Kraft schöpfen aus biblischen Quellen für geistliche Leitungsaufgaben

Peter Bukowski sprach beim Reformierten Gemeindeforum Südwestfalen

Für die Schnellleser_innen seien sie vorweg genannt, die drei von Bukowski genannten Kraftquellen: das Sabbatgebot, die Kollegialität und die Achtsamkeit. Und weiter berichtet Karlfried Petri von dem Reformiertentreffen in Siegen:

Das Thema interessierte. Der Referent Pfr. Dr. h.c. Peter Bukowski ebenfalls. Vielen Pfarrerinnen und Pfarrern hat er das Predigtrüstzeug mit auf ihren Berufsweg gegeben und sie auf ihren Pfarrberuf vorbereitet. Etliche Predigliteratur stammt aus seiner Feder. Er ist ein vielgefragter Referent und hat innerhalb der Kirchen mit reformiertem Bekenntnis eine hohe Leitungsverantwortung. „Quellen der Kraft für geistliche Leitungsaufgaben“, lautete das Vortrags- und Diskussionsthema, zu dem am 22. Oktober 2013 das Reformierte Gemeindeforum Südwestfalen in das Ev. Gemeindezentrum Christuskirche in Siegen eingeladen hatte.

Nach solchen Quellen sind viele Haupt- und Ehrenamtliche in kirchlichen Diensten gleichermaßen auf der Suche. Immer ist mehr Arbeit vorhanden, als bewältigt werden kann. Zunehmend sind in Kirchengemeinden Entscheidungen zu treffen, die weh tun, die das Gemeindeleben nachhaltig verändern. Wo sind Kraftquellen für den Dienst in der Gemeindeleitung zu finden?
Der Vorsitzende des Reformierten Gemeindeforums Südwestfalen, Pfarrer Dieter Kuhli, Bad Laasphe, hob bei seiner Begrüßung die Bedeutung des Themas hervor. Von Leitungskrisen auf allen Ebenen lese man in der Fachliteratur. Einfühlsames, partizipatorisches Leiten mit Sachverstand werde gefordert. Und auch Gemeindepfarrer Ralf Prange stimmte in seiner Andacht in das Thema ein. Die Wahrheit, so habe er im Predigerseminar gelernt, sei immer konkret. Auch die Wahrheit, was zu tun sei in der Gemeinde. Er empfahl offen zu sein für die Welt und gleichzeitig Zuhause zu sein in der Heiligen Schrift. Es gelte zu entdecken, wo das Konkrete hinführe und auch zu entdecken, wie Gottes Wort darüber hinausführe.

