Jung und Alt mit Zukunft – gemeinsame Lebens(t)räume

Dr. Henning Scherf beim ''Neu''-Jahresempfang des Evangelischen Kirchenkreises Siegen

Siegen. „Nicht jeder ist seines Glückes Schmied, sondern es ist eine große Hilfe, wenn wir, Alt und Jung, zusammen leben, aufeinander achten und zusammenrücken.“ Das war einer der Kerngedanken, die Dr. Hennig Scherf am vergangenen Montag (5.12.2011) in der Siegener Nikolaikirche als eigene Lebenserfahrung weitergab.

Das Miteinander von Jung und Alt, das Gestalten von gemeinsamen Lebensträumen und Lebensräumen war Thema des diesjährigen „Neu“-Jahresempfanges des Kirchenkreises Siegen, der zu Beginn des neuen Kirchenjahres wieder in die Nikolaikirche und anschließend in die Martinikirche geladen hatte.

Superintendentin Annette Kurschus begrüßte die Menschen, die in der Region Verantwortung tragen und sich ihr stellen. „Unsere Gesellschaft verändert sich, und Veränderung ist ein Zeichen von Leben“, so die leitende Theologin des Kirchenkreises zum demographischen Wandel, der auch den Evangelischen Kirchenkreis Siegen verändert. Die Gruppe der jungen Alten wächst und mit ihr ein neuer Typus von Ruheständlern, die sich sinnvoll engagieren wollen.

Auf die kürzlich erfolgte Wahl von Superintendentin Kurschus zur ersten Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ging Siegens Bürgermeister Steffen Mues in seinem Grußwort ein. Mues: „Glaube und Kirche sind eng mit den Gesichtern verbunden, die sie repräsentieren.“ Weitsichtigkeit und theologische Tiefe, Wissen und Sachverstand und nicht zuletzt ein authentischens Auftreten bescheinigte er der gerne in den Kirchengemeinden gehörten Rednerin. Er wünschte ihr für ihr neues Amt Kraft, Mut und vor allem Gottes Segen.

Scherf erzählt vom Alltag einer Wohngemeinschaft

 Dr. Henning Scherf weiß es aus Erfahrung: 100-jährige sind nicht zu alt für eine Wohngemeinschaft. Und: Viele Alltagsbegegnungen zu schaffen und tragende Beziehungen zu entwickeln steigert die Lebensqualität. Das gemeinsame Singen in Chören ist bis ins hohe Alter eine gute Erfahrung. Das Paul-Gerhardt-Lied „Geh aus mein Herz und suche Freud“ ist sein Lieblingslied. Viele alte Menschen haben in ihrer Jugend gelernte Liedverse im Kopf und singen mit, auch wenn sie nicht mehr sprechen können. „Gemeinsam zu singen ist eine wunderbare Erfahrung. Singen erreicht auch die Seele.“

Scherf erzählt aus seinem Alltag in einer Wohngemeinschaft in Bremen. Der ehemalige Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen ist ein kommunikativer Mensch. Er geht auf die Menschen zu, begrüßt sie und berührt sie. Jede Woche geht er in eine Grundschule und kommt mit Kindern ins Gespräch. Erstaunliche Erfahrungen machte er in Pflegewohngemeinschaften, wo Menschen bis zu ihrem Tod gepflegt werden. „Was machen wir mit älter werdenden Gemeindegliedern? Wie können wir sie in den Gemeinden halten?“ fragt er in den Kirchenraum. Wo haben wir Räumlichkeiten, die dafür geeignet sind? Er berichtet von Finanzierungsmodellen, die ein solches Zusammenleben ermöglichen.

Selbst eine Sterbebegleitung in einer vertrauten Umgebung durch Menschen, die dem Sterbenden nahe sind, ist in Wohngemeinschaften möglich, weiß Scherf aus Erfahrung. Er zeigte in der Nikolaikirche eindrucksvoll auf, dass Jung und Alt gemeinsame Lebensräume und Lebensträume verwirklichen können.

SeniorenTheater

Auf humorvolle Weise griff das Siegener SeniorenTheater die Thematik auf, und spielte einen Ausschnitt aus ihrem Stück „Die Siegener Stadtmusikanten“. Die Damen im etwas vorgerückten Alter und der flotte Herr zogen als Esel, Katze und Hahn auf einem alten Bauernhof gegen die Banken, Ärzte und Wohnungsbesitzer zu Felde, die nur ihren eigenen Profit und nicht das Wohlergehen angeblich unnützer Kreaturen im Sinn haben. Doch mit ihrem Gemeinschaftssinn schlagen die Siegner Stadtmusikanten der Profitgier ein Schnippchen.
Das Streicher-Ensemble „Cypressen-Quartett“ bettete das herausfordernde  Thema in heitere Klänge.

Ein Gast aus längst vergangenen Tagen kündigte sich geräuschvoll an und betrat mit Laterne und Hellebarde in den Händen das Gotteshaus. Nachtwächter Balthasar holte die Gäste des Kirchenkreises in der Nikolaikirche ab und geleitete sie durch Siegens Altstadt zur ältesten Kirche der Krönchenstadt, der Martinikirche. Sie feierte dieses Jahr einen hohen runden Geburtstag, wurde sie doch vor 700 Jahren erstmals urkundlich erwähnt.

Im festlich geschmückten Kirchenschiff angekommen, bestand Gelegenheit zu Gesprächen und Kontakten zwischen all denen, die in Politik, Wirtschaft,  Kultur, Sport oder Kirche Verantwortung tragen für das Leben der Menschen in der Region. Pfarrerin Ute Waffenschmidt-Leng hieß als Hausherrin die Gäste herzlich willkommen. Die Theologin ist davon überzeugt, dass „unsere Gesellschaft die sakralen Räume braucht, aus denen Menschen hinausgehen, gestärkt und ermutigt und frei, sich in unserer Gesellschaft zu engagieren, mit Leidenschaft die Menschenfreundlichkeit Gottes zu leben, Barmherzigkeit zu leben in unbarmherzigen Strukturen, Gerechtigkeit anzumahnen und einzufordern, Stimme zu sein, für die, die keine Stimme haben in unserer Gesellschaft oder deren Stimmen bewusst überhört werden.“

Gerhard Schmidt (Klavier) und Klaus Zarmutek (Saxophon) wurden gerne gehört und bereicherten die kulinarischen Genüsse, die das Martini-Büfett bot, mit einer gehörigen Portion Jazz.


Pressemeldung aus dem Kirchenkreis Siegen, Karlfried Petri, Haus der Kirche Öffentlichkeitsreferat, 7. Dezember 2011