Auch Kirchen sind nicht frei von Rassismus

Hessen-Nassau: Bundesweite Gebetswoche eröffnet


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Bei der bundesweiten Eröffnung der traditionellen Gebetswoche für die Einheit der Christ:innen wird klar: Auch die Kirchen sind ganz und gar nicht vor Rassimus im Alltag gefeit.

„Tut Gutes! Sucht das Recht!“, mit diesem Appell aus der Bibel beten Christ:innen in diesen Tagen weltweit um die Einheit des Christentums und für ein rassismussensibles Miteinander in Kirchen und Gesellschaft. Der zentrale Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit fand jetzt unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschkand (ACK) in Frankfurt statt.

Der Umgang mit der eigenen Geschichte und Tradition sei „konfessionsunabhängig ein wichtiges Thema für die Kirchen“, sensibilisierte der Vorsitzende der ACK in Deutschland, der griechisch-orthodoxe Erzpriester Radu Constantin Miron, beid er Eröffnungsg der budnesweiten Gebetswoche in Frankurt.  „Das Hinterfragen der eigenen Geschichte geht auch an den Kirchen nicht spurlos vorbei“ beobachtete Miron und fügte hinzu, es seien „nicht immer Ruhmesblätter, die sich bei der historischen Rückschau auftun“. Bezugnehmend auf das afroamerikanische Wort „woke“ das zuletzt in der Black-Lives-Matter-Bewegung weite Verbreitung gefunden hatte, ermahnte Miron, endlich „als ‚tote Christenheit‘ aufzuwachen ‚aus dem Schlaf der Sicherheit‘ und Selbstgerechtigkeit“.

Nach Worten von Hessen-Nassaus Stellvertretender Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf, die an dem Eröffnungsgottesdienst mitwirkte, ist auch die evangelische Kirche beim Thema Rassismus in eine lange Geschichte der Schuld verstrickt. Wie die gesamte Gesellschaft sei sie bis heute keineswegs vor Alltagsrassismus und Stereotypen gegenüber Menschen gefeit. Es sei höchste Zeit, sich dem offen zu stellen. Dazu sei der Gottesdienst unter anderem mit dem Bekenntnis dazu und der Bitte um Vergebung ein wichtiger Schritt gewesen. 

Das sieht auch Stefanie Bohn, Pfarrerin in Frankfurt-Sachsenhausen in ihrer Reflexion so. „Es ist unsere Verantwortung als Christ:innen, unsere Machtpositionen zu hinterfragen und zu reflektieren.“ „Auch Kirche ist kein rassismus- und diskriminierungsfreier Raum,“ wies die Theologin auf latente Alltagsrassismen hin, die sie selbst erlebt hatte. „Die Kirche muss ihre Denkmuster, Strukturen und ihre Organisationsweise verändern“, forderte Bohn. „Für einen Heilungs- und Verarbeitungsprozess braucht es einen sogenannten ‚safe space‘, einen geschützten Rahmen mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen oder gemacht haben.“

Brigitte Görgen-Grether, Vorsitzende der ACK Hessen-Rheinhessen sagte: „Den Erfahrungen von Hass und Diskriminierungen in den Kirchen muss mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.“ Es sei eine „schmerzliche Geschichte von Schuld, der wir uns als weiße Menschen stellen müssen“. Die Aufforderung des alttestamentarischen Propheten Jesaja 'das Recht zu suchen', „ist eine gemeinsame ökumenische Aufgabe und Richtschnur!", schloss die Ökumenereferentin des Bistums Limburg.

„Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe, religiösen Zugehörigkeit, Sprache oder Kultur diskriminiert und ausgegrenzt, auch in unseren Kirchen, Gemeinden, staatlichen Institutionen und in unserer Gesellschaft“, führte Pfarrerin Annegreth Schilling im Gottesdienst aus und fügte hinzu: „Oft ist es Rassismus im Alltag, der in allen Teilen der Gesellschaft verbreitet ist. Die Handlungen und Gedanken sind oft nicht reflektiert“, so die Vorsitzende der ACK Frankfurt weiter „dadurch werden Menschen verletzt und ausgegrenzt.“

Beim anschließenden Empfang begrüßte Stadtrat Bernd Heidenreich die Gäste für den Magistrat der Stadt Frankfurt am Main. „Wir stehen an der Seite der Christen in aller Welt im Eintreten für die unveräußerliche Würde des Menschen, wo immer sie mit Füßen getreten wird“, brachte der vormalige Direktor der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung seinen Dank für den Gottesdienst zum Ausdruck. „Als internationalste Stadt in ganz Deutschland gehören die Einheit aus der Vielfalt und der Kampf gegen den Rassismus zum Lebenselixier Frankfurts.“

Traditionell wird die Gebetswoche für die Einheit der Christen in der nördlichen Hemisphäre vom 18. bis 25. Januar begangen. Dieser Zeitraum wurde 1908 von Paul Wattson, dem Initiator der Gebetswoche, vorgeschlagen, weil er zwischen den Festen von St. Peter und St. Paul liegt und ihm so eine symbolische Bedeutung der Einheit beider Apostel zukommt. In der südlichen Hemisphäre ist im Januar Urlaubszeit, und so wählen die Kirchen des Südens oft andere Tage, um die Gebetswoche zu feiern, zum Beispiel um Pfingsten herum. Dies schlug die Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung (Faith and Order Commission) des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) bereits 1926 vor. Auch dies ist ein symbolisches Datum für die Einheit der Kirche. Im Bewusstsein, dass Flexibilität notwendig ist, lädt der ÖRK dazu ein, „die Materialien das ganze Jahr über zu verwenden, um die bereits erreichte Gemeinschaft zwischen den Kirchen auszudrücken und gemeinsam für jene volle Einheit zu beten, die Christus will.“