Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1519 - 1580)
Catherine, Baronin Willoughby de Eresbury (1519-1580) war in erster Ehe mit dem Herzog von Suffolk, Charles Brandon verheiratet. Unter Edward VI. wurde sie überzeugt evangelisch. Sie war befreundet mit Reformatoren wie Martin Bucer und Johannes a Lasco, während diese in England weilten. Als Maria Tudor den Thron nach Edward VI. bestieg und den Katholizismus in England wiedereinführte, flüchtete sie mit ihrem zweiten Gatten, Richard Bertie, und ihrer Tochter nach Wesel. Von dort ging die Reise nach Weinheim (Pfalz) und weiter nach Litauen, dank der Fürsprache Johannes a Lascos, der für sie beim polnischen König eintrat. Nach der Thronbesteigung Elizabeths I. kehrte sie mit ihrem Mann und zwei Kindern nach England zurück. Sie unterstützte bis zu ihrem Tod puritanische Pfarrer.
1. Eine katholische Kindheit und erste Ehe
2. Evangelische Witwe
3. Eine neue Familie. Flucht
4. Puritanerin in England
5. Würdigung
6. Die Herzogin von Suffolk in der Kunst
Anhang / Literatur
1. Eine katholische Kindheit und erste Ehe
Catherine Willoughby wurde 1519 geboren in einer Ehe zwischen einem adeligen Engländer, William Willoughby, Baron Willoughby de Eresby, und Maria de Salinas, einer spanischen Hofdame der Königin Katharina von Aragon. Die Eheschließung wurde wohlwollend von der königlichen Familie begleitet, Heinrich VIII. nannte eine seiner Kriegsschiffe „Mary Willoughby“ und er schenkte dem Ehepaar Ländereien. Die kleine Catherine verlor früh (1526) ihren Vater, und da sie eine sehr reiche Erbin war – in der Familie Willoughby besaßen auch Frauen das Erbrecht – wurde sie Mündel der Krone. Die Vormundschaft wurde dann wie üblich weiterverkauft, und so wurde die kleine Catherine Mündel des Charles Brandon, Herzog von Suffolk, der damals mit der Schwester des Königs, Mary Tudor, verheiratet war (Richardson). Wenn nicht in London, wohnte das Paar auf dem Gut Westhorpe in Suffolk, und Catherine wurde mit deren fast gleichaltrigen Töchtern Frances – die Mutter von Jane Grey – und Eleanor, und mit dem Sohn Henry, erzogen.
Am 24. Juni 1533 starb Mary Tudor nach längerer Krankheit. Catherine Willoughby war vermutlich bis dahin dem Sohn des Hauses als Braut angedacht, aber der Witwer Charles Brandon heiratete sie selbst im September 1533. Catherine war mit 14 Jahren gerade heiratsfähig, während ihr „Verlobter“ nur zehn Jahre alt war und damit noch zu jung für eine Eheschließung. Charles Brandon hatte gute Gründe sich die Hand Catherines zu sichern:
Charles Brandon hatte in der Ehe mit Mary Tudor Einnahmen von Ländereien sowohl in England als auch in Frankreich. Mary Tudor war in erster Ehe kurz - drei Monate lang - mit Ludwig XII. von Frankreich vermählt gewesen. Nach dessen Tod ging sie eine Liebesehe mit Charles Brandon ein. Deswegen hatte sie Lehen in Frankreich und England, die jedoch nach ihrem Tod an die Krone zurückfielen. Catherine Willoughby dagegen besaß Ländereien in Lincolnshire, welche es Charles Brandon möglich machten, sich dort einen großen zusammenhängenden Gutsbesitz zu beschaffen (Gunn).
1535 und 1537 brachte sie zwei Jungen zur Welt, Henry und Charles. Brandons Sohn Henry aus der ersten Ehe war 1534 gestorben, und es war üblich, nachgeborene Kinder nach ihren toten Geschwistern zu nennen.
Catherine war gut katholisch erzogen. Ihre Mutter war nach ihrer Ehe immer noch der Königin Catherine von Aragon eng verbunden. Als diese in Ungnade fiel, musste Charles Brandon die für ihn unangenehme Aufgabe erfüllen, ihr mitzuteilen, dass ihr Hofstaat gekürzt und ihre Bediensteten entlassen wurden. Sie wurde in die Provinz verbannt, und durfte nur mit Erlaubnis des Königs Besuch empfangen. Als es sich herumsprach, dass sie sehr krank sei, erkämpfte sich Maria de Salinas, Lady Willoughby, den Zutritt zu ihrem Schlafgemach. Wenige Tage später starb die Königin in ihren Armen. Sie wurde in der Kathedrale von Peterborough begraben, und im Trauerzug ging Catherine Brandon (Read 40f).
Als Magnat in Lincolnshire bekam Brandon 1536 die Aufgabe, die Aufstände in Lincolnshire in Verbindung mit dem nördlichen Aufstand gegen die Krone, die „Pilgrimage of Grace“ genannt, niederzuschlagen. Dies tat er schnell und effektiv und wurde dafür mit dem Schloss Tattershall und mehreren Kirchengütern belohnt. Die folgenden Jahre verbrachten er und seine Familie auf Schloss Tattershall. Brandon war 35 Jahre älter als seine Frau, aber die Ehe schien glücklich. 1539 war Catherine unter den vornehmen Frauen, die Anne von Kleve in England empfingen (Read 45f). Als Heinrich VIII. 1541 nach York reiste, um den schottischen König zu treffen, besuchte er die Brandons auf dem Gut Catherines, Grimsthorpe. Das war eine große Ehre, und Brandon ließ das Schloss umbauen, um den Majestät würdig empfangen zu können. Später war Catherine Brandon mit Catherine Parr befreundet. Sie war unter den sehr wenigen Hochzeitsgästen bei der Vermählung Catherine Parrs mit Heinrich VIII. im Jahr 1543.
Charles Brandon war zu Ruhm und Ehre gekommen, weil er ein Freund und Kumpel Heinrichs VIII. war. Wenn er religiöse Überzeugungen hatte, hielt er sie verborgen, und folgte den Anweisungen des Königs (Gunn). Unter seinen Kaplänen und Hauslehrern waren Männer, die zum neuen evangelischen Glauben neigten, aber es ist unsicher, ob Charles Brandon das überhaupt bemerkte. Es kann sein, dass Catherine durch sie die neue Lehre kennenlernte. Als ihr Mann noch lebte, verschaffte sie sich aus Übermut und vielleicht aus religiöser Überzeugung einen mächtigen Feind, Stephen Gardiner, Bischof von Winchester und Lordkanzler. Bei einem Abendessen schlug Brandon Damenwahl vor, und Catherine sagte laut, dass, wenn sie nicht ihren Gatten wählen dürfte, sie den Mann nähme, den sie am wenigsten möge, nämlich Gardiner. Er verzieh es ihr nie. Ähnliche Sticheleien betrieb sie wohl auch in jungen Jahren: sie nannte ihren Hund Gardiner und hatte einen Riesenspaß, wenn sie ihm „Sitz“ oder „Bei Fuß“ kommandierte. Der Hund wurde zudem im Bischofsornat gekleidet und in Prozession getragen. Viele Jahre später hat Gardiner an diese Beleidigungen erinnert. Es ist unsicher, wann genau sie stattgefunden haben, aber es scheinen doch die Späße einer sehr jungen Frau gewesen zu sein. Diese Anekdoten wären belanglos, hätte Gardiner sich nicht so gekränkt gefühlt.
2. Evangelische Witwe
Erst als sie sich nach dem Tod ihres Gatten 1545 mehr am Hofe aufhielt, als Hofdame für Catherine Parr, wurde ihre evangelische Gesinnung offenkundig. Sie gehörte zu dem evangelischen Kreis, den Catherine Parr um sich scharte. Zusammen hörten sie evangelische Predigten und studierten die Bibel in den Gemächern der Königin.
1546 wurde eine evangelische Adelsfrau namens Anne Askew der Ketzerei angeklagt. Sie hatte öffentlich in London gepredigt und dabei eine zwinglische Abendmahlslehre verbreitet. Askew wurde zweimal verhört und für schuldig befunden. Aber bevor sie den Tod auf dem Scheiterhaufen erleiden konnte, wurde sie noch einmal im Tower verhört und zwar von sehr hochrangigen katholischen Mitgliedern des „Privy Councils“, des Geheimrats des Königs. Sie wollten wissen, welche Kontakte Anne Askew zum Hofe hatte, und fragten besonders nach dem Kreis der Damen um die Königin. Viele von denen waren mit evangelisch gesinnten Höflingen verheiratet. Wäre es nur um sie gegangen, könnte man sich einen Angriff Gardiners gegen die evangelischen Ratsherren im Geheimrat vorstellen. Aber die Witwe Catherine Brandon wurde in der Befragung erwähnt. Es ist möglich, dass Gardiner sich den Frauenkreis vornahm, weil er damit die Königin der Ketzerei überführen wollte – Foxe berichtete von einem anderen Versuch Gardiners, die Königin zu beseitigen, der misslang. Aber selbst unter schlimmster Folter gab Anne Askew keine Namen preis. Wenige Tage danach wurde sie sitzend in einem Stuhl verbrannt, da sie nicht mehr stehen konnte (Foxe, 1563 edition, Book 3,732).
1547 starb Heinrich VIII. Er hinterließ eine Witwe und drei Kinder: Maria, Elizabeth und Edward. Edward war als männlicher Erbe der Thronfolger; er war von evangelischen Humanisten erzogen worden und von evangelischen Ratsherrn umgeben. Möglicherweise um das königliche Supremat über die Kirche zu erhalten, ließ Heinrich kurz vor seinem Tod Gardiner entmachten. Edward Seymour, sofort zum lord protector (Vormund des Königs) und Herzog von Somerset ernannt, übernahm die Regierung. Er war ein überzeugter Anhänger des neuen Glaubens. Thomas Cranmer, Erzbischof von Canterbury, schuf mit ihm die Agende: „Book of Common Prayer“ für den evangelischen Gottesdienst.
Catherine Brandon war jetzt in ihrem Element. Sie unterstützte einen evangelischen Drucker und Verleger namens John Day (King 1982, 2002). Eine Reihe von Büchern erschien nach 1548 mit ihrem Wappen, unter anderem ein Andachtsbuch Katherine Parrs. William Cecil, später erster Minister Elizabeths I., jetzt noch Sekretär des Herzogs von Somerset und Nachbar Catherine Brandons, schrieb dazu das Vorwort. Cecil blieb ihr Leben lang ein treuer Freund. Catherine Brandons Briefe an ihn sind eine vergnügliche Lektüre, ihre witzige, direkte Art kommt hier gut zum Vorschein. John Day druckte außerdem die Predigten Bischof Latimers mit einer Widmung an Catherine Brandon.
Bischof Hugh Latimer war eine Entdeckung Anna Boleyns. Schon 1530 predigte er die Fastenpredigten am Hofe. Er war Bischof von Worcester bis Heinrich VIII. gewisse katholische Dogmen für alle verbindlich machte, u. A. die Transsubstantiationslehre (Act of the Six Articles, 1539, Loades 2010, 21f). Latimer stellte seinen Bischofssitz dem König zu Verfügung. Eine Weile verbrachte er im Gefängnis und erst mit der Thronbesteigung Edwards VI. kehrte er zurück zum Hofe und predigte für den König und in London.
Latimer wurde der geistige Berater Catherine Brandons. Von 1552 bis 1554 wohnte er oft auf ihrem Gut Grimsthorpe und predigte dort. Eine Predigtreihe über die zehn Gebote entstand dort. Latimers Predigten kann man immer noch mit Vergnügen lesen. Er war wortgewandt, witzig, ein Meister der gut angebrachten Anekdote und von tiefer Frömmigkeit. In einer seiner Fastenpredigten von 1549 verglich er den Glauben mit einer wunderschönen Herzogin – zu der Zeit gab es in England zwei: die Herzogin von Suffolk und die von Somerset; Latimer nannte keinen Namen. Die Herzogin (der Glaube) hat einen „gentleman usher“, der ihr vorangeht und für sie den Weg bahnt – das ist die Sündenerkenntnis. Danach folgen die Hofdamen – das sind die guten Werke. Damit beschrieb er für alle anschaulich den Glauben als zentral, während Sündenerkenntnis und gute Werke vorher und nachher ihren Platz haben. Selbstverständlich wird angenommen, dass er von Catherine Brandon sprach (Harkrider, 70f).
