Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
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Biografien A bis Z
(1703-58)
Jonathan Edwards wurde geboren als Sohn eines Farmer-Pfarrers in East Windsor, Conn. In früher Jugend erweckt, studierte Edwards schon 1716 am Yale-College, entdeckte hier John Locke, vielleicht auch Newton und wurde nach einer zweiten Bekehrung Pfarrer in Northampton. Antiarminianische Predigten führten 1734 zum Aufbruch der Great Awakening, die nach jähem Rückschlag durch den Besuch von George Whitefield (1740) wieder aufflammte, von Edwards aber nur zum Teil vor enthusiastischer Ausartung bewahrt werden konnte. Die durch diese gekräftigte Opposition verdrängte Edwards 1750 aus seiner Gemeinde, als er durch Ablehnung des »Halben Bundes« die Abendmahlszucht wieder verschärfte.
Edwards wandte sich in Stockbridge der Indianermission zu und schrieb in jener Zeit seine wichtigsten Traktate, vor allem »On the Freedom of the Will« (1754) und die unvollendete »History of the Work of Redemption«. 1757 wurde er als Präsident an das New Jersey- College berufen, nahm zögernd an und starb einen Monat nach Amtsantritt an den Folgen einer Pockenimpfung.
Edwards gilt als der bedeutendste Theologe und Philosoph Nordamerikas, der in der Tat so etwas wie die Grundlagen einer amerikanischen Denkungsart und der New England Theology schuf. Das theologische Interesse nimmt die (idealistische) Philosophie bewußt in Dienst und richtet sich vor allem auf die Lösung des Problems von Determinismus und Freiheit im Rahmen eines kräftigen Harmoniedenkens. Der Erweckungsprediger konnte so die prädestinatianische Predigt festhalten.
Gott bekehrt den Menschen, indem er ihm einen Willen gibt, der in Freiheit ihn und das Gute liebt. Mit dem Harmoniegedanken verband Edwards eine eigentümliche heilsgeschichtliche Schau, in deren Mitte die Aufrichtung des Königreichs Christi stellt. Der Covenant of Works fällt mit dem Naturgesetz zusammen und dient im Vorsehungswalten Gottes dem Erlösungsbund, der geschichtlich gleich nach dem Fall beginnt und sich in abfolgenden Ereignissen des Covenant of Grace durch Altes und Neues Testament als Wechsel von Blüte und Verfall der Kirche, von Gnaden- und Gerichtszeiten hindurchzieht.
Der Bundesgedanke trägt aber nicht eine Föderalsystematik (wie bei Coccejus), sondern gestaltet frömmigkeitsgeschichtlich den stufenweisen Aufbau des regnum Christi in einer Abfolge von Erweckungen. E.s Geschichtstheologie ist die Deutung der eignen Erfahrung an dem von ihm ausgegangenen Revival. Er hat sie, abgesehen von der »History of Redemption«, nicht in einem systematischen Werk, sondern in einer Fülle von Traktaten und Predigten entwickelt. Zu seinen Schülern zählen sein gleichnamiger Sohn (1745 bis 1801), Emmons, S. Hopkins, Dwight und Bellamy.
Literatur:
- The Works of President E. with Memoir of his Life, hg. v. S. E. DWIGHT, 10 Bde, New York 1830
- A. B. GROSART, Selections from the Unpublished Writings of J. E., 1865
- A. V. C. ALLEN, J. E., Boston 1889
- RE V, 171 ff.
- F. H. FOSTER, A genetic History of the New England Theology, Chicago 1907, 47 ff.
- J. RIDDERBOS, De Theologie van J. E., Amsterdam 1907
- A. KELLER, Dynamis. Formen u. Kräfte des amerikan. Protestantismus, 1922
- ERE V, 221 ff.
- TH. C. HALL, The religious Background of American Culture, New York 1930
- O. E. WINSLOW, J. E., New York 1941 - EBrit VII, 1945, 19 ff.
