10. Mai 2020
Barmherziger Gott, / ohne uns versammeln zu dürfen / zum Gedenken an die Befreiung der KZs / durch die Soldaten der Alliierten, / erinnern wir uns. / Wir erinnern uns an das Grauen, das dort geschah / und nun aller Welt sichtbar wurde. / Wir wollen die deutsche Schuld nicht leugnen, / nicht verharmlosen, / aber wir fragen auch: / wo warst du in jener dunklen Zeit? / Warum hast du dein Antlitz so vielen verborgen, / die dich suchten in einem leeren Himmel? / Warum hast du sie nicht gerettet / aus der gnadenlosen Mordmaschine, / bist den Mördern nicht in den Arm gefallen? / Gott, auch wenn wir keine Antworten finden, / klammern wir uns an dich.
Wir bitten dich für die Überlebenden und ihre Nachkommen, / für die der Schmerz nicht vorbei ist, / die immer noch eingeholt werden / von der Trauer um alles, / was sie verloren haben: / die Menschen, die ihnen wichtig waren, / die Orte, wo sie zuhause waren, / das Vertrauen in deine Güte. / Du allein kannst sie trösten, / wo aller menschliche Trost versagt.
Wir bitten dich für die, / die heute ihre Heimat verlieren durch Hass und Gewalt, / Sie werden so oft abgewiesen an unseren Grenzen, / alleingelassen in den Flüchtlingslagern, / und bei uns werden die, / die anders aussehen, glauben, leben, / so oft beleidigt und bedroht. / Du bist doch die Zuflucht aller Verfolgten! / Öffne unsere Augen und Herzen für sie.
Wir bitten dich für die, / die heute Unfreiheit erleiden, / die als Arbeitssklaven entwürdigt werden, / beraubt von der Perspektive eines besseren Lebens. / Du bist doch der Anwalt der Betrogenen! / Tu unseren Mund auf für die Stummen / und für die Sache derer, die verlassen sind.
Gott, wir danken dir für die, / die die Erinnerung an unsere Schuldgeschichte wachhalten, / damit wir aus ihr lernen, / auch vom Mut und der Menschlichkeit derer, / die sich nicht haben brechen lassen. / Segne die Arbeit der Gedenkstätten, / und lass sie heilsam wirken in unserer Gesellschaft.
Gott, / mehr als wir erinnern können, / hältst du im Gedächtnis. / Kein Unrecht ist bei dir vergessen, / kein Leiden bleibt verborgen vor dir. / Die vielen Opfer von Gewalt, / deren Namen wir nicht kennen, / haben einen Namen bei dir, / sind deine geliebten Söhne und Töchter. / Du wirst ihnen Recht verschaffen.
Wir bitten dich: / Wehre allem Vertuschen und Verbrämen des Grauens, / das von Deutschen angerichtet wurde. / Mach uns sensibel für die Gefahren unserer Zeit, / damit, was geschehen ist, / nie wieder geschieht. Amen
Sylvia Bukowski, Wuppertal