Nach der Thronbesteigung Marias wurde Latimer mit den anderen evangelischen Bischöfen gefangengenommen. Catherine Brandon unterstützte ihn im Gefängnis mit Essen, Kleidung und Geld, das in den Tudor Gefängnissen benötigt wurde, um zu überleben (Read 96f). 1554 fing der Ketzerprozess gegen ihn an und im Oktober 1555 wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
In seinem Bestreben, die Englische Kirche zu reformieren, lud Erzbischof Cranmer Reformatoren nach England ein, und nach dem Augsburger Interim folgten viele seinem Ruf. Nach dem Tod Heinrichs 1547 konnte Cranmer mit der Kirchenreformation anfangen und die Edwardianische Kirche bekam eine deutliche reformierte Prägung. Viele englische Theologen waren in der Regierungszeit Heinrichs geflohen und oft reisten sie nach Zürich. Durch sie konnte Bullinger Einfluss auf die Ereignisse in England ausüben. Zürich und allmählich auch Genf wurden die Vorbilder der englischen Reformation. Die Altäre und Bilder verschwanden aus den Kirchen und stattdessen wurden Abendmahlstische aufgestellt. Ein Streit entbrannte über die Ornate der Pastoren.
Die Theologen, die als Glaubensflüchtlinge jetzt nach England kamen, waren berühmte Gelehrte ihres Faches und namhafte Reformatoren: Von Italien kamen Bernardino Ochino und Petrus Martyr Vermigli. Aus Straßburg folgten der Hebraist Paul Fagius und Martin Bucer. Cranmer ließ die beiden Italiener nach Oxford rufen, während Fagius und Bucer Professoren in Cambridge wurden (Brecht, 233-256).
Catherine Brandon ließ ihre beiden Söhne in Cambridge im St. John`s College einschreiben, mitsamt ihrem Tutor, Thomas Wilson (Harkrider, 81, Rex). Sie selbst kaufte sich ein Haus in der Nähe. Bald verband sie mit Bucer eine herzliche Freundschaft, er besuchte sie auf Grimsthorpe und sie schenkte ihm eine Kuh mit Kalb – letzteres wohl damit er Milch hatte. Ihr Verhältnis wurde so innig, dass Fagius durch den Sekretär Bucers in Straßburg, Conrad Hubert, Wibrandis Rosenblatt wissen ließ, dass sie schleunigst zu ihrem Gatten reisen sollte: „…sagend, Herrn Martinus Hausfrau, sie soll sich bald auf die Fahrt machen, oder er wird eine andere kriegen, die Herzogin von Suffolk will ihn haben, ist jetzt eine Wittfrau.“ (Bainton, 96)
Wibrandis Rosenblatt kam nach Cambridge mit der Familie, und als sie wieder wegfuhr, blieb Agnes Capito und kümmerte sich um Bucer. Ihm ging es jedoch gesundheitlich nicht gut. Als Wibrandis Rosenblatt 1550 nach England zurückkam, musste sie ihn im Winter pflegen. Catherine Brandon half ihr, aber trotz ihrer gemeinsamen Anstrengungen starb Bucer im Februar 1551. Catherine Brandon wurde von Edward VI. als Testamentsvollstreckerin an Rosenblatts Seite gestellt. Wibrandis Rosenblatt war jedoch mit den Engländern nicht zufrieden: „Ouch wussen, das mir der Bischof nit mer denn XXXX Lb. fur die Bucher geben hat. Er sagt die Frow (Herzogin Katharina von Suffolk) hab die besten; so hab der Kunig das geschrieben Ding; sin Theil sy zu thur. Ich hab recht genumen, was man mir geben hat; ich kann mich wider sy nit setzen.“ (Zimmerli-Witschi, 120)
Nach dem Tod Bucers wurde für ihn eine Gedenkschrift der Universitätsangehörigen in Cambridge herausgegeben. Darin waren beide Söhne von Catherine Brandon mit Beiträgen vertreten (Collinson 1983, 34). Diesen vielversprechenden jungen Männer war leider kein langes Leben vergönnt. Im Sommer 1551 brach der „Schweiß“ in Cambridge aus. Der sogenannte „Englische Schweiß“ war eine Infektionskrankheit, die innerhalb von kürzester Zeit ihre Opfer wegraffte. Die Brüder wurden sofort aus Cambridge weggebracht, starben aber innerhalb von Stunden, bevor es ihrer Mutter möglich war, zu ihnen zu kommen. Catherine Brandon war untröstlich. Es dauerte lange, bevor sie wieder anfangen konnte, Freude am Leben zu haben (Read).
Nicht nur Gelehrte flüchteten nach England, auch Handwerker und Handelsleute suchten einen Ort, wo sie ihre evangelische Überzeugung ausleben konnten. Für Cranmer war es eine Möglichkeit, reformierte Gemeinden zu gründen. In Canterbury entstand eine Französische Gemeinde (Pettegree 1986, 52f), wie in Glastonbury, wo viele wallonische Weber arbeiteten. In London entstanden gleich zwei Ausländergemeinden: eine französische und eine flämische, mit Johannes a Lasco als deren Superintendent. Zusammen mit den humanistischen Lehrern des Königs unterstützte Catherine Brandon die Gründung der Ausländergemeinden mit einer Bittschrift an den König und mit einer Bürgschaft (Pettegree 1986, 31). Für a Lasco waren es gute Jahren in London, mit Unterstützung vom König und von Cranmer und mit weitreichenden Freiheiten, ein reformiertes Gemeindeleben zu gestalten (Rodgers, Jürgens). Er zeigte sich später Catherine Brandon gegenüber dankbar.
3. Eine neue Familie. Flucht
Unter Edward VI. konnte Catherine Brandon ihre evangelische Gesinnung ausleben. Ihr alter Intimfeind Stephen Gardiner verbrachte diese Jahre im Tower of London und als sie ihn im Vorbeigehen sah, bemerkte sie mit lauter Stimme: „Es ist lustig für die Lämmer, wenn der Wolf weggesperrt ist.“ (Foxe, 1583 edition, Book 12, 2102-2105)
Die kirchlichen Reformen galten vor allem dem Gottesdienst und den Kirchengebäuden (MacCulloch 1999). Die alte katholische Ausstattung wurde aus den Kirchen verbannt, versteckt, verkauft oder verbrannt. Catherine Brandon, die in Lincolnshire Patronatsrechte für viele Kirchen besaß, hatte früher oft Pfründe an von ihren Klöstern vertriebene Mönche vergeben. Jetzt gab sie die Pfründe an verheiratete Männer mit Universitätsausbildung und gründete Schulen (Harkrider 84-94).
Auf Grimsthorpe hatte sie immer Kaplane mit evangelischer Gesinnung – und Hugh Latimer predigte dort als Dauergast.
Ein paar Jahre nach dem Tod ihrer Söhne heiratete sie einen Mann, den sie gut kannte und der ihre Religion teilte: Richard Bertie (1517-1582), ihr „gentleman usher“. Er war vom Adel, aber der niedere Adel tat beim Hochadel Dienst, sowie der Hochadel dem Königshaus diente. Sie heiratete einen Mann, der gebildet war, mehrere Sprachen beherrschte und ihr im Alltag treu zur Seite stand. Der „gentleman usher“ war eine Art Zeremonienmeister und er regelte vermutlich ihren Haushalt. Dennoch heiratete sie unter ihrem Stand. Anscheinend fühlte sie sich nach dem Tod ihrer Söhne frei, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Es war wohl Hugh Latimer, der sie 1553 auf Grimsthorpe traute (Read 92). Während Catherine Bertie im Jahr danach schwanger wurde und 1554 eine Tochter, Susan, gebar, starb Edward im Sommer 1553. Seine Schwester Maria bestieg den Thron. Sie war immer katholisch gewesen, hatte in den vergangenen Jahren deswegen Streit mit ihrem Bruder gehabt und war überzeugt, dass sie das Werkzeug Gottes war, um England wieder zum katholischen Glauben zurückzuführen. Zuerst wurde die Messe wiedereingeführt. Die Gemeinden versuchten, ihre Kirchen so auszustatten, dass sämtliche Riten durchgeführt werden konnten – die Gemeinden, die vorher ihr Inventar versteckt hatten, konnten sich glücklich preisen (Loades 2010).
Sehr viele Engländer waren ohne Zweifel froh, zu den alten Sitten und Ritualen zurückzukehren. Andere hatten sich an die Gottesdienste in der Landessprache gewöhnt, lasen ihre Bibel auf Englisch und sahen die Messe als Götzendienst an. Diese Leute – vor allem in London – trafen sich heimlich zu Gottesdienst und Gebet.
Die ersten, die den Ernst der Lage spürten, waren die Ausländergemeinden. September 1553 bestieg a Lasco mit einem Teil seiner Gemeinde drei Schiffe und fuhr nach Dänemark. Im lutherschen Land war die Gruppe als reformierte nicht willkommen und sie setzte ihre Reise nach Emden und schließlich nach Frankfurt fort. Gardiner, der Lordkanzler Marias geworden war, entwickelte eine Technik, um Ketzer loszuwerden: er lud sie zum Gespräch ein! Meistens wurden diese ob dieser Einladung so erschrocken, dass sie sofort England verließen (Pettegree 1986, 115f).
Ostern 1554 erging dann die Einladung Gardiners an Richard Bertie. Gardiner listete alle die Kränkungen, die Catherine Bertie ihm zugefügt hatte, auf und fragte, wie Catherine es mit der Messe hielt. Die Königin wollte Philipp von Spanien heiraten und bei der Gelegenheit könnte Catherine Bertie – immer noch Herzogin von Suffolk – Anstoß erwecken: sie hatte immer noch nicht die Messe auf Grimsthorpe eingeführt und konnte bei den Hochzeitsfeierlichkeiten nicht teilnehmen, obwohl ihre Mutter dem spanischen Hochadel angehört hatte. Als ihr Gatte war Bertie für sie juristisch und religiös verantwortlich. Er verteidigte ihre Gewissensfreiheit und schlug vor, er solle Geld, das der Kaiser Charles Brandon schuldete, bei Karl V. eintreiben. Dafür erhielt er eine Ausreisegenehmigung und versuchte, Asyl für Catherine und Susan, die im selben Jahr geboren worden war, zu finden. Im Herbst 1554 wurden die mittelalterlichen Ketzergesetze wieder in England eingeführt mit Wirkung vom 20. Januar 1555. Anfang Januar 1555 verließ Catherine Bertie in der Nacht ihr Haus in London mit dem Kind und ein paar Dienstboten (Foxe, Hrsg. Cattley 1839, Bd.8, 569-572).
Maria Tudor hatte vorerst die wichtigsten Geistlichen im Visier: die Bischöfe Cranmer, Ridley und Latimer waren schon in Gefängnis. Am 28. Januar wurde Anklage gegen andere leitende Evangelische erhoben. Alle starben den Märtyrertod – was seitens der Regierung vielleicht nicht vorgesehen oder gar erhofft war (Loades 2010, 81-96). Viele Mitglieder der Oberklasse, vor allem die Schwester der Königin, Prinzessin Elizabeth (http://www.frauen-und-reformation.de/?s=bio&id=115) und William Cecil, der Freund Catherine Berties, blieben in England und gingen zur Messe. Andere ergriffen die Flucht (Garrett).
Catherine Bertie hatte eine abenteuerliche Reise in die Niederlande vor sich. Den Ärmelkanal im Winter zu überqueren erwies sich als schwierig. Nach Wochen erreichte sie endlich Land, wurde von Richard Bertie (Garrett, 87-89) empfangen und nach Xanten gebracht. Sie wussten, dass sich die wallonische Flüchtlingsgemeinde aus London mit ihrem Pfarrer François Perussel im benachbarten Wesel aufhielt, und wollten auch dorthin. Xanten war katholisch und dort konnten sie nicht bleiben. Während sie noch in Xanten ihren Asylbescheid abwarteten, erfuhren sie, dass sie erkannt worden seien, und beschlossen, zu Fuß nach Wesel zu laufen ohne Bedienstete und Gepäck, nur sie drei, als ob sie einen Spaziergang machten. Es war kalt und frostig und während sie unterwegs waren, regnete es auf den gefrorenen Boden. Völlig durchnässt kamen sie in Wesel an. Keine Herberge wollte sie hereinlassen und am Ende suchten sie Schutz unter dem Vordach der Kirche (St. Willibrord?). Richard Bertie suchte nach Feuerholz und fand mit Hilfe einiger Schuljungen, die mit ihm Latein sprechen konnten, das Haus, wo Pastor Perussel gerade zu Abend aß. Groß war die Freude des Wiedersehens. Die Berties erhielten trockene Kleider und am nächsten Tag wurde ihnen vom Stadtrat Asyl gewährt (Foxe 1839, Bd. 8, 572-574).
