Jüdisches Leben in Deutschland

Lippe: Vortrag mit Michael Rubinstein


Bettina Hanke-Postma, evangelische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe, dankt Michael Rubinstein für den Vortrag © Lippe

Michael Rubinstein, Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, hat in Haus Münsterberg unter der Überschrift 'Wie und warum jüdisches Leben wieder deutsch sein kann' über das jüdische Gemeindeleben in Deutschland referiert.

Auf Einladung der Lippischen Landeskirche, der Evangelischen Studierendengemeinde Detmold/Lemgo und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe schilderte er Chancen, Schwierigkeiten und Perspektiven.

Jüdisches Leben sei heute in Deutschland wieder vielfältig und vital. Durch Zuwanderung jüdischer Menschen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion habe sich seit Ende der 80er-Jahre ein lebendiges Gemeindeleben entwickelt. Die Zahl jüdischer Gemeindeglieder sei von 30.000 (1990) auf rund 100.000 angewachsen. In Herford stieg die Mitgliederzahl von 23 auf 83, in Bielefeld von 23 auf 303 und in Paderborn von 35 auf 54. Unter dem Zentralrat der Juden versammelten sich bundesweit 105 Gemeinden vom liberalen bis zum orthodoxen Spektrum. In NRW, dem Bundesland mit der größten jüdischen Bevölkerung, gebe es 22 Gemeinden mit 27.000 Mitgliedern.

Viele jüdische Kindertagesstätten und Grundschulen hätten ihren Betrieb aufgenommen und das Albert-Einstein-Gymnasium in Düsseldorf sei die erste weiterführende jüdische Schule in NRW. Eine aktive Jugendarbeit sichere die Zukunft der Gemeinden. Die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg setze sich wissenschaftlich mit jüdischer Religion, Geschichte und Kultur auseinander. „Dass heute in Deutschland wieder Rabbiner und Kantoren ausgebildet werden, ist ein großer Fortschritt.“

Rubinstein lehnt die Bezeichnung von Juden als „Mitmenschen“ ab. Diskriminierung fange im Kleinen an. „Juden sind nicht Mitbürger, sondern Vollbürger. Wir sind Menschen und Bürger dieses Landes ohne „mit und aber“ und möchten auf Augenhöhe als integrierter Teil der Gesellschaft wahrgenommen werden.“

Jüdisches Leben in Deutschland sei heute immer noch nicht selbstverständlich. Gemeindezentren müssten immer schärfer bewacht werden. Das Tragen einer Kippa in der Öffentlichkeit sei zur Mutprobe geworden und der Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Populisten verdrehen historische Tatsachen, wenn sie Antisemitismus allein unter Muslimen und Flüchtlingen verorten. Antisemitismus gab es schon immer und zwanzig Prozent der Deutschen – also mehr als alle Muslime und Flüchtlinge zusammen – haben antisemitische Vorurteile. Den Antisemitismus haben nicht Flüchtlinge nach Deutschland gebracht, er ist ein Phänomen der deutschen Mehrheitsgesellschaft.“

Rubinstein rief zum Trialog auf: „Wir benötigen heute einen konstituierten Trialog zwischen Juden, Christen und Muslime. Wir dürfen uns nicht von Populisten zum offenen Hass gegenüber Minderheiten funktionalisieren lassen. Unsere Vergangenheit muss uns Warnung genug sein. Wir brauchen keine Leitkultur, aber Leitlinien für ein friedliches und offenes Miteinander.“


Quelle: Lippische Landeskirche