'Schnörkellos und poetisch, ernst und gewitzt'

ELK-Wue: Abbas Khider in Stuttgart mit Evangelischem Buchpreis ausgezeichnet


Stefanie Drüsedau (Jury-Vorsitzende), Wiebke Mandalka (Geschäftsführerin Ev. Literaturportal e.V.), Martin Kordic (Lektor des Hanser-Verlags), Landesbischof Ralf Meister (Vorsitzender des Ev. Literaturportal e.V.) (von links) © elk-wue.de

Khider erhält die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung für sein Buch „Der Erinnerungsfälscher“, in dem er Themen wie Diktatur und Flucht sowie Vorurteile und Schikanen gegenüber geflüchteten Menschen literarisch verarbeitet.

Der Evangelische Buchpreis wird seit 1979 vom Dachverband evangelischer öffentlicher Büchereien, dem Evangelischen Literaturportal www.eliport.de, verliehen. Dessen Vorsitzender, Landesbischof Ralf Meister aus Hannover, überreichte den Preis an Martin Kordic vom Hanser-Verlag, der den erkrankten Abbas Khider vertrat.

Der Literaturkritiker Carsten Hueck würdigte in seiner Laudatio Abbas Khider als Autor, der „charmant den tiefen Blick in ein schweres Herz in stürmischer Zeit eröffnet“ und sagte weiter, es sei „ein Markenzeichen dieses Autors, schnörkellos und poetisch zu schreiben, ernst und gewitzt, manchmal auch drastisch, das Bitterböse aber mit Galgenhumor zu schildern. Mit Ironie schafft er eine Distanz, die Leser und Leserin im rechten Moment schützt, die tiefe Wirkung des Erzählten aber nicht verringert.“

Weiter sagte Hueck: „Der Erinnerungsfälscher ist kein Reisebericht, keine Reportage, sondern ein Roman. Literatur eben, die ihre eigene Wirklichkeit und Wahrheit erschafft. Und es ist schön und wichtig, dass ausgerechnet so ein Vollbluterzähler, ein deutscher Schriftsteller, dessen erzählerische Wurzeln auch einen uns gemeinhin fremden Kulturkreis berühren, mit dem Evangelischen Buchpreis geehrt wird. Das spricht nicht nur für den Autor, sondern auch für den Preis.“

In ihrer Begründung für die Zuerkennung des Ev. Buchpreises schreibt die Jury: „Mit klaren, schnörkellosen Sätzen, aber nicht ohne Humor, erzählt Abbas Khider von den Themen, die das Leben seines Protagonisten [Said] beherrschen: Die Gefangenschaft in der Diktatur, die lange, entbehrungsreiche Flucht nach Europa und die Vorurteile und Schikanen, denen er in der neuen Heimat immer wieder begegnet. Dies gelingt ihm in beeindruckender Weise. Der Autor, dessen Biographie deutliche Parallelen zu Saids aufweist, lässt uns teilhaben am Prozess des Schreibens und seiner therapeutischen Wirkung, er bedenkt die Wichtigkeit von Literatur für das eigene Leben, er plädiert gegen religiösen Fanatismus, Nationalismus, Rassismus und Ideologien jeder Art und fordert uns zu mehr menschlichem Miteinander auf.“

In seiner Begrüßung hob der gastgebende Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl Stuttgart als Buch- und Lesestadt hervor. Vor über 200 Jahren, im Jahr 1812, wurde hier die Deutsche Bibelgesellschaft gegründet und mit ihr die bis heute maßgebliche Stelle der Bibelverbreitung in Deutschland. Nur wenige Meter vom Hospitalhof entfernt befinde sich das bibliorama – ein interaktives Bibelmuseum, das sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen die Bibel in moderner Weise nahezubringen und Lust auf die Bibellektüre zu machen. Stuttgart sei bis heute eine Bibelstadt, so Gohl. In diesen Tagen erscheine die neue Ausgabe der Stuttgarter Erklärungsbibel. Stuttgart sei aber daneben auch eine bedeutende Bibliotheks- und Verlagsstadt. Hier gibt es 100 Büchereien und Bibliotheken und 67 Verlage. Und natürlich unzählige Leserinnen und Leser. Zurzeit betreue die landeskirchliche Büchereifachstelle 108 Mitgliedsbüchereien mit ca. 400 meist ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ganz Württemberg.

Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Mit 19 Jahren wurde er wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet. Nach der Entlassung floh er 1996 aus dem Irak und hielt sich in verschiedenen Ländern auf. Seit 2000 lebt er in Deutschland und studierte Literatur und Philosophie in München und Potsdam. 2008 erschien sein Debütroman „Der falsche Inder“, es folgten die Romane „Die Orangen des Präsidenten“ (2011) und „Brief in die Auberginenrepublik“ (2013). Abbas Khider lebt zurzeit in Berlin.


Quelle: ELK-Wue