- R. B. PERRY, Grundlagen der amerikan. Denkungsart, 2 Bde, 1947
- H. R. NIEBUHR, Der Gedanke des Gottesreiches im amerikan. Christentum (dt. v. R. M. HONIG), New York 1948
- P. MILLER, J. E., New York 1949 - HIRSCH III, 351 ff.
- R. H. GABRIEL, Die Entwicklung des demokrat. Gedankens in den Ver. Staaten, 1951
- G. HOFFMANN, Seinsharmonie u. Heilsgesch. bei J. E. (Theol. Diss. Göttingen), 1956 (Masch.; Lit.).
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aus: Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Bd. 2, S. 174ff. (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages veröffentlicht. Bitte beachte Sie die Internetseiten der 4. Auflage der RGG: http://www.mohr.de/rgg4.html
Kornelis Heiko Miskotte
(1894-1976)
Den "Randsiedlern von Kirche und Theologie" wollte Miskotte eine Hilfe sein, ihnen den "Sinn des Alten Testaments" zu erschließen, so im Vorwort zu einem seiner Hauptwerke: Als die Goden zwijgen (1956), deutsch: Wenn die Götter schweigen (1963).
1914 bis 1920 studierte Miskotte Theologie in Leiden, war aber von den Vorlesungen enttäuscht: "Studieren mit dem Herzen! Hamann und Herder! Wäre davon auch nur ein Hauch im Vorlesungssaal zu spüren, ich würde nicht so oft danach missmutig durch die Strassen schlendern, um die Wahrheit anderswo zu suchen". Miskotte fand seinen eigenen Weg, vertiefte sich in die Theologie Johannes Hermannus Gunnings, las Augustin, Kierkegaard, Nietzsche, später auch Wilhelm Herrmann und Hermann Cohen.
In dem Ringen um eine christliche Kultur
Schon als Schüler hatte Miskotte ein Buch des niederländischen Theologen Johannes Hermannus Gunnings (1829-1905) wie einen "alten Freund" in seiner Manteltasche mit sich getragen. Als Pfarrer veröffentlichte er eine Bibliographie der Werke Gunnings, den er als "ethischen Mystiker" verstand. In Gunnings Schriften fand Miskotte eine Synthese von universalem Humanismus und Christuspredigt, ein Zusammengehen von Glaube und Humanität mit dem Ziel, eine christliche Kultur zu schaffen.
Verbunden fühlte er sich mit dem Theologen des 19. Jahrhunderts auch in dessen Offenheit für Kultur, Kunst und Literatur. In seinem Tagebuch notierte Miskotte: "Und Gunning ist auch der erste echt-reformierte, der der großen Literatur gegenübertritt mit etwas anderem als dogmatischer Besserwisserei, nämlich mit existentiellem Ernst und einem Gespräch von Mann zu Mann, von Wort und Antwort, von Antithese und Synthese".
Neben den Theologen und Philosophen begleiteten Dichterinnen und Dichter Miskotte auf der Suche nach Wahrheit. Die Poesie der niederländischen Dichterin und Sozialistin Henriette Roland Holst beeindruckte ihn tief. Über ihr lyrisches Werk veröffentlichte er 1941 eine Monografie.
Die Entdeckung Karl Barths
1921 bis 1945 war Miskotte Pfarrer in Kortgene, Meppel, Haarlem, Amsterdam. Während der ersten Jahre im Pfarramt ermüdete Miskotte das gewöhnliche kirchliche Leben, in dem das Sakrament des Wortes "zu einem fahlen Toast auf das Christentum heruntergekommen ist". 1923 entdeckte Miskotte die Theologie Karl Barths, las dessen Römerbrief (1922). Diese Theologie war ihm fremd und zog ihn an; 1926 notierte er in seinem Tagebuch:
"Ich flüchte mich mal wieder zu Barth, seit dem 1. Februar 1923 bekannt, doch bis jetzt in meinem Innersten entweder bestritten oder missdeutet; sobald ich müde bin von meiner pastoralen Arbeit (...) und müde auch von der hohen Literatur, komme ich wieder zum Römerbrief zurück; die Außenwelt glaubt, dass ich bereits ‚Barthianer‘ bin – aber das ist nicht so; und was mich zurückhält ist nicht, dass B. nicht orthodox genug ist – Gott bewahre! Aber dass er die Frage des modernen Menschen, ungeachtet seiner eigenen tiefen Verwandtschaft damit, letztendlich als eine Bagatelle auffasst, als ob der deutsche Idealismus leeres Gerede gewesen wäre (...)".
