'Atomwaffenverbot erfordert Nein zur atomaren Abschreckung'

60 Christinnen und Christen kritisieren Zurückhaltung der Kirchen


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Anlässlich des Inkrafttretens des Atomwaffenverbotsvertrages am 22. Januar 2021 haben sie an die Kirchen in appelliert, die andauernde Legitimation der Atombewaffnung als Instrument der Abschreckung und Kriegsverhütung in Frage zu stellen. Die Unterzeichner sind keine Unbekannten.

Unter den Unterstützern des Aufrufes sind die früheren Bischöfe Christoph Demke und Axel Noack, der Erfurter Propst Heino Falcke, die Theologen Ulrich Duchrow, Jürgen Moltmann, Konrad Raiser, Friedrich Schorlemmer und Christof Ziemer, der Friedensforscher Dieter Senghaas, die frühere SPD-Bundetagsabgeornete Ute Finckh-Krämer und die Grünen-Politikerin Antje Vollmer.

In der Stellungnahme „Ein Nein ohne jedes Ja zu Geist, Logik und Praxis der Abschreckung“ erklären sie, es reiche nicht, dass die Kirchen den Atomwaffenverbotsvertrag lediglich begrüßen und die Bundesregierung auffordern, ihm ebenfalls beizutreten. Was fehle, sei die Forderung nach Abkehr von der Doktrin der atomaren Abschreckung, die bis heute die Begründung für die atomare Aufrüstung und Drohung liefere. „Ohne eine Abkehr von diesem Prinzip werden wir keine wahren Fortschritte bei der atomaren Abrüstung erwarten können“.

Die Unterzeichner der Stellungnahme weisen darauf hin, dass die Kirchen in Deutschland in der Beurteilung der atomaren Abschreckung schon mal weiter waren. Bereits 1982, unter dem Eindruck der Bedrohung  durch Vor- und Nachrüstung  mit atomaren Mittelstreckenwaffen in Europa, hatten die  Mitgliedskirchen des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR einen intensiven Dialog zur Doktrin der atomaren Abschreckung mit Massenvernichtungswaffen begonnen. Er führte 1987  auf der Bundessynode in Görlitz zur „Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung“. Als verbindliches Bekenntnis ihrer Kirchen war diese Absage theologisch und friedensethisch begründet. Die Ökumenische Versammlung in der DDR hatte sich 1988/89 in ihrem Schlussdokument dieser Absage angeschlossen und konkrete Schritte zur Überwindung des Abschreckungssystems durch ein System Gemeinsamer Sicherheit vorgeschlagen.

Die Stellungnahme knüpft an diese im Westen nahezu „vergessene“ kirchliche Urteilsbildung unmittelbar an: „Wir fordern die  EKD auf, nicht länger zu ignorieren, dass sich in den 80erJahren die Kirchen in der DDR angesichts einer vergleichbaren Bedrohung zu einem Nein ohne jedes Ja gegenüber Politik und Praxis der Abschreckung bekannt haben und gegen jede Androhung von Völkermord  durch Kernwaffen aussprachen.“

Betont wird die spezifische Friedensverantwortung von Christinnen und Christen: „Wir wollen in unseren Kirchen und Gemeinden und auch in der Öffentlichkeit erneut zur Sprache bringen, was diese Abschreckungsdoktrin beinhaltet und bewirkt, inwiefern sie nicht halten kann, was sie verspricht – und  dass es Alternativen dazu gibt“. Dem Ruf nach massiver militärischer Aufrüstung müsse durch eine intelligente Politik Gemeinsamer Sicherheit begegnet werden: „Wie lange wollen wir noch darauf  bestehen, im Interesse unserer eigenen Sicherheit das Leben von Menschen in anderen Völkern und Staaten durch Atomwaffen zu bedrohen?“