Die zerstörten Dörfer von Jussefs Vorfahren

Nes Ammim - aus dem Alltag in einem nicht-alltäglichen Dorf in Israel


Von Tobias Kriener

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Letzten Dienstag habe ich noch so einen Study-Trip endlich mitmachen können, den ich in den vergangenen Jahren immer verpasst habe: Wir sind mit Jussef bei den Ruinen der Dörfer seiner Vorfahren gewesen.

Wir begannen auf der östlichen Seite der Straße Nr. 70 ein paar hunder Meter südlich der Kreuzung beim Kibbuz Kabri. Dort liegt ein gut gepflegter Park, in dem sich Mahnmale und Erinnerungstafeln an den "Jechiam-Konvoi" finden. Die eindrucksvollsten Erinnerungsartefakte sind die Wracks der Lastwagen, die bei dem Überfall auf den Konvoi ausbrannten und jetzt an das grausame Ereignis erinnern - ähnlich den Fahrzeugwracks, die sich links und rechts der Straße von Tel Aviv nach Jerusalem befinden und an die Angriffe auf Konvois zur Versorgung Jerusalems im Unabhängigkeitskrieg erinnern, auf die jeder Tourist auf dem Weg vom Flughafen nach Jerusalem vom Guide hingewiesen wird.

Nach der Annahme des UN-Teilungsplans am 29. November 1947 durch die UN-Generalversammlung brachen im Mandatsgebiet Palästina Kämpfe aus. Besonders schwierig für die zionistische Seite war die Versorgung und Sicherung isoliert liegender Kibbuzim wie des Kibbuz Jechiam etwa 10 km östlich von Naharijah am Fuß einer Kreuzfahrerruine. Um die Verteidiger dieses Kibbuz mit Nachschub zu versorgen, wurde am 27. März 1948 ein Konvoi losgeschickt, der bei Kabri, einem größeren arabischen Dorf, überfallen wurde. 47 jüdische Kämpfer der Hagana wurden dabei getötet (dazu auch 6 der arabischen Angreifer).

Zwei Monate später wurden Kabri und die drei in der Nähe liegenden Dörfer Um al-Faradsch, An-Nahar und Et-Tell im Rahmen der Operation "Ben Ami" angegriffen, die Einwohner vertrieben und die Gebäude dem Erdboden gleich gemacht. Die Trümmer liegen auf der anderen Straßenseite, nach Westen hin, hinter Kaktushecken und unter Bäumen und Gras verborgen. Wenn Jussef uns nicht hingeführt hätte, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass hier einmal drei Dörfer gestanden haben. Er zeigte uns den Platz, wo das Haus seiner Großeltern gestanden hatte, die Reste der Gräber des Friedhofs und den Ort, wo das Haus seiner Eltern gestanden hatte, ganz in der Nähe der Treppen, die dort noch zu sehen sind, die zum Bach hinunter führen, wo die Frauen das Dorfes Wasser früher geholt haben.

Das Muster, das zur Zerstörung der Dörfer geführt hat, hat sich im Unabhängigkeitskrieg oft abgespielt: Arabische Militante überfielen die Versorgungswege zwischen den jüdischen Ortschaften. Das nahmen die israelischen Truppen zum Anlass, die Dörfer der Angreifer zu räumen und zu zerstören und die Bewohner zu vertreiben. Und im Zuge dieser Operationen zur Sicherung der jüdischen Siedlungen wurden dann gleich auch die unbeteiligten arabischen Dörfer in der Nähe geräumt und ihre Bewohner in die Flucht geschlagen oder vertrieben. Im Fall von Et-Tell, dem Dorf von Jussefs Eltern, wurden die Bewohner auf Lastwagen geladen und über die libanesische Grenze gebracht. Weil seine Eltern mit Kibbuzmitgliedern aus der Nähe befreundet waren - so erzählte uns Jussef -, hätten diese Kibbuzniks sie vor der Grenze von dem Lastwagen herunter geholt und in ihrem Kibbuz versteckt, bis sie eine Bleibe in Mazra'a gefunden hatten.

Ich fand einerseits bewegend, von Jussef diese persönliche Geschichte zu hören und zu diesen Überresten geführt zu werden, die sonst den Blicken völlig entzogen sind.

Andererseits hat mich beeindruckt, dass er den Volos immer wieder einschärfte, dass es in dieser Geschichte nicht nur Schwarz und Weiß - nicht eindeutig gut und böse gibt. Schon dass er uns zuerst zu der Gedenkstätte für den Überfall auf den Jechiam-Konvoi geführt hat, und an dieser grausamen Episode nichts beschönigt hat, fand ich bemerkenswert. (Das hat mich übrigens daran erinnert, dass Tanja Ronen, unsere langjährige Freundin aus dem Moschav Regba, bei ihrer Führung immer zuerst mit uns zu dem alten Friedhof und der Ruine der Moschee von As-Sumairijjah geht - des arabischen Dorfes, von dem aus die Straße von Akko nach Naharijah unter Beschuss genommen wurde, und das deswegen geräumt und zerstört wurde.)

Jussef zeigt keine Bitterkeit. Obwohl es eine bittere Geschichte ist, in der die einen - die Sieger - mit eindrucksvollen Mahnmalen ihrer Toten gedenken, während die Spuren der Anderen beinahe nicht mehr auffindbar sind. Es ist gut, dass wir jüdische wie palästinensische Freunde_innen haben, die uns auf diese Spuren hinweisen. So entsteht vor dem inneren Auge ein Sub-Bild (in Analogie zu dem Ausdruck: Subtext) dieses Landes Israel: Das verschwundene arabische Palästina.

Sehr wichtig für dieses Sub-Bild ist auch die israelische Organisation "Zochrot", die dieses verschwundenen arabische Palästina mittels der Nakba-Map auf ihrer web-site dokumentiert und die Erinnerung wach zu halten versucht. Ein Besuch auf der web-site von Zochrot ist unbedingt lohnenswert ...


Tobias Kriener

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