Fünf Jahre nach der ersten Begegnung mit Barths Schriften traf Miskotte den in Deutschland lehrenden Schweizer Theologen persönlich. Seit dieser Zeit ist Barths Einfluss auf Miskottes Denken und Schreiben klar zu erkennen. Miskotte machte Barths Theologie in Holland bekannt und interpretierte ihn in seinem eigenen Werk. Am 4. Januar 1924 schrieb Miskotte Barth: "Ich liebe ihren einsamen ‚Standpunkt‘ um Gottes willen". Das persönliche Gespräch in Briefen begann und endete erst 1968, ein halbes Jahr vor Karl Barths Tod. Am 12. Juli 1956 schrieb Barth: "Lieber Heiko, du bist der Seher und Dichter unter meinen Freunden!"
Wie Barth kämpfte auch Miskotte gegen eine "natürliche Theologie". Er strebte danach, "das verbum divinum stets wieder neu zu vernehmen in seiner Selbstunterscheidung von der Rechenschaft, die sich der Mensch in seiner Welt von selber gibt, der Selbstunterscheidung des Wortes Gottes von aller Religion, des Gottes Israel und Vaters Jesu Christi von allen Göttern." (U. Heinemann, s.u., S. 22). Auf dem Grund dieser Theologie war Miskotte ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. In seinem Biblischen ABC (1941) legte er ein Fundament für den Widerstand gegen nationalsozialistische Gewalt.
Der Überschuss des Alten Testaments
1945 erhielt Miskotte einen Ruf an die Universität in Leiden, wo er bis 1959 Dogmatik lehrte. 1945 bis 1970 war Miskotte Chefredakteur der Zeitschrift In de Waagschal, die Kirche und Staat kritisch begleitete. Ein großer Teil von Miskottes Essays über Literatur wurden in dieser Zeitschrift veröffentlicht.
Miskotte war inspiriert von dem jüdischen Denker Franz Rosenzweig und seinem Stern der Erlösung (1921) und gab seinerseits dem jüdisch-christlichen Gespräch wichtige Anstöße. Zwei Jahrzehnte nach Miskottes Tod 1976 griff Friedrich-Wilhelm Marquardt in seiner Dogmatik zurück auf den Begriff vom "Überschuss" alttestamentlicher Verheißungen.
Diese Verheißungen seien offenbar noch nicht erfüllt worden, so Marquardt in seiner "theologischen Utopie" (1997). Miskotte schrieb in Wenn die Götter schweigen: "Wir finden im Alten Testament einen ‚Überschuss‘. Ist es, als Zeugnis von dem NAMEN, im Kern mit dem Neuen Testament identisch, so fällt uns doch daneben auf, das der Ausblick auf die Zukunft, den das Alte Testament bietet, in vieler Hinsicht im Neuen nicht erfüllt ist. Ein wichtiger Punkt in der Kontroverse zwischen Kirche und Synagoge!"
Literatur
- Ursula Heinemann, Grenzgebiet Theologie und Literatur im Werk Kornelis Heiko Miskottes (Theos. Studienreihe Theologische Forschungsergebnisse 64), Hamburg 2004. Die Zitate aus biografischen Texten Miskottes stammen aus dieser Arbeit, S. 11-30.
- Kornelis Heiko Miskotte, Wenn die Götter schweigen. Vom Sinn des Alten Testaments, übersetzt von Hinrich Stoevesandt, München 1963
- Karl Barth – Karl Heiko Miskotte. Briefwechsel 1924-1968, hrsg. von Hinrich Stoevesandt, Zürich 1991
Barbara Schenck
In einer säkularisierten Welt tut die prophetische Kraft der Kirche not.