Wesel hatte schon 1545 eine Gruppe wallonischer Weber aus Tournai aufgenommen. Man konnte die Handwerker gut gebrauchen und versicherte sich nur, dass die keine Wiedertäufer waren. Sie konnten Predigtgottesdienste in eigener Sprache halten, aber Sakramentsverwaltung wurde ihnen nicht zugestanden. Sie mussten mit der lutherschen Stadtgemeinde die Sakramente empfangen. Sie suchten Rat bei Calvin und er ermahnte sie zur Besonnenheit (CO 20, 419ff, Nr.4169; Weseler Konvent, 28ff). Als Perussel im Herbst 1553 mit den Wallonen aus England ankam, wiederholten sich die Probleme. Die Flüchtlinge hatten in England weitgehende Selbständigkeit genossen. Wieder schrieb Calvin an sie und mahnte zur Geduld (13.3.1554, CO 15, 78ff; a.a.O. 31f). Perussel schrieb allerdings auch an a Lasco und wurde von ihm unterstützt, Selbständigkeit für seine Gemeinde einzufordern. Das ging natürlich nicht gut. Melanchthon wurde um ein Gutachten gebeten, aber die Stadt entschied für sich, dass die Flüchtlinge weiterziehen mussten. Im März 1557 verließen die Engländer Wesel, nachdem sie sich beim Rat für den Aufenthalt bedankt hatten. Sie zogen nach Bern, wo sie sich im Aarau (Garrett, 353-356) niederlassen durften. Perussel zog mit einer Gruppe nach Frankfurt (Denis, 161-222).
Catherine und Richard Bertie waren schon längst nicht mehr in Wesel. Am 12. Oktober 1555 hatte Catherine einen Sohn, Peregrine (Lat. Peregrinus = Fremdling) geboren und ihn am 14. Oktober in St. Willibrord taufen lassen. Sehr viele Engländer hatten im Laufe des Jahres sich ihnen angeschlossen und durften englische Gottesdienste (ohne Sakramentsfeier) abhalten. Zwei frühere Bischöfe waren unter ihnen: Miles Coverdale, der Tyndale`s Bibelübersetzung vervollständigt hatte (Garrett, 132-134), und William Barlow (Garrett, 80). Im Herbst 1555 setzte sich Miles Coverdale beim Pfalzgrafen und Herzog Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken für die Berties ein. Coverdale hatte durch die Empfehlung von Conrad Hubert, Bucers Sekretär, eine Stelle als Schulmeister in Bad Bergzabern inne. 1555 kehrte er dorthin als Kaplan zurück. Dadurch war er dem Pfalzgrafen bekannt. Dessen Vetter, der Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz, bot der Herzogin sein Schloss Weinheim als Wohnung an (Harkrider).
Dort kam im Juli 1556 ein Kurier von Maria Tudor an. Im Herbst 1555 hatte das Parlament in London einen Gesetzesvorschlag Marias zu Konfiskation des Besitzes der Glaubensflüchtlinge abgeschmettert. Nach geltendem Recht wurde nur der Besitz von verurteilten Schwerstverbrechern und Aufrührern konfisziert. Das Parlament lehnte es ab, diese Gesetzgebung auf die Glaubensflüchtlinge zu erweitern (Loades 2007, 45f). Maria hatte jedoch im folgenden Jahr Briefe an wohlhabende Glaubensflüchtlingen geschrieben, und ein gewisser John Brett als Kurier sollte sie überreichen. In seinem Report über seine Reise vermied Brett es sorgfältig, sich zum Inhalt der Briefe zu äußern. Ihrerseits wollten die Adressaten sie gar nicht entgegennehmen. In Frankfurt klagten sie über Brett beim Bürgermeister, in Weinheim vertrieben ihn die Dienstboten der Herzogin mit Steinen. Sie verklagte ihn beim Kurfürsten und er verbrachte einiger Zeit in Heidelberg im Gefängnis. In Straßburg schließlich wurde er von einem bewaffneten Mann von den Flüchtlingen ferngehalten (Brett). Unverrichteter Dinge musste Brett zurück nach England.
In Weinheim hatte Catherine Bertie große Ausgaben: sie sollte ihren Lebensstil aufrechterhalten und den Haushalt bezahlen (Harkrider, 109). Es muss sich herumgesprochen haben, dass ihr Geld knapp wurde. In Polen hörte Johannes a Lasco davon (vielleicht stand er immer noch in Verbindung mit Frankfurt?) und ersuchte König Sigismund II. Augustus um Hilfe für sie. Der Wojwode (=Pfalzgraf) von Vilnius, Mikolai Radziwill, selbst überzeugter Reformierter, sorgte dafür, dass der König ein an die Krone heimgefallenes Lehen in Kraziai in Litauen den Berties schenkte.
Dieses königliche Hilfsangebot erfreute die Berties sehr. Sie wagten jedoch nicht das Angebot ohne weiteres anzunehmen, sondern schickten den früheren Bischof von Bath und Wells, William Barlow, nach Polen. Dieser hatte schon für sie in Weinheim die Verhandlungen mit John Brett geführt, da die Berties, wie die anderen Flüchtlinge auch, direkten Kontakt mit Brett und seinen Briefen vermieden. William Barlow wurde auf seiner Reise von John Burcher (Garrett, 100f) begleitet, einem Kaufmann, der angeblich lernen sollte, in Krakau Bier zu brauen, der aber in seinen Briefen an Bullinger von Johannes a Lascos Wirken in Krakau erzählte (Cross). Diese Erkundungsreise war erfolgreich, und die Berties mit ihren Kindern setzten sich in Bewegung. Nördlich von Frankfurt trafen sie Soldaten des Landgrafen (Philipp von Hessen?) und der kleine Spaniel der Herzogin griff sie an. Die Soldaten durchbohrten die Karosse mit ihren Bärenspießen und Bertie mit den Hauskerlen verteidigten sie. Im Kampfgetümmel wurde das Pferd des Kapitäns getötet und die Soldaten waren überzeugt, dass diese Wallonen ihren Kapitän umgebracht hatten. Bertie ritt in die nächste Stadt, um die Angreifer von der Karosse wegzulocken. Dort suchte er Schutz im obersten Stock eines Hauses, wo er sich mit seinem Degen verteidigen konnte, bis der Bürgermeister kam, der Latein sprach. Bertie ergab sich ihm. Am nächsten Tag trafen sowohl die Herzogin als auch der Graf von Erbach ein. Der Graf kannte die Herzogin von früher und verneigte sich tief vor ihr - zum Staunen der Bürger (Foxe, 1839, Bd. 8, 574-576).
Ihre weitere Reise verlief ohne Zwischenfälle. Die nächsten zwei Jahre verbrachten sie in Litauen auf ihrem Gut. Im Winter 1558/59 erfuhren sie die Nachricht vom Tod Marias und der Thronbesteigung Elizabeths. Catherine Bertie schrieb an Elizabeth und beglückwünschte sie. Außerdem schickte sie ein kostbares Neujahrsgeschenk. Mit solchen Geschenken zeigte die Königin ihr Wohlwollen und die Untertanen bezeugten ihre Treue. Bald verstand Catherine Bertie jedoch, dass die so sehnsüchtig erwartete Königin mit äußerster Vorsicht vorging: es war nicht ihre Absicht, eine reformierte Kirche nach dem Vorbild von Genf und Zürich einzuführen. Enttäuscht schrieb die Herzogin an ihren Freund Cecil, dass die Englische Kirche weder katholisch noch reformiert sei. Sie lobte Maria Stuart für ihre konsequente Verteidigung der Messe: Sie habe wenigstens Haltung gezeigt! (Read, 132ff, Bainton, 273f)
4. Puritanerin in England
Im Sommer 1959 fuhren die Berties zurück nach England – Fürst Radziwill kaufte das Lehn von ihnen zurück und machte damit die Heimreise möglich. Bei ihrer Ankunft gab Elizabeth der Herzogin alle ihre Güter zurück und bürgerte den kleinen Peregrine ein. Sie wohnten fortan auf Grimsthorpe.
Miles Coverdale, zurück aus Genf, wo er an der englischen Bibelübersetzung („the Geneva Bible“) mitgewirkt hatte, zog vorerst nach Grimsthorpe. Später siedelte er nach London um.
1562 wurde eine neue Ausgabe von den Predigten Latimers verlegt, und in der Widmung an die Herzogin schrieb der Herausgeber Augustin Bernher, der Assistent Latimers, dass sie alles aufgegeben habe, um „ein Flüchtling für Christus und sein Evangelium zu werden“. Sie sei ohne Zweifel vom Exil zurückgebracht worden, „um die Verzweifelten zu trösten und um ein Werkzeug zu werden, damit sein heiliger Name gepriesen sein soll und sein Evangelium verbreitet“ (Goff 238f, Übersetzung M.N.). Damit hatte Bernher den Wunsch geäußert, Catherine Bertie möge den Puritanern beistehen. In der folgenden Ausgabe der Predigten aus dem Jahr 1578, schrieb Bernher in seiner Widmung: „An etliche gab der gnädige Gott eine solche Tapferkeit (= valiant spirit), dass sie alles aufgegeben haben und geduldig in fremden Ländern reisten…“ (Goff, 317). Für Reformierte wie Bernher war die Flucht, um den Glauben woanders bekennen zu können, eine mutige Handlung. Er selbst war zur Regierungszeit Maria Stuarts in London geblieben, um die heimlichen reformierten Gemeinden pastoral zu betreuen. Seine Ablehnung galt den Personen, die in England geblieben waren und zur Messe gingen. Man denke an Cecil und an Elizabeth. (Vollständige Zitate in der Originalsprache im Anhang.)
In den folgenden Jahren bildete sich in der Englischen Kirche ein reformierter Flügel aus Theologen und Laien, die fanden, die Elizabethanische Kirche sei ungenügend reformiert. Diese Gruppierung wurde Puritaner genannt, aber selbst bezeichneten sie sich als „the godly“ = die Frommen. Selbst die von Elizabeth ernannten Bischöfe meinten, man solle die Kirche weiter reformieren („ecclesia semper reformanda“), wurden aber von der Königin zurückgepfiffen.
Vornehme Familien am Hofe – die Sidneys, die Dudleys und die Russells – gehörten zu den Puritanern, aber Catherine schloss sich diesen Kreisen nicht an. Vielleicht wagte sie es nicht, sich mit Elizabeth anzulegen. Während Robert Dudley, Favorit Elizabeths und Graf von Leicester, puritanische Geistliche im ganzen Königreich untergebrachte, konzentrierte Catherine sich auf Lincolnshire (Harkrider, 115-135).
Viele puritanische Landadelige lebten ihre religiöse Überzeugung im häuslichen Rahmen vor. Andachten, Bibellesungen und eine strenge Lebensführung prägten ihren Tagesablauf. Darüber hinaus versorgte Catherine die Kirchen, wo sie Patronatsrecht hatte, mit an der Universität ausgebildeten Pastoren. Die wichtigste Anforderung an einen puritanischen Pastor war die Predigt – die früheren katholischen Priester waren ja vor allem Messpriester und Sakramentsverwalter gewesen. In London war der Bischof vorsichtig bei der Berufung von Puritanern; um 1565 herum entbrannte ein Streit mit diesen Pastoren, weil sie sich weigerten, Messgewändern zu tragen. Einige wenige Kirchen waren frühere Klosterkirchen und standen somit nicht unter der Aufsicht des Bischofs. Catherine Bertie besaß in London das alte Klarissenkloster The Minories und in der dazugehörigen Kirche Holy Trinity ließ sie ihre Kaplane predigen. Diese Gottesdienste wurden von den Puritanern in London besucht (Collinson 1967, 50, 68, 86, Collinson 1983, 259f, Bainton 275f).
