'Zwangssystem-Systemzwang'

Erste Sportethik-Tagung in der Evangelischen Akademie in Frankfurt


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Wie sich Spitzensportler verhalten und was sie tun, prägt die ganze Gesellschaft. Grund genug für die evangelische Kirche, erstmals zu einem sportethischen Fachtag mit mehr als einem Dutzend Expertinnen und Experten einzuladen. Im Fokus: Doping.

Kaum ein anderes kritisches Thema beherrscht den Spitzensport seit Jahren so sehr wie die Frage nach dem Doping. Vergangenes Jahr gestand Ex-Eintracht-Trainer Nico Kovac im Bild-Interview freimütig ein, dass es im Profi-Fußball ohne Schmerzmittel auf den Platz nicht geht. Angesichts der Vorbildfunktion des Leistungssports ist das nicht nur ein Problem für die Kabine oder den Trainingsplatz. Wie sich Spitzensportler verhalten und was sie tun, prägt die ganze Gesellschaft. Grund genug für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit ihrem Sportbeauftragten Volker Jung erstmals zu einem sportethischen Fachtag mit mehr als einem Dutzend Expertinnen und Experten einzuladen. Unter dem Titel „Zwangssystem-Systemzwang“ ging es bei der Tagung in der Evangelischen Akademie in Frankfurt am Donnerstag (13. September) um Doping und ob sich etwas dagegen unternehmen lässt.

Eigentlich sei Sport ein „starkes Stück Leben“, sagt der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung in seiner Begrüßung. Es bleibe „aber nur dann ein wirklich starkes Stück Leben, wenn Sport das Leben fördert“. Mit Blick auf das Thema Doping sei es wichtig, konsequent danach zu sehen, dass die Würde von Menschen nicht nur gewahrt und respektiert bleibt, sondern sie in ihrer Würde ernst genommen und gefördert werden.

Markus Hauptmann, Mitbegründer der deutschen Nationalen Antidoping-Agentur NADA sieht im Doping denn auch nicht nur ein reines Sportproblem. Es geht bei der Dopingfrage auch um die „Bewahrung der ethischen Werte in der Gesellschaft“, erklärt er. Die bisherigen Dopingkontrollen seien bei weitem nicht ausreichend. Nur etwa 0,2 bis 0,3 Prozent der jährlich etwa 12.000 Proben in Deutschland sind positiv. Dagegen stünde eine „100 bis 200-fach höhere Dunkelziffer“. Studien belegten dies und gehen davon aus, dass bis zu 40 Prozent der Leistungssportler verbotene Mittel nutzten. Er fordert deshalb unter anderem mehr gezielte Kontrollen und eine bessere Vernetzung in die „Insiderszene“. Potentielle „Whisteblower“ im Leistungssport müssten gestärkt und rechtlich abgesichert werden. So würden beispielsweise in den USA mögliche Kosten von Prozessen gegen aussagewillige Sportler übernommen.

Sylvia Schenk, frühere deutsche 800-Meter-Meisterin und heute bei Transparency Interneational Deutschland Leiterin der Arbeitsgruppe Sport, fordert null Toleranz beim Thema Doping. Wenn ein Schiedsrichter am Anfang nachlässig pfeife, so Schenk, bekomme er das Spiel nachher nicht mehr in den Griff. Zum Kern einer vielfach diskutierten Reform im Spitzensport gehöre für sie deshalb die Dopingfrage. Am Ende müsse sich das Bewusstsein durchsetzen, dass „der Ehrliche auch der Kluge“ ist.

Amélie Ebert, Mitglied der deutschen Athletenkommission und Weltklasse-Synchronschwimmerin beschreibt, wie stark die Angst unter Spitzensportlern umgeht, versehentlich ins Visier der Dopingfahnder zu geraten. Es mache zudem nicht gerade Spaß, ständig unter Generalverdacht zu stehen. Es sei nicht verständlich, dass es neben Ländern mit scharfen Kontrollen auch Nationen gebe, in denen „Staatsdoping“ Gang und Gäbe sei. Regelmäßige, unabhängige Tests müssten Zugangsvoraussetzung zu internationalen Wettkämpfen sein.

Die frühere DDR-Spitzensportlerin Ines Geipel führt gesundheitliche Risiken von Doping vor Augen. Geipel, die inzwischen Autorin und Literaturprofessorin ist, spricht von rund 500 bekannten Todesfällen in der DDR infolge von umfassendem Staatsdoping. Sie bezeichnet die früheren Trainings oft als „Menschenversuche“. Der Schaden, den Doping physisch und psychisch auslöse, müsse heute viel deutlicher in der Öffentlichkeit dargestellt werden.

Otmar Weiß, Wiener Sportwissenschaftler, blickt schließlich hoffnungsvoll in die Zukunft. Er ist überzeugt, dass sich Doping niemals verhindern lassen wird. Es lasse sich aber eindämmen. Der wichtigste Wert in der Gesellschaft und im Sport sei „Fairplay“, erklärt er. Es müsse sich das Bewusstsein wieder durchsetzen, dass der „wahre, schöne Sieg“, der Sieg sei, der durch Fairplay errungen wurde. Dies könne sogar sinnstiftend für eine bessere Welt sein.


Quelle: EKHN