Theoretisch sei es leicht zu sagen, wie geistliche Leitung aussehe, nahm Peter Bukowski die Zuhörenden ins Thema. Es orientiere sich an Christus, dem Haupt der Kirche. Geistliche Leitung diene zudem dem Auftrag der Kirche, nämlich Gottes Gnade auszurichten an alles Volk. Eine solche Leitung geschehe daher in einem Geist, der durchlässig sei für Gottes Geist. Bukowski: „Nur im Hören auf die Heilige Schrift und ihre Auslegung in den Bekenntnissen unserer Kirche und in stetiger Kontaktnahme mit dem, der die Kirche „sammelt, schützt und erhält“ (Heidelberger Katechismus), sprich: im Gebet wird die Kirche ihres Grundes neu gewiss und erhält Orientierung und Kraft für ihren weiteren Weg.“
Praktisch sehe die Situation allerdings anders aus. Pfarrer und Presbyterien stünden unter einem wachsenden Druck angesichts des Rückgangs von Kirchenmitgliedern, Gottesdienstbesuchern, Kirchensteuern und dem öffentlichen Ansehen der Kirche. Zunehmende Professionalität, Druck, Entgrenzung, Überkomplexität und Beschleunigung kennzeichneten den beruflichen Alltag. Der Theologe: „Wie soll da noch Zeit, Ruhe und Lust bleiben für geistliche Themen, für gemeinsames theologisches Nachdenken?“
Es gebe allenthalben eine Sehnsucht nach geistlicher Kraftzufuhr. Bisweilen verbinde sie sich mit dem Wort Spiritualität. Viele Menschen litten unter der Oberflächlichkeit des alltäglichen Lebens, es befriedige sie nicht, lediglich zu funktionieren. Sie seien es müde, Sinn und Erfüllung ihres Lebens durch Leistung und Funktionieren selbst produzieren zu müssen. Sie suchten nach Ruhe, nach einem unzerstückelten Leben, nach Tiefe und Kontakt mit dem, was Leben trage, nach eigener, authentischer Gotteserfahrung.
Drei biblische Wege zeigte Peter Bukowski auf, die sich in seinem Alltag und im Zusammenleben mit der Gemeinde bewährt haben: das Sabbatgebot, die Kollegialität und die Achtsamkeit.
Bukowski: „Wie heilsam Gottes Gebot ist, sechs Tage zu arbeiten und am siebenten Tag zu ruhen, habe ich in den Jahren meines Dienstes deutlich erfahren.“ Der Schabbat ist für den Menschen da! Seine Ruhe dient zur Freude am Leben und an Gott! Wer das Sabbatgebot achte, wer sich in seiner Alltagsroutine unterbrechen lasse, finde ein menschliches Maß für sein Leben, könne im Rhythmus einer Woche Atem hohlen, Kraft schöpfen, in Kontakt kommen mit Gottes Güte. Nach jüdischem Verständnis sei es ein Gebot, sich am Schabbat zu freuen, das Leben zu genießen mit Menschen, die man liebe, und alle trüben Gedanken zu vertreiben. Der Schabbat lehre aber auch, die Begrenztheit und die Halbheiten des Lebens zu akzeptieren. Er lehre, es genug sein zu lassen, was an sechs Tagen geschafft worden sei und zufrieden zu sein mit dem erreichten. Bukowski: „Besonders wichtig scheint mir aber zu lernen, dass es ein Genug gibt, dass wir nicht immer nur ein schlechtes Gewissen haben müssen, weil noch so viel mehr getan werden könnte und müsste. Es gehört zu Gottes Güte und zu seiner Barmherzigkeit, dass er nicht mehr von uns fordert, als es unserem menschlichen Maß entspricht.“ Bukowski empfahl, dem Leben einen Rhythmus zu geben. Dies bringe Verlässlichkeit und spare Kraft. Eine Hilfe könne sein, die Auszeiten festzulegen und die Arbeit darum herum zu planen. Auch für die „geistliche Nahrungsaufnahme“ lohne es sich, zu planen und einen Rhythmus anzulegen. Bukowski: „Geben wir uns auch im Presbyterium Zeit zu nichtverzweckter Zurüstung im Gebet, im Hören auf die Schrift, in gemeinsamer Fortbildung – oder hoffen wir darauf, dass „es“ „irgendwie“ dazwischen passt?“ Der Referent regt an, nicht nur zu fragen, was zu tun sein, sondern auch zu fragen, was gelassen werden könne oder sogar müsse.
Bukowski nannte einen vertrauensvollen geschwisterlichen Umgang, Kollegialität, als eine wichtige und eine wirklich geistliche Kraftquelle für die Gemeindeleitung. Niemand in der Gemeindearbeit dürfe allein bleiben mit seinen Schwierigkeiten. Bukowski: „Statt uns gegenseitig unter Druck zu setzen mit zu hohen Anforderungen und miteinander zu konkurrieren, müssen wir noch viel mehr lernen, uns zu ergänzen.“ Wenn es gelinge in der Spannung von Achtsamkeit und Wahrhaftigkeit einander zuzuhören und zu beraten, werde das als eine wichtige Quelle von „Nahrungsaufnahme“ und Wachstum erlebt.
Und nicht zuletzt eine Wertschätzung ohne Liebeslügen benannte der Theologe als Kraftquelle für alle, die in Gemeinde Verantwortung übernehmen. In den Gemeinden seien verschiedene Formen entwickelt worden, um Ehrenamtlichen und auch Hauptamtlichen zu danken. Auch in einer Predigt könne die Gemeinde bestätigt und in ihrem Einsatz gewürdigt werden. „Dahinter stehe der theologische Gedanke, dass Gott selbst uns nicht klein hält, dass er nicht der Einpeitscher ist, der nie mit uns zufrieden ist, weil ihm nie genug ist, was wir zu bieten haben. Er ist ein barmherziger Gott, ein Gott des Friedens. Er weiß, was für ein Gebilde wir sind, und trotzdem macht er uns zu seinen Verbündeten, erweist uns das große Zutrauen, als seine Zeugen die Welt heilsam zu verändern.“


Karlfried Petri, Öffentlichkeitsreferent Kirchenkreis Siegen, 23. Oktober 2013