Die puritanische Überzeugung der Herzogin minderte nicht ihren Ehrgeiz für ihre Familie. Sie hatte ja noch Zugang zum Hofe durch Cecil, später Lord Burghley. Zuerst versuchte sie Richard Bertie zu Baron Willoughby de Eresby ernennen zu lassen. Das gelang nicht. Dann wollte sie ihrem Schwiegersohn den Titel des Grafen von Kent zuerkennen. Damit hatte sie Erfolg: zwar lebte der Schwiegersohn nicht lange, aber die Tochter Susan wurde Gräfin. Schließlich wurde ihr Sohn Peregrine Baron Willoughby de Eresby.
1550 hatte der Herzog von Somerset ihr vorgeschlagen, seine Tochter mit ihrem ältesten Sohn, Henry Brandon, zu vermählen. Es war ein ehrenvolles Angebot, aber sie schlug es aus mit der Begründung, die jungen Menschen sollten abwarten, ob sie sich lieben könnten (Bainton, 255f). Als Peregrine dagegen im heiratsfähigen Alter war, verliebte er sich in Lady Mary de Vere. Diese Ehe passte nun der Herzogin gar nicht. Die Familie de Vere neigte eher dem Katholizismus zu („…our religions agree not“ Goff 309) und der Bruder Marys, der Graf von Oxford, hatte seine Frau, die Tochter Cecils, sehr schlecht behandelt. Wie dem auch sei, die Herzogin verbrachte ihre letzten Jahren in Klagen über ihre missratenen Kinder und Schwiegertochter. Erst als Catherine Bertie 1580 starb, wurde die Ehe Peregrines anscheinend glücklicher. Er und seine Frau bekamen sieben Kinder und er leistete erfolgreich Militärdienst für Elizabeth. Susan heiratete 1581 in zweiter Ehe einen Offizier, Sir John Wingfield, der für seine Tapferkeit bekannt war.
In Spilsbys Kirche steht ein imposantes Grabmal für Catherine und Richard Bertie mit Büsten von ihnen und biblischen Texten. Die Inschrift lautet: „Sepulchrum D. Ricardi Bertie et Catherinae Ducissae Suffolkiae, Baronissae de Willoby de Eresby, coniug. ista obiit XIX Septemb. 1580. Ille obiit IX Aprilis, 1582“: Das Grab von Herrn Richard Bertie und von Catherine, Herzogin von Suffolk, Baroness de Willoughby de Eresby, seine Gattin. Sie starb am 19. September 1580. Er starb am 9 April 1582.
5. Würdigung
Das Leben der Catherine Willoughby/Brandon/Bertie war von ihrer hohen Abstammung und großem Reichtum bestimmt. Als Witwe behielt sie den Titel ihres ersten Gemahls und war lebenslänglich als die Herzogin von Suffolk bekannt. Nach dem Tod Heinrichs VIII. spielte sie eine herausragende Rolle in der Regierungszeit Edwards V, war eine Vollstreckerin der königlichen Anordnungen und pflegte wichtige Freundschaften (nur mit Wibrandis Rosenblatt haperte es mit der Freundschafft!).
Sie nahm sich das Recht heraus, aus Liebe zu heiraten. Der jakobitische Bühnenautor John Webster schrieb seine etwas blutrünstige Tragödie „The Duchess of Malfi“ über dieses Thema: eine junge Frau, die trotz ihrem hohen Stand es wagt, ihr Liebesglück nachzustreben.
Catherine Bertie wurde in „The Book of Martyrs” von John Foxe aufgenommen, nicht weil sie auf dem Scheiterhaufen landete, sondern weil sie als Flüchtling Zeugnis ihres Glaubens ablegte. Die Quelle für John Foxe ist zweifelsohne Richard Bertie, der Episoden erzählte, in welcher er selbst eine vorteilhafte Rolle spielte. Bertie diente der Herzogin treu und ergeben. Er blieb nicht ohne Kritik. Goff berichtet (S.215), dass auf seinem Porträt auf Grimsthorpe jemand geschrieben hat: „Cendre Bien delguise Toutefois Cendre“: Selbst gut verkleidet bleibt Asche nur Asche. Das war Richard Bertie gegenüber sehr unfreundlich. Die Rechnungen für das Gut Grimsthorpe zeigen, dass er im feinsten Zwirn gekleidet war (Read 149f).
Die Zeit auf der Flucht war von viel Hilfe geprägt. Der Pastor Perussel, die früheren Bischöfe Coverdale und Barlow, die Pfalzgrafen, Johannes a Lasco und Fürst Radziwill – alle halfen sie der Herzogin und ihrer Familie. Gewissermaßen war sie immer von einer schützenden Hülle umgeben. Die Zeitgenossen bewunderten ihren Mut und Bereitschaft, England für ihren Glauben zu verlassen und in fremden Ländern zu leben.
Trotz aller Frömmigkeit verdarb sie sich ihre letzten Jahre mit ihrem Familienzwist. Sie war nie umgänglich gewesen, ihre „heats“ (= hysterische Anfälle) waren berüchtigt und gefürchtet, und sie kränkte nicht nur Stephen Gardiner. Andererseits blieben Bedienstete bei ihr über Generationen hinweg und ihre Briefe an Cecil zeigen eine sehr charmante Frau.
6. Die Herzogin von Suffolk in der Kunst
Das Schicksal der Herzogin inspirierte Dichter und Regiseure: Thomas Deloney (1543-1600) schrieb eine Ballade: „The most Rare and Excellent history of the Dutchess of Suffolk and her Husband Richard Berties Calamities”.
1624 verfasste Thomas Drue (Drew) ein Schauspiel: „The Life of the Duchess of Suffolk“. Es ist abgedruckt in Goff und von mäßigem Interesse.
John Webster´s oben erwähnte Tragödie: „The Duchess of Malfi“ ist von ihr inspiriert, ohne auf historische Fakten Rücksicht zu nehmen.
In der Fernsehserie „The Tudors“ wird sie Catherine Brooke genannt. Nicht nur was den Namen anbelangt hat die Figur mit der historischen Catherine Willoughby nichts gemeinsam. Auch die erste Ehe von Charles Brandon mit Mary Tudor hat mit historischen Tatsachen wenig zu tun.
Die historische Wirklichkeit ist genauso spannend.
Anhang:
Originaltext von Latimer´s Sermons, Widmung von 1562:
„I have set forth these sermons, made by this holy man of God (scil. Latimer), and dedicated them to your Grace, partly because they were preached in your Grace´s house at Grimsthorpe by this reverend father and faithful prophet of God, whom you did nourish, and whose doctrine you did most faithfully embrace, to the praise of God and unspeakable comfort of all Godly hearts, the which did, with great admiration, marvel at the excellent gifts of God, bestowed upon your Grace, in giving unto you such a princely spirit, by whose power and virtue, you were able to overcome the world, to forsake your possessions, lands and goods, your worldly friends and native country, your high estate and estimation with which you were adorned and to become an exile for Christ and his Gospel´s sake; to choose rather to suffer adversity with the people of God than to enjoy the pleasures of the world with a wicked conscience, esteeming the rebukes of Christ greater riches than the treasures of England, whereas the worldings are far otherwise minded; for they have their pleasures among the pots of Egypt, they eat, drink and make merry, not caring what became of Christ, or his Gospel; they be so drunken with the sweet delicates of this miserable world that they will not taste of the bitter morsels, which the Lord has appointed and prepared for His chosen children and especial friends. Of the which he did make you most graciously to taste, giving unto your Grace His spirit that you were able in all the turmoils and grievances the which you did receive, not only at the hands of those who were your professed enemies but also at the hands of them who professed friendship and good-will but secretly wrought sorrow and mischief; to be quiet and patient and in the end, brought your Grace home again to your native country, no doubt to no other end but that you should be a comfort to the comfortless and an instrument by which His Holy name should be praised and his Gospel propagated and spread abroad: to the glory of His Holy name and your eternal comfort in Christ Jesus, into whose merciful hands I commit your Grace with all yours eternally.” (Goff, 238f)
Latimer´s Sermons, Widmung von 1578: „Unto some, the self same most gracious God gave such a valiant spirit that they were able, by His Grace, to forsake the pleasures & commodities of this world, & being armed with patience, were content to travel into far & unknown countries, with their families & households, having small worldly provision, or none at all, but trusting in His providence, who never forsake them that trust in Him.” (Goff, 317)
Literatur:
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Bertold Klappert: Die Rezeption der Theologie Calvins in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik (I)
Einige vorläufige Überlegungen zu Barth als Schüler Calvins
I Der historische Calvin – der lebendige Calvin. Gemeinsamkeiten zwischen Calvin und Barth
1. Calvin und Barth als gesamtbiblische Theologen
2. Calvin und Barth als Schüler Martin Luthers
3. Calvin und Barth als ökumenische Theologen
II Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis
Der the-anthropologische Erkenntnisweg der Institutio und der Kirchlichen Dogmatik
1. Die Erkenntnis Gottes und des Menschen (Inst I,1)
2. Das Problem der natürlichen Theologie bei Calvin (Inst 1,3–5)
3. Christus, das eine Licht und die Lichter (KD IV/3)
III Doppelte Prädestination oder Gnadenwahl. Barths kritische Rezeption der Erwählungslehre Calvins
1. Die Erwählung der Gemeinde zur Heiligung (Calvins Intention)
2. Absolute Allmacht und doppelte Prädestination (Barths Kritik)
3. Die Erwählungslehre als die Summe der Versöhnungslehre (Barths Neuansatz)
IV Epilog: Der historische Calvin ist der lebendige Calvin
Bertold Klappert, Die Rezeption der Theologie Calvins in Karl Barths Kirchlicher Dogmatik. PDF
In seiner Einleitung zur Calvin-Vorlesung und seiner Meditation über die von Calvin zitierte Cicero-Sentenz aus dem Altertum "Historia vitae magistra"(1), die Geschichte ist die Lehrerin des Lebens, sagt Barth: "Der historische Calvin ist der lebendige Calvin [...] Ein noch so pietätvoller und getreuer Nachredner Calvins ist darum noch [...] kein von Calvin wirklich Belehrter. Unsere Belehrung durch Calvin muss sich vielmehr in der Weise vollziehen, dass Calvin mit uns ein Gespräch führt, er als Lehrer, wir als die Schüler, [...] ein Gespräch also, das möglicherweise damit endigt, dass wir als Belehrte nachher etwas ganz Anderes sagen, als was Calvin gesagt hat, und was wir darum doch von ihm oder besser: durch ihn gelernt haben. Magistra und darum historia wird die Lehre Calvins erst dadurch, dass durch sie ein eigenes, selbständiges [...] Wissen in uns erweckt wird"(2).
Nicht um ein historistisches bloßes Wiederholen und Nachsagen geht es Barth also, sondern um ein Gespräch zwischen dem Lehrer und Schüler, in dessen Verlauf der Schüler zum selber die Quelle der Theologie Calvins Findenden, zum selber auf die Schrift Hörenden wird. War doch die conversio ad docilitatem für Calvin selber die Umkehr bzw. Umkehrung zu einem hörbereiten Lernen und lernbereiten Hören auf die Schrift(3).
I. Der historische Calvin – der lebendige Calvin. Gemeinsamkeiten zwischen Calvin und Barth
Diese Schülerschaft Barths gegenüber Calvin soll in Teil I zunächst an einigen mehr allgemeinen Punkten der Gemeinsamkeit zwischen Johannes Calvin und Karl Barth beschrieben werden:
1. Calvin und Barth als gesamtbiblische Theologen
Calvins Theologie ist eine Institutio, d.h. eine Unterweisung in eine gesamtbiblische Theologie. In seiner Vorlesung von 1922 sagt Barth über die Institutio als Einübung im Christentum, als erleuchtende und bezwingende Darlegung der christlichen Wahrheit: "Die Norm, an der sich die calvinische Theologie zu ihrer Rechtfertigung misst", liegt nicht apologetisch außerhalb ihrer selbst, "liegt vielmehr in ihr selber, sie ist [...] die Heilige Schrift"(4). Und zwar die Schrift in ihrem alt- wie neutestamentlichen Zeugnis und Kanon, den Calvin wiederum so gewichtet: Die Propheten sind die Ausleger des Mose, und die Apostel sind die Ausleger der Evangelisten. "Man hat vom Judaismus Calvins geredet, weil er den wesentlichen Zusammenhang von Altem und Neuem Testament nicht fallen lassen wollte, vielmehr [...] ihre Einheit behauptete"(5).
