsichtbare Frau und der Gott der Väter, Stuttgart 1987
- Spät habe ich gelernt, gerne Frau zu sein, Stuttgart 1987
- Wir Frauen sind keine Randgruppe! - In: Nennt uns nicht Brüder. Frauen in der Kirche durchbrechen das Schweigen, hg. von Norbert Sommer. Stuttgart 1985
- Film: Sottosopra Originaltitel: Sottosopra; Genre: Dokumentarfilm, Land: Schweiz 2002; Kinostart: 18. März 2004 (Freunde der Deutschen Kinemathek), Länge: 92 min., Regie: Gabriele Schärer, Darstellerinnen: Marga Bührig, Christiane Brunner, Heidi Ensner, Luisa Muraro.
Barbara Schenck