Ökumene als göttliche Daueraufgabe

Westfalen: Präses würdigt 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen


1966 lud der damalige Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) Ernst Wilm Vertreter evangelischer Freikirchen, altkatholischer Gemeinden und der westfälischen Landeskirche ein, um sich über die organisatorische Festigung ihrer Zusammenarbeit auszutauschen. Sechs Jahre später, im September 1972, erwuchs daraus die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Nordrhein-Westfalen (ACK NRW).

„Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.“ Diese Beschreibung aus dem Johannes-Evangelium (Johannes 14, 1-7), verbunden mit Jesu Zusage: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“, standen im Mittelpunkt der Predigt in Münster. Annette Kurschus verwies dabei auf einen Dokumentarfilm über die Grabeskirche in Jerusalem, den der Autor Hajo Schomerus in Anlehnung an Johannes unter den Titel gestellt hatte: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen.“

Der Film zeige die Grabeskirche als „multikonfessionelles ökumenisches Biotop“, so Kurschus. Eine ganz spezielle christliche Wohngemeinschaft, in der „sechs christliche Konfessionen Tür an Tür, Wand an Wand, Decke an Boden, Boden an Decke“ lebten. Das Zusammenleben sei hier penibel geregelt und aufgeteilt. „An hohen Festtagen kommt es manchmal zu robusten Schlachten religiöser Leidenschaft, Prozessionen geraten einander in die Quere, Gläubige aus aller Welt kriegen sich in die Haare und verkeilen sich ineinander“, beschrieb die Präses das Miteinander der unterschiedlichen Glaubensrichtungen auf engem Raum. Erst nachts verwandele sich die Kirche „in einen Ort der Hingabe, in einen Raum der Sehnsucht nach erfülltem Glauben“.

Mit dieser Beschreibung der Grabeskirche vor Augen werde klar, wofür das ‚A‘ in der Abkürzung ACK stehe: „Arbeitsgemeinschaft, weil diese Gemeinschaft zusammenarbeitet, vor allem aber, weil sie unablässig zusammen arbeitet.“ Diese Gemeinschaft sei stetige Arbeit an sich selbst, sagte Annette Kurschus. „Um im Bild der Wohngemeinschaft im Haus des Vaters zu bleiben: Geschwister können einander gehörig auf die Nerven gehen, so unterschiedlich, wie sie sind.“

Das Miteinander aber, die Ökumene, sei eine Daueraufgabe – und zwar keine, die selbst erfunden sei. „Die Ökumene ist eine göttliche Aufgabe, uns vorgegeben von Gott: Als Vorgabe, der wir uns nur gemeinsam nähern können.“ Dabei gehe es „um Christus in dieser Welt“.

Um zusammenzuarbeiten, müssten nicht alle Konflikte gelöst sein. „Wir arbeiten zusammen, auch wenn wir in vielem noch keine perfekte Gemeinschaft sind“, sagte die westfälische Präses - auch wenn man nicht zusammen das Mahl feiere, unterschiedliche Überzeugungen vom geistlichen Amt habe, oder unterschiedlicher Auffassung sei über das, was Frauen in der Kirche dürften.

„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“, sage Jesus. Mit diesem Satz ließen sich auch je eigene Absolutheitsansprüche begründen, mahnte Kurschus. Allerdings: „Ich bin: Darin klingt das Echo auf ein Du bist. Du, Jesus, bist der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand außer dir!“ So drückten sich Liebe und Vertrauen des Johannes und seiner Gemeinde aus, sagte Kurschus. Und ihre Liebeserklärung an Jesus sei keine Kriegserklärung an andere.

Wahrheit und Vertrauen gehörten zusammen, so die Präses. „Deshalb hauen wir einander in der ACK nicht unterschiedliche ‚Wahrheiten‘ um die Ohren.“ Es gehe nicht um dogmatische Richtigkeiten. Zu den Ansprüchen der ACK gehöre es vielmehr, sich der Wahrheit durch Begegnung und Vertrauen zu nähern. „Denn Wahrheit, die durch Ausgrenzung und Überlegenheitsgebaren hergestellt wird, ist keine Wahrheit.“


Quelle: EKvW