Dabei versteht Calvin die differenzierte Einheit des Alten und des Neuen Testaments in der einen Bibel präzis so, dass er – ganz unprotestantisch – die Propheten nicht als Überbieter, sondern als Ausleger und Interpreten der Tora des Mose und entsprechend die Apostel als Ausleger der Evangelisten versteht (Inst IV 8,6).
Barth war auf der Synode in Reformiert-Barmen vom 3./4. Januar 1934 von Calvin belehrt, als er in der These 5 die Intention der gesamtbiblischen Theologie Calvins wie folgt zusammenfasste: "Die Kirche hört das ein für allemal gesprochene Wort Gottes [...] in dem doppelten, aber einheitlichen und in seinen beiden Bestandteilen sich gegenseitig bedingenden Zeugnis des Alten und des Neuen Testamentes, d.h. in dem Zeugnis des Mose und der Propheten von dem kommenden, und in dem Zeugnis der Evangelisten und Apostel von dem gekommenen Jesus Christus"(6).
Barth erläutert diese These in der Schülerschaft zu Calvin: "Die Kirche aber hört hier [im ganzen Kanon] nicht Frömmigkeit, sondern Zeugnis von solchen, die das Wort Gottes selbst gehört und gesehen und betastet haben. Das sind miteinander dort Mose und die Propheten, hier die Evangelisten und Apostel. Altes Testament und Neues Testament sind nicht dasselbe [...] Nur in diesen zwei Worten lässt sich sagen, was uns gesagt sein muss vom Kommen des Reiches Gottes (und) dem Geschehen des Willens Gottes an uns und unter uns [...] Eines weist auf das Andere hin und ist durch es bedingt. Wer Eines wegnimmt, nimmt auch das Andere weg"(7).
Zwei Jahre nach Reformiert-Barmen hat Barth diese gesamtbiblische Schülerschaft gegenüber Calvin aus aktuellem Anlass der Calvin-Feier 1936, dem 400. Jahrestag der Institutio von 1536, wiederholt: "Wer ein Schüler Calvins wird, der wird ein Schüler der heiligen Schrift. Wir danken es ihm, dass [...] er uns eine theologische Existenz vorgelebt hat, die wie selten eine die eines Lesers und Erklärers der heiligen Schrift gewesen ist, der in ihr nicht seine eigenen, sondern Gottes Gedanken gesucht und gefunden hat." Nicht an die Ergebnisse der Auslegung Calvins sind wir gebunden. "Wir sind aber durch seine Auslegung gefragt, ob wir in gleicher Weise wie er an die heilige Schrift gebunden sind"(8).
Im gleichen Jahr hat der Bruder von Karl Barth, Peter Barth, in der Festschrift für Karl Barth zum 50. Geburtstag die Institutio Calvins als "Einführung in die Schrift" bezeichnet: "Sie will eine Anleitung sein zum aufmerksamen, disziplinierten Hören auf das Zeugnis der Schrift in seiner ganzen bewegten Vielgestaltigkeit und dennoch verborgenen Einheit." Und dann fügte er im Vergleich mit den Summen der Scholastiker hinzu: "Darum muss sich Calvins systematisches Hauptwerk gegenüber den Summen eines Alexander und eines Thomas ausnehmen wie ein Bündel lose aneinander gereihter Traktate"(9).
Hans-Joachim Kraus und Brevard Childs haben Calvins gesamtbiblische Theologie als eine noch vor uns liegende künftige Aufgabe gewürdigt(10). Hier liege bei Calvin ein gesamtbiblisches Fragen und Theologisieren vor, das nicht nur nach dem canonical approach im Blick auf das Alte Testament, sondern im Blick auf beide Testamente fragt: eben im Blick auf das sich wechselseitig bedingende Zeugnis des Mose und der ihn auslegenden Propheten, der Evangelisten und der sie auslegenden Apostel.
Besonders Brevard Childs hat in seinem jüngsten gesamtbiblischen Entwurf zum Alten und Neuen Testament, "Biblical Theology of the Old und New Testament" (1992), gesagt, dass die Implikationen des calvinischen Verständnisses des Zusammenhangs zwischen Exegese und Theologie sehr tief sind und zugleich eine Befragung und Infragestellung moderner Annahmen über die Aufgabe einer gesamtbiblischen Theologie darstellen(11).
Noch der späte Barth hat in seiner "Einführung in die evangelische Theologie" (1962), 40 Jahre nach seiner Calvin-Vorlesung, die Realisierung einer gesamtbiblischen Theologie und ihrer Methode als einen Weg umschrieben, der mehr dem Umwandern eines Gebirges als einem von oben her erfolgenden systematisierenden Zugriff vergleichbar ist: In der Schule der gesamtbiblischen Zeugen "kommt die Theologie unvermeidlich ins Wandern: vom Alten zum Neuen Testament und wieder zurück [...] Die Arbeit der Theologie wird in dieser Hinsicht mit dem unermüdlichen Umschreiten eines und desselben, aber faktisch in verschiedenster Gestalt existierenden und sich darstellenden hohen Berges zu vergleichen sein"(12).
2. Calvin und Barth als Schüler Martin Luthers
Der historische Calvin ist der lebendige Calvin. Barth entfaltet die Theologie Calvins nicht abstrakt, nicht zeitlos-systematisch, sondern im Wechselspiel von Biographie und Theologie: "Calvin als Mensch und Theologe"(13). So möchte Barth in seiner Calvin-Vorlesung "zunächst Calvins Leben und Persönlichkeit, dann in drei kürzeren Kapiteln Calvins Predigt, Exegese und Polemik, endlich in einem [...] Hauptkapitel Calvins theologisches System [besser: Werk] im Anschluss an seine Institutio" behandeln(14). Das alles ist nur teilweise zur Ausführung gelangt(15). Wichtig nicht nur für das Verständnis Calvins, sondern auch für die Interpretation des Gesamtwerkes der Kirchlichen Dogmatik Barths selber(16), ist aber die folgende Bemerkung: "Ich halte nämlich dafür, dass man sich den Weg zum Verständnis der Institutio erst bahnen muss dadurch, dass man sich ein Bild macht davon, was Calvin gesagt hat, wenn er ex tempore zur Gemeinde redete, wenn er ohne direkte Absicht die Bibel las und auslegte, wenn er sich, jetzt auf dieser, jetzt auf jener Front kämpfend, mit seinen Gegnern auseinandersetzte"(17).
Dem Verständnis der Institutio als Entwurf einer gesamtbiblischen Theologie entspricht also das Verständnis der Institutio unter Voraussetzung und im Kontext von Calvins Predigten, seiner exegetischen Kommentare, seiner Briefe und seiner öffentlich-polemischen Stellungnahmen.
Diesem kontextuellen Verstehen der Theologie Calvins und seiner Institutio entspricht auch, dass Barth Calvins und Luthers Theologien nicht abstrakt und konfessionalistisch vergleicht, sondern Calvin, den Reformator der zweiten Generation, als Schüler Luthers versteht, der auf den Schultern Luthers steht, den Calvin verehrt und dessen Theologie er in die seinige sorgfältig aufgenommen hat: "Ein guter Reformierter muss seine Sache immer damit anfangen, dass er Luthers einzigartige Stellung in der Reformation glatt anerkennt und von Luther sich auch dadurch nicht abdrängen lässt [...], dass er sich, den Winken Calvins folgend, genötigt sieht, einen Schritt über Luther hinaus zu tun, sondern, indem er das ganz bewusst tut, immer wieder auf Luthers Ansatz zurückkommt. Wir unterscheiden uns u.a. dadurch von den Lutheranern, dass wir als die Schüler von Luthers getreuestem Schüler auf Luther so wenig etwas kommen lassen wie sie selber, während sie zur Stützung des Ansehens ihres Mannes ohne offene oder heimliche Polemik gegen [Calvin] nie ganz auskommen"(18).
Deshalb ist das Verständnis der Theologie Luthers nach Barth eine der wichtigsten Voraussetzungen zum Verständnis der Theologie Calvins. Darum hat Barth seiner Calvin-Interpretation eine ausführliche Darstellung und Würdigung der Theologie Luthers vorangestellt, insbesondere in der Gestalt der Disputatio contra Scholasticam theologiam Luthers von 1517 und der Heidelberger Thesen Luthers zur theologia crucis von 1518(19). Gerade Luthers darin entfaltete berühmte These 20 von der indirekten Erkenntnis Gottes im Spiegel der Leiden und des Kreuzes Christi(20) ist von Barth nicht nur in seiner Gotteslehre (KD II/1), sondern nicht zuletzt in der Kreuzestheologie seiner Versöhnungslehre (KD IV/1) umfassend entfaltet worden: Hier folgt Barth Calvins Satz "Gott ist gewiss nicht leidensfähig" nicht(21). Sondern er folgt hier Luther: Gott kann das! Gott entspricht das! Gott muss im Kreuz nicht seine Gottheit, wie Calvin anders als Luther sagen kann, zurückhalten, sondern Gott ist sogar des Leidens und des Kreuzes, der Erniedrigung und der tiefsten Entäußerung fähig. Noch präziser: gerade in dieser Tiefe des Kreuzes und des Leidens zeigt Gott seine wahre Gottheit. So ist es nur konsequent, dass Barth die Regel aller Gotteserkenntnis im Anschluss an Luthers "Generalregel aller Gotteserkenntnis" formuliert hat: das Leiden des Gekreuzigten ist der Spiegel der Gottheit Gottes. Oder in seiner Schrift "Die Menschlichkeit Gottes": Jesus Christus, gerade auch in seinem Leiden und Kreuz, ist "der Spiegel des väterlichen Herzens Gottes".
Was aber Barth von Calvin mit Recht sagt, gilt auch von ihm selber: Man kann Calvin, man kann aber auch Barth ohne Luther nicht verstehen. Wie Calvin ein Schüler Luthers, so ist Barth als ein Schüler Calvins zugleich ein Schüler Luthers.
Barths Dictum gegenüber dem Fangmeier-Seminar vom 1.7.1968: "Wenn man mich überhaupt mit einem Reformator in Beziehung setzen sollte, so wäre es noch am ehesten Johannes Calvin", ist also immer inklusiv, d.h. Luther einschließend, zu verstehen(23).
Dabei scheint mir die Schülerschaft Barths gegenüber Calvin noch lange nicht ausgeschöpft zu sein: Das im 1. Römerbrief Barths (1919) immer wieder festgestellte organologische Denken(24) ist m.E. Einfluss von Calvins Kommentar zum Römerbrief von 1539 zur Christusgemeinschaft(25). Barths Kommentar zum 1. Korintherbrief vom Sommersemester 1923, ein Jahr nach seiner Calvin-Vorlesung, schließt an Calvins reformatorische Erstlingsschrift, die Psychopannychia (1534), und Barths glänzende Interpretation dieser Schrift(26) an. Und zwar unter demselben Thema und mit demselben theologischen Interesse: nämlich der Verklammerung von Eschatologie und Ethik(27). Nicht zufällig erscheint als Vorwort zu Barths 1. Korintherbrief-Vorlesung ein Calvin-Zitat vom Wandern und Tätigsein im Vorletzten in der Hoffnung auf das Letzte(28).
3. Calvin und Barth als ökumenische Theologen
Der historische Calvin ist der ökumenische Calvin. Neben der gemeinsamen gesamtbiblischen Orientierung von Calvin und Barth, neben der Kontextualität ihrer Theologien und ihrer gemeinsamen Schülerschaft gegenüber Luther nenne ich als drittes Moment der Gemeinsamkeit zwischen Barth und Calvin und also als drittes Moment der Schülerschaft Barths gegenüber Calvin die Ökumene(29).
Barth hat 1922 Calvin historisch als Teilnehmer der damaligen evangelisch-katholisch-ökumenischen Versuche gewürdigt(30) und systematisch Calvins integrative Kraft im Hinblick auf die Anliegen der anderen Reformatoren dargestellt(31).
