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'Quelle für Lebensmut'
Predigt zur Jahreslosung 2018 (Offb 21,6), von Dr. Karl Friedrich Ulrichs
Im fernen Land meiner norddeutschen Kindheit gab es eine Wasserquelle. Ich habe sie entdeckt, weil ich mich über einen unnötigen Knick in einem Feldweg wunderte. Die Quelle im Graben neben dem Weg war der Grund für die Kurve, der Sand- und Menschenweg musste sich nach der Quelle und dem Wasserweg richten. Einen Sommer lang habe ich meine Quelle besucht, mich in den Graben gehockt und das quellende Wasser angesehen. Klar war das Wasser wie sonst in keinem Graben und kühl trotz der Sommerhitze. Ich erinnere mich an das kalte Wasser in meiner Kinderhand, mit der ich schöpfte und einige Schlucke nahm. Frisch und irgendwie freundlich war die Quelle in der sonst etwas trüben Gegend. Und ich war nicht der einzige, der an der Quelle seine Freude hatte; einige Stichlinge waren auch da, unauffällig die Weibchen, rot und blau das eine Männchen, allesamt standen sie im Wasser, gegen die Quelle im bewegten, lebendigen Wasser schwimmend. Die kleine Quelle im Graben zog Kind und Fisch an, Fisch und Kind hatten eine gute Zeit dort, so gut, dass die Stichlinge ihr ganzes kurzes Leben dort verbrachten, so gut, dass dem Kind nach vierzig Jahren wieder einfällt, wie überraschend kühl das Wasser war und wie die Quelle murmelte und wie das war mit dem Weg. Die Quelle ist ein Erinnerungs-ort, ein Lebensort.
Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Offb 21,6
Hach, ist das schön zu hören! Wie ansprechend dieser wunderbare Satz ist! Mir scheint, dass dieser Vers mit sicherem Gespür für die Gefälligkeit ausgesucht wurde, die bei Jahreslosungen nötig ist. Läsen wir aber einmal den Absatz, in dem der Vers steht – da geht´s zur Sache, da wird nicht verschwiegen, dass das böse Brummen des Todes das Hintergrundrauschen dieser wohlklingenden Quellenzusage ist. Da wird aus dem Hach schnell ein Ach. Wir kennen das ja: Jeder noch so optimistische Blick ins neue Jahr wird getrübt, wenn wir an die großen Weltprobleme denken: Trump und Kim, Klima und Krieg. Und wenn wir an die schwierigeren Seiten und Zeiten denken, die auch unser eigenes kleines Jahr 2018 haben wird. Das darf auch so sein: Wir dürfen das von uns sagen, dass wir durstig sind, dass wir noch etwas brauchen, zu trinken und zu leben und zu feiern. Wir müssen auch am Anfang eines neuen Jahres uns selbst und anderen nicht vorgaukeln, dass wir keinen Durst hätten, keine Bedürfnisse, keinen Mangel, keine Gefährdung erleben. Und wenn ich es recht bedenke, macht mich das sogar freier, wenn ich mir das eingestehen kann: Ich bin durstig.
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Diesen Satz hat Johannes gehört, der seine Sehnsucht und seinen Traum von Gott und dessen Herrschaft in sein Bibelbuch, die Offenbarung, geschrieben hat. Johannes hat sich von diesem Gottessatz angesprochen gefühlt, weil auch er durstig war. Er lebte in einer Zeit und in einer Gegend, in der Christen von Staats wegen verfolgt wurden und gesellschaftlich verachtet waren. Damit lebte Johannes so, wie es auch heute wieder und gerade heute verstärkt und vermehrt Christinnen und Christen ergeht, besonders im Nahen Osten und in einigen asiatischen Ländern: Nachbarn machen sie verächtlich, im Beruf werden sie benachteiligt. Verwaltung und Polizei schützen sie nicht vor Übergriffen, sondern beteiligen sich daran. Christliche Familien müssen ihre Heimat verlassen. Und immer wieder enden Übergriffe tödlich. Viel ist davon nicht die Rede bei uns. Ob uns das im neuen Jahr besser gelingt, das drängende Problem der Christenverfolgung besser im Blick zu haben? Es muss doch eine tiefe Verbindung geben zwischen denen, die mit dem lebendigen Wasser aus Gottes Quelle getauft wurden.
