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Die Ostseefalle
Mittwochskolumne von Paul Oppenheim

Während Donald Trump mit seinen lautstarken Ankündigungen unsere Blicke nach Kanada, Mexiko, Panama, China und den Gazastreifen lenkt und ansonsten unsere Aufmerksamkeit auf den Ausgang der Bundestagswahl gerichtet ist, könnte sich unsere Zukunft gerade ganz woanders entscheiden.
Rings um die Ostsee sind in wenigen Jahren gewaltige Veränderungen erfolgt. Schritt für Schritt haben die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen nach ihrer Loslösung von der Sowjetunion die Gegnerschaft zum russischen Nachbarn immer stärker vertieft. Nach ihrem Beitritt zur EU haben sie gemeinsam mit Polen die anderen Mitgliedstaaten darin bestärkt, Russland als Feind zu betrachten.
Mit ihrem Beitritt zur NATO wurde ab 2004 deutlich, dass es kein Zurück mehr geben würde. Die Angriffe Russlands auf die Krim und auf die übrige Ukraine haben inzwischen den Krieg ins Herzen Europas zurückgebracht. Der Riss in der Mitte Europas ist vollzogen und die Mauer gen Osten wird jeden Tag höher und undurchlässiger.
Als Schweden und Finnland ihre Neutralität aufgegeben haben, um sich der NATO anzuschließen, schnappte für Russland die Falle zu. Seither steht die Ostsee faktisch unter Kontrolle der NATO. Die wichtigen russischen Häfen Kaliningrad und Sankt Petersburg verlieren ihre militärische Bedeutung und können jederzeit vom Welthandel abgeschnitten werden. Der rege Warenaustausch mit der EU ist zusammengebrochen und auch die beliebten Kreuzfahrten nach Sankt Petersburg gehören der Vergangenheit an.
Letzte Woche haben die baltischen Staaten ihre Verbindung zum russischen Stromnetz gekappt. Aus diesem Anlass wurde im Beisein der EU Kommissionspräsidentin ein medienwirksames „Unabhängigkeitsfest“ inszeniert. Die europäischen Steuerzahler haben mit 1,2 Milliarden Euro aus EU-Mitteln die wesentlichen Kosten dieser technischen Umstellung bezahlt, die den Graben zum östlichen Nachbarn noch tiefer macht.
Man muss kein geostrategisches Genie sein, um zu verstehen, worauf diese Entwicklung hinausläuft. Wer kann schon glauben, Russland sei ahnungslos in diese Ostseefalle gestolpert? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die Atommacht Russland einen Weg finden wird, sich aus der Schlinge zu ziehen? Ein altes Sprichwort mit biblischen Wurzeln besagt: „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“. Wir dürfen also gespannt sein, wie dieser Ostseekrimi ausgehen wird, und darum beten, dass er einigermaßen friedlich endet.
Paul Oppenheim