Barth selbst hat – wie Visser't Hooft 1966 formuliert hat – nicht nur während der Zeit des Nationalsozialismus in den 30er und 40er Jahren aus Bonn, Barmen und Basel seine ökumenische Stimme erhoben, sondern ist auch seit Amsterdam 1948, d.h. seit seiner Teilnahme an der dortigen Weltversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen, zu einem ökumenischen Consultant geworden(32), wie sein großer kirchengeschichtlicher Exkurs in KD IV/3 zeigt: Die ökumenische Bewegung sei Zeichen des fälligen Aufbruchs der christlichen Gemeinde aus den konstantinischen Bindungen des corpus Christianum in die Welt – und zwar in Entsprechung zu der universalen Prophetie Jesu Christi extra muros ecclesiae und ihres Weges zur Welt, zur ganzen Menschheit, ja zur ganzen Schöpfung(33).
In seiner Ansprache vor der Sonderversammlung der reformierten Kirchen sagte Barth in Amsterdam: "Wir haben als Reformierte einen großen theologischen Lehrer: Johannes Calvin. Calvinisches Denken war aber ein ausgesprochen komprehensives [...] Denken. Als Schüler dieses Meisters sind wir aufgefordert, im Verhältnis zu anderen 'Kirchen', ihrer Überlieferung und Botschaft, auf alle Fälle aufmerksam und aufgeschlossen zu sein. Es entspricht unserer von Calvin her bestimmten Art, wenn wir uns hier in Amsterdam fragen, wo wir übereinstimmen und wo wir nicht übereinstimmen [...] Calvinisches Denken gibt uns eine Spielregel theologischer Kunst, die uns befähigen muss, gerade auf theologischem Feld echte ökumenische Arbeit zu leisten"(34).
Sowohl in der bedeutenden katholischen Calvin-Forschung bis zu Alexandre Ganozcy(35) als auch bei Barths Besuch im Vatikan vom 22. bis 29. September 1966(36) zeigt sich die ökumenische Dimension der Theologie Calvins lebendig und wirksam: Der historische Calvin ist als der lebendige immer auch der ökumenische Calvin.
Barth versteht, wie er 1959 in seinem ökumenischen Exkurs ausgeführt hat, die Einigung der Kirchen nicht als Selbstzweck, sondern als Parallele zu der auf die Welt ausgreifenden Prophetie Jesu Christi, d.h. "teleologisch-dynamisch: in der Einheit von Jesus Christus her als Einigung für ihn, nämlich für die Bezeugung seines Werkes in der Welt und für die Welt"(37).
Dass dieses ökumenische Einigungswerk im 20. Jahrhundert – über die Einsichten Calvins hinaus – in der neuen Begegnung mit dem Judentum fundiert und in der ökumenischen Verantwortung der Gemeinde für die Welt zu sehen ist, das hat Barth in KD IV/3 in Auslegung der universalen Prophetie Jesu Christi umfassend entfaltet: KD IV/3 ist dabei im Überschritt über Calvin hinaus zugleich ein großer Kommentar zu Calvins Auslegung der Christus-Gemeinschaft im Buch III der Institutio.
Jedoch ist diese notwendige ökumenische Verantwortung für die Welt zuerst mit Calvin zu vollziehen, wie Barth in Amsterdam ebenfalls ausführte. Zum Hauptthema der ökumenischen Konferenz von 1948 "Gottes Heilsplan und die Unordnung der Welt" sagte Barth: "In der rechten [also umgekehrten!] Reihenfolge [‚Die Unordnung der Welt und Gottes Heilsplan’] verstanden, ist dieses Thema doch ein echt reformiertes Thema. Seine Absicht entspricht der von [...] Calvin so nachdrücklich betonten Zusammengehörigkeit von Rechtfertigung und Heiligung, von Glaube und Werk, von Christengemeinde und Bürgergemeinde, von Kirche und Staat. Dieses 'und' ist höchst reformiert! Gott will keine der Welt gegenüber isolierte Kirche. Er ruft sie gerade nach dieser Seite zum Dienst und in die Verantwortung. Das ist ein Grundpfeiler unseres reformierten Denkens [...] Wir sind [...] als Kinder Gottes berufen, mitten in seiner sehr unvollkommenen Welt rastlos und tapfer seine Zeugen zu sein"(38).
Barth hatte 1968, ein halbes Jahr vor seinem Tode, in Basel zu Studierenden der Kirchlichen Hochschule Wuppertal gesagt: "Wenn man mich überhaupt mit einem Reformator in Beziehung setzen sollte, so wäre es noch am ehesten Johannes Calvin." Und er fügte dann hinzu: "Freilich mit sieben oder acht Abweichungen"(39).
Eine Dimension dieser Beziehung Barths zu Calvin und zugleich eine Abweichung als Zeichen seiner echten Schülerschaft gegenüber Calvin möchte ich im folgenden Teil II und Teil III vorstellen. Dabei greife ich auf Vorarbeiten zurück, die in diesem Vergleich Calvin-Barth bereits von O. Weber, W. Kreck, H.-J. Kraus, u.a. veröffentlicht worden sind, wenn auch zu anderen Punkten und mit anderer Akzentuierung(40).
II. Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis. Der the-anthropologische Erkenntnisweg der Institutio und der Kirchlichen Dogmatik
1. Die Erkenntnis Gottes und des Menschen (Inst I,1)
Wird der berühmte the-anthropologische Einsatz Calvins in der Institutio I,1 von der Calvin-Forschung – entsprechend dem Augustinischen "Deum et animam scire cupio. Noverim te, noverim me" aus den Soliloquien – aus der augustinisch-platonischen Tradition abgeleitet, so hat Calvin, Barth zufolge, die Anregung dazu von Zwinglis Commentarius de vera et falsa religione erhalten. Im Unterschied zu Zwingli hat dann aber Calvin "das Ganze, die summa der doctrina, tatsächlich unter diesen doppelten Gesichtspunkt", der Gottes- und Selbsterkenntnis, gestellt. "Es verhält sich also so, dass der Gebrauch dieser Formel bezeichnender ist für den, der sie übernommen, als für den, der sie ursprünglich gebildet hat"(41). Der ganze Aufriss der Institutio ist nach Barth von diesem methodischen Doppelrhythmus her zu verstehen: "Man kann und man muss sogar bei Calvin durchlaufend dieses Doppelte bedenken, dass von Gott und vom Menschen die Rede ist; es ist diese Synthese, die [...] alle Thesen und Antithesen seiner Theologie [...] aus sich entlässt, auf die sie, recht verstanden, alle zurückweisen wollen(42).
Institutio I,1 ist der Test auf diese These Barths(43). Die platonisierenden Ausführungen – ohne Selbsterkenntnis keine Gotteserkenntnis und ohne Gotteserkenntnis keine wahrhafte Selbsterkenntnis – und die korrelativen Aussagen über die Selbst- und Gotteserkenntnis (Institutio I 1,1f) werden in der Einleitung sofort auf die biblischen Gotteserfahrungen hin geöffnet: Wir müssen sterben, denn wir haben den NAMEN, Gott, gesehen. Solche biblischen Gottesbegegnungen von Manoah über Jesaja bis hin zu Ezechiels Schau der Herrlichkeit Gottes kulminieren bei Calvin in der Hiob-Erfahrung, derzufolge angesichts von Gottes Weisheit, Macht und Reinheit des Menschen Torheit, Machtlosigkeit und Unreinheit offenbar werden. Die platonisierenden Ausführungen aus Inst I 1,1–2 entsprechen also den normativen Epiphanie-Erfahrungen biblischer Menschen: "Wenn Gott seine Herrlichkeit in voller Nähe offenbart, dann versinkt auch das sonst Leuchtende in Finsternis" (Inst I,1,3).
Calvins Fazit am Ende seines Eingangsabschnittes über Selbst- und Gotteserkenntnis lautet: "Gottes- und Selbsterkenntnis sind fest miteinander verknüpft. Aber die rechte Ordnung in der Lehre verlangt, dass wir zunächst (priore loco) die Gotteserkenntnis und dann (postea) die Selbsterkenntnis behandeln" (Inst I,1,3).
Barth interpretiert diese Einleitung der Institutio im Jahre 1922 zurecht so: "Überblicken wir nun, was Calvin gleich auf den ersten Seiten seiner Institutio von 1536 über Gott einerseits und den Menschen andererseits sagt, so fällt vor Allem Eines auf: er rückt Gott, soweit das möglich ist, sofort in das Licht einer vollen, genugsamen Erkenntnis vom Menschen aus, und er redet vom Menschen sofort so, dass man merkt: das ist der von Gott aus eingesehene und erkannte Mensch"(44).
Dieses existentielle Denken des Theologen Calvin aus dem unverbrüchlichen Zusammenhang der Gottes- und Selbsterkenntnis heraus mit seinem unumkehrbaren Zirkel und Sachgefälle von der Gotteserkenntnis zur Selbsterkenntnis des Menschen hin hat Barth nicht nur als den durchgehenden methodischen Doppelschritt und Doppelaspekt der ganzen Institutio erkannt. Sondern er hat dieses Gefälle, dieses Prius der Gotteserkenntnis vor der Selbsterkenntnis – ihrer durchgehenden Korrelation unbeschadet – auch gegenüber R. Bultmann und F. Gogarten(45) in seinem ersten Band der Prolegomena von 1932 in ausführlicher Berufung auf Luther und Calvin entfaltet und festgehalten(46).
Barth zitiert in KD I/1 §5 die entscheidenden Sätze des anthropologischen Programms Gogartens, demzufolge es zwischen der Selbsterkenntnis des Menschen und der Gotteserkenntnis einen Zirkel gibt: "Es gibt kein Verständnis des Menschen ohne das Verständnis Gottes, aber [...] diesen Gott kann ich wiederum nicht verstehen, ohne schon den Menschen zu verstehen"(47). Barth folgert aus Calvins theologisch-methodischem Grundsatz in Institutio I,1: "Würde Gogarten im letzten Satz 'auch' den Menschen statt 'schon' den Menschen geschrieben haben, so wäre nichts dagegen einzuwenden. Der Gedanke wäre dann der: "Verständnis des Menschen hat Verständnis Gottes zur Voraussetzung; Verständnis Gottes schließt aber auch immer Verständnis des Menschen in sich"(48). Die methodische Doppelbewegung von Institutio I,1 wird hier sofort deutlich.
Barths Ablehnung des Vorverständnisses bei Bultmann und Gogarten zugunsten des Ausgangs vom NAMEN Gottes in seiner Offenbarung und also zugunsten der Unumkehrbarkeit von Gottes- und Selbsterkenntnis in ihrer Zirkelstruktur und in ihrem Sachgefälle ist also Auslegung und Aktualisierung von Calvins Verhältnisbestimmung von Gottes- und Selbsterkenntnis, ihrer Relation (nexus) und ihres Begründungsgefälles.
2. Das Problem der natürlichen Theologie bei Calvin (Inst I,3–5)
Gotteserkenntnis schließt also immer auch Selbsterkenntnis ein, und Selbsterkenntnis setzt immer schon Gotteserkenntnis voraus. Barth will sich mit diesem offenbarungstheologischen Verständnis von Institutio I,1 gegen ein Missverständnis der berühmten Einleitungskapitel Institutio I,1–5 abgrenzen, wie es schon bei R. Seeberg, später aber besonders bei E. Brunner(49) und P. Althaus vertreten worden ist: Calvin, meint Seeberg, habe sein Verständnis von Gott und Mensch nicht an der in der Schrift bezeugten Offenbarung entwickelt, sondern "er habe in eine allgemeine metaphysisch-philosophische Ansicht christliche Elemente bloß hineingemengt"(50).
P. Althaus rezipiert Calvins Einleitung im Rahmen seiner Lehre von der "Uroffenbarung". Althaus schreibt: "So [urteilt] Calvin zu Eingang seiner Institutio [...] kein waches und tiefes Selbstbewusstsein, das nicht unmittelbar Bewusstsein Gottes würde. Keine Selbsterkenntnis, die nicht notwendig sofort Erkenntnis Gottes würde. Wer seiner selbst innewird, der wir eben damit zugleich Gottes inne –, er wäre sonst seiner selbst, seines Menschseins nicht im Ernste inne. Wir haben es mit Gott zu tun, wenn wir es mit uns selber zu tun haben"(51).