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Das verspricht der, „der auf dem Thron sitzt“, sagt uns Johannes. Gott steht mit seinem Ich dafür ein, dass das wahr ist und wahr bleibt. Gottes Wahrheit steht hier auf dem Spiel, seine Ehre. Und was in diesem Satz das Ich Gottes ist, erkenne ich wieder an Jesus, in der Krippe liegend, im Jordan getauft, am Kreuz gestorben: Ich will geben umsonst, ich will mich geben. Gott wirbt um unser Vertrauen in ihn. Und ich erliege diesem Werben. Der dem Durstigem Wasser gibt, dem vertraue ich. Ich weiß, dass er meine Bedürftigkeit, meinen Durst sieht. Ich verlasse mich auf seinen Willen, meinen Durst zu stillen.
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Diese Zusage („ich will geben“) will von uns aufgenommen werden. Sie ist darauf angelegt, dass sie sich zu einer Anrede wandelt, indem wir beten. Wir nehmen ins Gebet, was Gott uns zusagt: Du hast uns Durstigen von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst gegeben. Mit diesem Dank können wir auf das vergangene Jahr schauen, überhaupt auf die Jahre unseres Lebens. Wo fanden wir eine Quelle von Lebensmut, gerade auch, wenn unser Weg nicht geradeaus ging, sondern in Kurven verlief?
Ich habe das Reformationsjubiläum als eine Erfrischung im Glauben erlebt und möchte davon auch im neuen Jahr etwas weitergeben. Um nur eines zu nennen: Mir ist die große Liebe der Reformatoren zur Bibel noch einmal klarer geworden. Gottes Wort haben sie als lebendiges Wasser erlebt, das Durst stillt und Leben reinigt und Gedanken klärt.
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Diese Zusage will uns neben der Dankbarkeit Vertrauen ins Herz legen. Wir verwandeln Gottes Zusage in ein Gebet und werden darin selbst verwandelt: Menschen des Vertrauens werden wir, wenn wir am Jahresanfang, am Anfang neuer Wege in neue Räume und Zeiten beten: Gib uns Durstigen von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst!
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Wir sind wohl nicht immer durstig. Aber dieser Satz macht uns, auch wenn wir ohne Durst sind, solidarisch mit denen, deren Lebensmut und deren Glaube vertrocknet sind, solidarisch auch mit denen, die dürstet nach Gerechtigkeit und Frieden. Das ist ein quälender Durst, nicht selten wohl geradezu eine Erfahrung des Verdurstens. Ob wir nicht der Bach sein können, in dem Gottes Lebenswasser von der Quelle zu durstigen Menschen fließt? Es wäre schon etwas, wenn ich mit meinem Hochmut und mit meiner Verwicklung in Ungerechtigkeit und Unfriede dieses Wasser wenigstens nicht trübe und verschmutze.
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Diese Jahreslosung will ich nicht gleich am Jahresanfang schon wieder hinter mir lassen, sondern als Refrain in den Strophen des Jahres hören. Ich ahne, dass dieses Wort mir immer wieder einmal etwas Neues sagen wird. Diese Zusage ist selbst, wovon sie spricht: lebendiges Wasser, das mir Gott gibt. Wo Gottes Quelle ist, wo er uns gibt, was wir zum Leben brauchen wie nichts sonst, da machen unsere Wege einen Knick, gewinnen eine andere Richtung – und wir mögen zunächst nicht wissen, warum. Unser Leben macht einen Bogen, unser Glauben biegt ab – und uns geht dabei auf, dass hier Gottes Quelle sprudelt und unseren Sand- und Menschenweg zur Kurve zwingt.
Und ich glaube, ich schaue einmal, wenn ich das nächste Mal in meinem Heimatdorf bin, nach meiner Quelle. Schön rot und blau leuchten Gottes Geschöpfe da, erfrischt und glücklich. Auf gebogenen Wegen gehen Kinder und die anderen und sie kommen gut weiter, wenn sie mitnehmen, was sie erlebt haben, und wissen, wovon sie zehren können Jahr um Jahr.
Dr. Karl Friedrich Ulrichs