Demgegenüber heißt es 1922 bei Barth im Blick auf den Doppelaspekt von Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis als the-anthropologisches Ordnungs- und Strukturprinzip der ganzen Institutio: "Auf beiden Seiten [der Gottes- und Selbsterkenntnis] keine Spur von Zurückhaltung, die etwa darauf hinweisen würde, dass hier nur eine vorläufige, eine untere Stufe von Erkenntnis, eine natürliche Theologie oder Anthropologie etwa vorgetragen werden sollte"(52).
Was eine Analyse der ganzen Einleitung der Institutio von 1536, die Barth 1922 leider nur fragmentarisch vorgelegt hat, erst recht zeigen würde, fasst Barth so zusammen: "Diese ursprüngliche Cognitio [als Gottes- und Selbsterkenntnis] ist eben voll, genugsam, unüberbietbar. Alles, was etwa [von Calvin in der Institutio, auch in Inst I,3–5] weiter noch zu sagen ist, ist nur die Entwicklung, Entfaltung, Ausbreitung und Verdeutlichung dieses Ursprünglichen und das offene Aussprechen, das Beim- Namen-Nennen dieses Ursprünglichen selbst"(53). Das Fazit Barths lautet: "Calvin kennt keinen Stufenunterschied etwa zwischen natürlicher und übernatürlicher Offenbarung, keinen Weg, der von hier nach dort führte"(54).
Wenn Calvin später tatsächlich beide, nämlich die Offenbarung Gottes in Religion, Natur und Geschichte einerseits und die Offenbarung Gottes in der Schrift des Alten und Neuen Testaments andererseits unterscheidet, so ist die erstere, nämlich die Offenbarung Gottes in Religion, Natur und Weltgeschichte, "eigentlich nur die Explikation, man könnte auch sagen: die Aktualisierung" der letzteren, die Offenbarung Gottes in der Schrift, "die Bibel (also) z.B. die Brille, um das Wort Gottes in Natur und Geschichte(55) zu lesen, wie es (Calvin) später ausdrücklich sagen wird"(56). Als antizipierte Barth seine spätere Lichterlehre aus dem Jahre 1959, sagt er schon 1922: "Wenige Gedanken sind Calvin zeitlebens so sehr am Herzen gelegen, wie dieser von der Einheit der biblischen Offenbarung [...] mit dem, was Gott in Natur, Geschichte und Gewissen ohnehin zum Menschen gesagt hat und noch sagt"(57).
Peter Barth, Otto Weber, P. C. Böttger, W. Niesel und Chr. Link sind Barth in dieser Deutung der Eingangskapitel der Institutio gefolgt(58). Auch bei dem katholischen Calvin-Forscher A. Ganoczy lesen wir als einem unverdächtigen Zeugen: "Die Theologen streiten sich darüber, ob sich bei Calvin eine 'natürliche Theologie' findet, ob er eine natürliche Erkenntnis Gottes annimmt". Ganoczy selber antwortet: "Der Reformator (erklärt) selbst ohne Umschweife [...], der gefallene Mensch, d.h. der einzige, der tatsächlich existiert, gelange überhaupt nie zu einer solchen Erkenntnis [...]. Ist auch jegliches Geschaffene wie ein Spiegel, der die unsichtbare Majestät Gottes aufscheinen lässt, so hat unsere Vernunft doch nicht [mehr] das 'Auge', vom Spiegelbild zum Licht vorzudringen. Obwohl Gott in Wahrheit das Notwendige vollbringt, obwohl er sich tatsächlich kundtut in seinen Werken – von der Sünde getrübt, ist unser Erkenntnisvermögen unfähig, ihn darin zu finden. Darum hilft Gott uns so, wie es uns als Blinden zugänglich ist: er offenbart sich uns in seinem Wort und [...] dies weckt in uns schließlich die Glaubenserkenntnis"(59). So weit A. Ganoczy zur Verhältnisbestimmung der Gotteserkenntnis aus Religion, Natur und Geschichte (Inst I,1–5) zur Gotteserkenntnis aus der Schrift (Inst I,6–10).
Einen weiteren Hinweis zur Interpretation der Eingangskapitel der Institutio füge ich hier aus Reformiert-Barmen vom Januar 1934 an. Barths 7. These lautete, wie wir bereits gehört haben: Die Verkündigung der Kirche ist Dienst am Wort Gottes, d.h. Bezeugung des Handelns Gottes in Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift aus Mose und den Propheten, aus Evangelisten und Aposteln und ist nicht Deutung von Geschichte. In der Aussprache zu Barths Thesen in Reformiert-Barmen stellt ein reformierter Pfarrer aus Düsseldorf die Frage: "Warum beginnt Calvin seine Institutio mit der Lehre von der Erkenntnis des Schöpfers. Es gibt nach Calvin eine natürliche Gotteserkenntnis [...] Er weist auf sie hin, um die Unentschuldbarkeit des Menschen [Paulus] aufzudecken". Und Barth antwortet: "Trotz des Angeführten schöpfen beide, Paulus und Calvin, bei der Darlegung des Evangeliums nur aus einer Quelle [...] Den Anwälten der natürlichen Gotteserkenntnis ist zu sagen: macht ihr mal den sauberen Gebrauch von ihr, wie die Reformatoren es getan haben! Unsere [reformierte] Erklärung bedeutet hier eine Verschärfung gegenüber den Reformatoren. Das kann nicht anders sein nach den Erfahrungen der letzten vierhundert Jahre"(60).
3. Christus, das eine Licht und die Lichter (KD IV/3)
Was aber bedeutet die von Barth in Reformiert-Barmen ausgesagte Verschärfung gegenüber den Reformatoren im Themenkreis der natürlichen Theologie? Warum fragt Calvin nun doch nach den Zeichen der Offenbarung Gottes in Religion und Gewissen (sensus divinitatis), in Natur (Makrokosmos) und Geschichte, d.h. in der göttlichen Lenkung der menschlichen Gesellschaften und der Geschicke der Menschheit?
Barth antwortet schon 1922 wie dann ebenso auch später grundlegend: Calvin "tut Christus nicht damit Ehre an, dass er ihn irgendwo abseits auf einen hohen Leuchter stellt und alle anderen Lichter auslöscht, um das eigene Licht triumphieren zu lassen, sondern indem er alle Lichter zum vornherein sieht im Lichte des einen Lichtes"(61).
Der Hinweis muss hier genügen: Barth hat in KD IV/3 § 69,2 eine ausführliche Lehre von Christus als dem einen Licht, das allen Menschen leuchtet, die in diese Welt kommen (Joh 1,9), entwickelt. Von diesem einen Licht Jesu Christi und seinem universalen Leuchten von Ostern und Pfingsten her entfaltet Barth im Jahre 1959 eine Lehre von den Lichtern und Wahrheiten in Geschichte und Schöpfung. Noch dazu das Ganze als Auslegung des Artikels I der Barmer Theologischen Erklärung von Jesus Christus als dem einen Wort Gottes, wie es uns in dem sich wechselseitig bedingenden Zeugnis des Alten Testaments von Mose und den Propheten und des Neuen Testaments von den Evangelisten und Aposteln vorgegeben ist (Leitsatz KD IV/3 69).
Im Unterschied zu einem katholisch-neuprotestantischen Stufenmodell von natürlicher und übernatürlicher Gotteserkenntnis entwickelt Barth hier eine Lehre von den Lichtern der Offenbarung Jesu Christi unter Voraussetzung eines evangelisch-reformatorischen Entsprechungsmodells: Die reformatorische Theologie Luthers und Calvins, zusammengefasst in Barmen Art. I, erscheint nunmehr übersetzt in die Sprache der Weisheit(62), wie auch die Bergpredigt Jesu offen ist für die Übersetzung in die Weisheitssprache der Goldenen Regel (Mt 7,12), wie auch die Bundesgeschichte Israels offen war und ist für die Rezeption der Weisheit unter Voraussetzung des ersten Gebotes und der Furcht vor Gott(63).
In einem Gespräch mit den Vertretern der Evangelischen Brüdergemeinde hat Barth 1961 zu seinem 1934 ausgesprochenen Nein zu Brunners Calvin-Deutung unter dem Leitgedanken der natürlichen Theologie erklärt: "Später holte ich dann die theologia naturalis via Christologie wieder herein. Heute würde meine Kritik lauten: Man muss es nur anders, eben christologisch sagen"(64).
Noch deutlicher äußert sich Barth gegenüber dem Spiegel-Redakteur Rohlinger in einem Interview "Der Rebell Gottes", 1966, aus Anlass seines 80. Geburtstages, zur natürlichen Offenbarung im Unterschied zur natürlichen Theologie: "Gott ist kein toter, sondern der lebendige Gott, wenn wir Ohren hätten zu hören, dann könnten wir ihn beständig hören. Denn die Welt, in der wir leben, ist von ihm geschaffen. Von daher müssten wir offen sein für die Schöpfung, offen für das, was in der Geschichte geschieht. Wenn wir Ohren hätten, würden wir etwas wahrnehmen. Nicht nur in der Bibel, sondern auch sonst"(65).
Zum 400. Todestag Calvins im Jahre 1964 weist Barth erneut auf diesen durchgängigen Doppelaspekt der Theologie Calvins hin: "Die Summe aller Weisheit, so schrieb er (Calvin) gleich am Anfang seines literarischen Hauptwerkes, sei die rechte Erkenntnis Gottes und des Menschen [...] Was wir heute die 'westliche' Welt, Kultur und Zivilisation nennen, wäre ohne sie (die Größe von Calvins Konzeption) undenkbar". Und Barth fügt hinzu: "Welche immer kühne, aber nie trennende oder vermischende Zusammenschau von Gott und Welt [und Mensch]: Ubi cognoscitur Deus, etiam colitur humanitas! 'Wo Gott erkannt wird, da kommt auch die Humanität zu Ehren!' hat Calvin einmal formuliert"(66).
Wo die Menschlichkeit Gottes erkannt wird, da kommt auch die Humanität des Menschen zu Ehren!(67). Barth folgt in seiner Kirchlichen Dogmatik diesem durchgängigen Grundsatz und dieser the-anthropologischen Grundmethode der Theologie Calvins. Barth hat aber die strenge Beachtung dieses Grundsatzes und also den Zusammenhang der Ehre Gottes mit dem Heil und der Humanität des Menschen bei Calvin an einer Stelle schmerzlich vermisst: und zwar im Bereich der Prädestinations- und der mit ihr zusammenhängenden Gotteslehre. Dem gilt der III., diesmal Calvin gegenüber mehr kritische Teil der Rezeption Calvins in der Kirchlichen Dogmatik Karl Barths.
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Anmerkungen:
1 K. BARTH: Die Theologie Calvins, 1922, hrsg. von Hans Scholl, Karl-Barth-Gesamtausgabe, Zürich 1933,1.
2 AaO. 4–6.
3 H. OBERMAN: "Subita conversio". The "conversion" of John Calvin, in: Reformiertes Erbe, FS für G.W. Locher Bd. II, Zürich 1993, 279–295, bes. 286ff.–295, Anm. 295, spricht Oberman zu Recht von der Psychopannychia Calvins von 1534 "as the first post-conversion treatise".
4 K. BARTH: (Anm. 1) 211.
5 AaO. 220.
6 K. BARTH: Erklärung über das rechte Verständnis der reformatorischen Bekenntnisse in der Deutschen Evangelischen Kirche der Gegenwart (1934), in: J. BECKMANN (Hrsg.), Rheinische Bekenntnissynoden im Kirchenkampf, Neukirchen 1975, 34–46.39.
7 Ebd.
8 K. BARTH: Calvinfeier 1936, ThExhH 43/München 1936,4.
9 P. BARTH: Die Erwählungslehre in Calvins Institutio von 1536, in: Theologische Aufsätze, FS K. Barth zum 50. Geburtstag, München 1936, 432–442.432.433. – Zur Loci-Methode und dem Loci-Charakter der Institutio vgl. auch K. BARTHs Ausführungen zur Methode und zum Weg der Theologie: "In ihrer (der Schrift) Schule wird ihr (der Theologie) eigenes Verstehen, Denken und Reden unvermeidlich ein lokales: ausgerichtet auf die lebendige Folge der verschiedenen Loci des göttlichen Werkes und Wortes" (K. BARTH, Einführung in die evangelische Theologie, Zürich 1962, 42).
10 H.-J.KRAUS: Geschichte der historisch-kritischen Erforschung des Alten Testaments, Neukirchen 1982, § 1–4. – B. CHILDS: Biblical Theology of the Old Testament and New Testament, London 1992, 47ff.
11 AaO. 50. – Dabei hat CHILDS mit Recht auf die vorliegenden Arbeiten von D. SCHELLONG: Calvins Auslegung der synoptischen Evangelien, Neukirchen 1969, und auf die Arbeiten von J. PARKER: Calvins New Testament Commentaries, London 1971, und Calvins Old Testament Commentaries, Edinburgh 1986, aufmerksam gemacht.
12 K. BARTH: Einführung (Anm. 9) 42f.
13 K. BARTH: (Anm. 1) 156–171.
14 AaO. 13
15 H. SCHOLL: (Anm 1) XI.
16 B. KLAPPERT: Versöhnung und Befreiung. Versuche, Karl Barth kontextuell zu verstehen, Neukirchen 1994, X.
17 K. BARTH: (Anm. 1) 13, vgl. 156.174f.
18 AaO. 95. – Vgl. die weiter aaO. 159 zitierten Briefe von CALVIN an Bullinger und Farel über sein positives Verhältnis zu Luther. – Vgl. weiter OS V 46 und O. WEBER, Die Treue Gottes in der Geschichte der Kirche, GA II, Neukirchen 1968,33 zu Inst IV,3.4 (Übersetzung von Weber 717): "Ohne Zweifel ist Luther gemeint. Tatsächlich nennt Calvin auch an anderen Stellen Luther einen Apostel". WEBER verweist dafür auf CR 6,250 und 239f. – Vgl. auch DERS., aaO. 63: "Calvins Haltung als des führenden Mannes der innerprotestantischen Union ist oft beachtet worden. Alle kennen seine begeisterten Worte über Luther und dessen einzigartige Stellung". – O. WEBERs Calvin-Interpretation in GA II und in seinen beiden Dogmatik-Bänden (Neukirchen 1955/1962) ist bisher zu wenig beachtet worden.
19 K. BARTH: (Anm. 1) 51ff.55ff.
20 AaO. 58.
21 J. CALVIN: Inst II,14,2 (1559) 300.
22 K. BARTH: KD II/1, Zürich 1940, 18; ders.: Die Menschlichkeit Gottes, Zürich 1956,15; B. KLAPPERT: Gott kann das – Gott entspricht das!, in: (Anm. 16) 185–203.
23 K. BARTH: Gespräch mit Wuppertaler Studierenden des Seminars von J. Fangmeier in Basel am 1.7.1968.
24 P. CHR. BÖTTGER: Calvins Institutio als Erbauungsbuch (1963), Neukirchen 1990. – B. KLAPPERT: (Anm. 16) 329ff. – H. ANZINGER: Glaube und kommunikative Praxis, München 1991.
25 H. SCHOLL: (Anm. 1) VIII: "Sicher ist, dass er [sc. Barth] [...] bei seiner Auslegung des Römerbriefs in dessen erster, 1919 erschienener [...] Fassung Calvins Römerbriefkommentar von 1519 durchgehend zu Rate gezogen hat".
26 K. BARTH: (Anm. 1) 193ff.
27 AaO. 171.
28 K. BARTH: Die Auferstehung der Toten. Eine akademische Vorlesung über 1.Kor 15 (Göttingen, Sommersemester 1923), München 1926. – Das Calvin-Zitat des Vorwortes stammt aus Inst II,9,3.
29 O. WEBER: (Anm. 18) 54f.
30 Calvin war Teilnehmer der innerökumenischen Religionsgespräche in Hagenau (1540), Worms (1540/41) und Regensburg (1541).
31 K. BARTH: (Anm 1) 93ff.
32 B. KLAPPERT: (Anm. 16) 53ff.94f.
33 K. BARTH: KD IV/3, Zürich 1959, 18–40.
34 K. BARTH: Unsere reformierten Kirchen und der Weltrat der Kirchen. Ansprache bei einer Sonderversammlung der Reformierten in Amsterdam am 1.9.1948, in: ThExhNF 15/1949, 11–15.11f.
35 A. GANOCZY: Ecclesia Ministrans. Dienende Kirche und kirchlicher Dienst bei Calvin, Freiburg/Basel/Wien 1968.
36 K. BARTH: Ad Limina Apostolorum, Zürich 1967.
37 K. BARTH: KD IV/3 (Anm. 33) 38.
38 K. BARTH: (Anm. 34) 13.
39 K. BARTH: (Anm. 23).
40 W. KRECK: Johannes Calvin und Karl Barth, in: Kirche, Konfession, Ökumene, FS W. Niesel zum 70. Geburtstag, Neukirchen 1973, 77–84. – H.-J. KRAUS: Rückkehr zu Israel, Neukirchen 1991.189ff, O. WEBER: (Anm. 81).
41 K. BARTH: (Anm. 1) 215.
42 Ebd.
43 In Inst I,1 sagt CALVIN: "Die Erkenntnis Gottes und unsere Selbsterkenntnis [...] hängen vielfältig zusammen; und darum ist es nun doch nicht so einfach zu sagen, welche denn an erster Stelle steht und die andere aus sich heraus entlässt" (Inst I,1,1). Calvin beginnt in Inst I 1,1 mit der via positionis und via negationis der auf Gott verweisenden Selbsterkenntnis des Menschen: Unser Dasein (esse) besteht doch darin, dass wir unseren Bestand (subsistentia) in Gott haben, wie im Bereich der Natur wir durch Rinnsale und Bäche zur Quelle hingeführt werden (via positionis bzw. eminentiae). Umgekehrt verweist alle menschliche Unwissenheit auf die göttliche Weisheit als die Quelle aller Güter und alles Guten (via negationis). Also: Ohne Selbsterkenntnis keine Gotteserkenntnis. Unsere relativen Güter und unser Mangel werden so zum Hinweis auf Gott als fons omnium bonorum. – Aber auch das Umgekehrte gilt (Inst I,1,2): Ohne die Gotteserkenntnis keine wahrhafte Selbsterkenntnis des Menschen: "Wenn der Mensch nicht zuerst Gottes Angesicht anschaut und aus dieser Anschauung (intuitus) heraus dazu übergeht, sich selbst anzusehen", hat er keine Norm und keinen Maßstab, an dem er das Relative seiner selbst an Gott messen könnte.
44 K. BARTH: (Anm. 1) 215.
45 Ebd.
46 R. BULTMANN: Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden (1925), in: GuV I Tübingen 1933, 26–32; FR. GOGARTEN: Karl Barths Dogmatik, Theol. Rundschau 1929, 70f; DERS., Das Problem einer theologischen Anthropologie, in: Zwischen den Zeiten (ZdZ) 1929, 493ff.
47 FR. GOGARTEN: (Anm. 46) ZdZ 1929, 496, zit. bei Barth in KD I/1, Zürich 1932, 132.
48 K. BARTH: KD I/1, Zürich 1932, 132.
49 Zur Auseinandersetzung mit E. BRUNNER vgl. K. BARTH: NEIN! Antwort an Emil Brunner, ThExh 14, München 1934. – P. BARTH: Das Problem der natürlichen Theologie bei Calvin, ThExh 18/1935. – DERS.: Die fünf Einleitungskapitel von Calvins Institutio, in: Kirchenblatt für die reformierte Schweiz 57/1925, 45–47.49–50. – W. KRECK: Grundentscheidungen in Karl Barths Dogmatik, Neukirchen 1978, 199ff.
50 R. SEEBERG: Lehrbuch der Dogmengeschichte, Erlangen/Leipzig 31920; zit. nach (Anm. 1) 218.
51 P. ALTHAUS: Die christliche Wahrheit, Gütersloh 1947, 63.
52 K. BARTH: (Anm. 1) 215.
53 AaO. 217.
54 Ebd.
55 BARTH lässt bei der Aufzählung (Anm 1) 217 merkwürdigerweise bzw. signifikanterweise die Religion aus. CALVIN selbst spricht von der Offenbarung Gottes in Religion, Natur und Geschichte.
56 K. BARTH: (Anm. 1) 217.
57 AaO. 220.
58 P. BARTH (Anm. 49), 1925, und W. NIESEL, Die Theologie Calvins, München 1938, sprechen im Blick auf die Einleitung der Institutio von einer Retrospektive von der Offenbarung Gottes in Christus her; O. WEBER: Grundlagen der Dogmatik, Bd I, Neukirchen 1955, 186, spricht von einer regressiven Argumentation Calvins von der Christus-Offenbarung her; P. CHR. BÖTTGER (Anm. 24) findet bei Calvin die Übersetzung der reformatorischen Erkenntnis in die Weisheitssprache des Reformhumanismus, aus dem Calvin selber kommt; CHR. LINK, Schöpfung. Schöpfungstheologie in reformatorischer Tradition Bd I, Gütersloh 1991, verweist in seinen weiterführenden Analysen auf Inst II,6,1: "Wir müssen das Wort vom Kreuz [...] in Demut annehmen, wenn wir zu Gott unserem Schöpfer und Wirker zurückkehren wollen, von dem wir uns entfremdet haben" (zit. bei LINK, 157).
59 A. GANOCZY: (Anm. 35) 32f.
60 K. BARTH: (Anm. 6) 40.
61 K. BARTH: (Anm 1) 218. – Nach P. CHR. BÖTTGER (Anm. 24) wollte sich Calvin mit den humanistisch Gebildeten, die wie er ins Fragen über die rechte Form der Gottesverehrung gekommen waren, zuerst auf der Ebene der Weisheit unterhalten: "Man braucht nur das humanistische Gewand ein wenig zu lüften, um gleich den tiefen reformatorischen Gehalt dieser Sätze [der Einleitung Calvins] zu spüren" (34). – Kriterium der von Calvin vorgenommenen Übersetzung reformatorischer Theologie in die Sprache der Weisheit ist der Vorrang der Gotteserkenntnis vor der Selbsterkenntnis innerhalb des Zirkels von Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis. – Zur Intention der Übersetzung reformatorischer Theologie in die Sprache der Weisheit vgl. FR. SCHLEIERMACHER: Zwei Sendschreiben über seine Glaubenslehre an Herrn Dr. Lücke, in: Schleiermachers-Auswahl von H. Bolli, Gütersloh 21980, 120–175. – Ein historisch-systematischer Vergleich zwischen der Einleitung Calvins in der Institutio und der Einleitung Schleiermachers in seiner Glaubenslehre steht noch aus.
62 Vgl. dazu neben der Arbeit von P. CHR. BÖTTGER (Anm. 24) nunmehr die umfassende Untersuchung von P. OPITZ: Calvins theologische Hermeneutik, Neukirchen 1994.
63 G. VON RAD: Weisheit in Israel, Neukirchen 1970. – Barths in der Lichterlehre feststellbarer Gebrauch des Terminus "Gespräch des Geschaffenen mit sich selbst" (KD IV/3, 161) entspricht sachlich G. VON RADs Ausführungen in seinem Weisheitsbuch. – Zur kritischen Unterstellung der Weisheit unter den NAMEN des Gottes Israels und unter das erste Gebot als theologisches Axiom, wie sie bei Calvin und Barth durchgängig zu finden ist, vgl. W. ZIMMERLI: Grundriss der alttestamentlichen Theologie, Stuttgart 1972, 61989, § 18. – W. ZIMMERLIs in Leipzig 1932 herausgekommene Ausgabe der Psychopannychia ist von Barth 1934 in einem seiner letzten Bonner Semester zur Seminargrundlage gemacht worden.
64 K. BARTH: Ein Gespräch mit der Brüdergemeinde, in: Civitas Praesens, Nr. 13, 1961,7f.
65 K. BARTH: Interview mit dem Spiegelredakteur Rohlinger, in: Wie Mose vor Pharao. Karl Barth als junger Pfarrer von Safenwil, Sendung durch den WDR am 10.5.86 in der Reihe GOTT UND DIE WELT (Film von U. Kilimann, wissenschaftliche Betreuung durch B. KLAPPERT)
66 K. BARTH: (Anm. 1) 226.227.
67 K. BARTH: Die Menschlichkeit Gottes, Zürich 1956.
©Prof. Dr. Bertold Klappert