Pakistan: Die Flut zerstörte in wenigen Minuten ganze Dörfer

Aus dem Katastrophengebiet berichtet Rainer Lang, Diakonie Katastrophenhilfe

Said Nazer sitzt wie versteinert vor seinem Zelt. Der 50 Jahre alte Vater von vier Kindern kann immer noch nicht fassen, was passiert ist. Innerhalb von fünf Minuten ist das Wasser in dem Dorf im Nordwesten Pakistans auf etwa vier Meter angeschwollen, erinnert sich Mujahid Gul. „Wir sind froh, dass wir mit dem Leben davon gekommen sind“, fügt der junge Mann neben ihm hinzu und lässt seinen Blick über seinen Heimatort schweifen oder über das, was davon übriggeblieben ist.

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Nach der Flut bleibt die Verzweiflung: Fagir Sheer steht fassungslos in den Resten seines Hauses. Dort wohnte der 30-Jährige mit Mutter und Schwester. Nur einige Teppiche konnte er retten. Wie geht es weiter? Der Tagelöhner weiß es nicht.  Mit Unterstützung der Diakonie Katastrophenhilfe begannen in Sheers Heimatort Pashtoon Gari jetzt die Aufräumarbeiten.

Die seit Ende Juli andauernden sintflutarigen Regenfälle haben in Pakistan die schlimmsten Fluten seit 80 Jahren ausgelöst. Das Dorf Zareen Abad mit seinen 500 Häusern steht immer noch unter Wasser. Said Nazer und die anderen Bewohner haben sich am Rande des Dorfes auf erhöhtem Gelände eingerichtet. Zwischen den Grabsteinen des Friedhofes hausen sie in Zelten oder unter Plastikplanen.

Ein Ziel der Helfer: Das Hochwasser abpumpen

Ihr Dorf wollen sie nicht verlassen. Vielmehr wollen sie sobald wie möglich mit den Aufräumungsarbeiten beginnen. Aber dafür muss das Wasser weg. Dafür brauchen die Flutopfer Pumpen und Generatoren. Nach Ansicht von Nauman Shah, Koordinator der Maßnahmen der Diakonie Katastrophenhilfe, sollte dies so schnell wie möglich geschehen. „Sonst zerstört das Wasser die Häuser völlig“, erläutert er.

Die Diakonie Katastrophenhilfe versorgt die Bewohner des Notlagers gegenwärtig täglich mit frischem Trinkwasser. Das evangelische Hilfswerk will auch beim Wiederaufbau helfen. „Wir wollen uns stark im Wiederaufbau engagieren“, sagt Nauman, der den verzweifelten Dorfbewohnern weitere Unterstützung zugesichert hat. Die meisten haben alles verloren.

Menschen stehen vor dem Nichts

Obwohl sein am Dorfrand gelegenes Haus noch halb unter Wasser steht, hat Shah Saeed schon damit begonnen, das Dach wieder zu reparieren. Der Vater von fünf Kindern kann nicht tatenlos herumsitzen. Unten im Wasser dümpelt der Hausrat: Matratzen, Plastikflaschen, Holz. Alles weg, genauso wie das Vieh. „Fast alle Büffel, Ziegen und Hühner sind tot“, sagt Naumann. Er vermutet auch, dass die Zahl der Toten allein im Distrikt Nowshera auf 1000 steigen könnte. In den vom Wasser bedeckten Häusern vermutet er noch zahlreiche Tote.

Auch im Nachbardorf Pashtoon Gari hat der Fluss Kabul, der inzwischen ganze Landstriche überschwemmt hat, den Tod gebracht. Eine vier Meter hohe Wasserwalze hat sich ihren Weg durchs Dorf gebahnt und nur Trümmer hinterlassen. Der 30 Jahre alte Fagir Sheer versucht zwar noch einige Habseligkeiten aus Schlamm und Trümmern zu retten. Viel mehr als die Teppiche ist aber nicht zu verwenden. Wie er sein Haus, in dem er mit seiner Mutter und seiner Schwester lebt, wieder aufbauen soll, weiß der Tagelöhner nicht. Zumindest die Kuh der Familie ist am Leben geblieben. In dem Dorf haben mit Unterstützung der Diakonie Katastrophenhilfe die Aufräumarbeiten begonnen.

Hoffnung nach Flut und Dürre

Fagir Sheer steht wie viele andere Dorfbewohner unter Schock. Tagelöhner wie er haben ihre Arbeit verloren. Denn die Felder rund um den Ort sind zerstört. Ein Zuckerrohrfeld ist nach dem Rückgang des Wassers verdorrt. Die meisten Felder stehen noch unter Wasser. Zum Teil verwesen noch die Kadaver toter Büffel in den Fluten. An manchen Tagen liegt ein unerträglicher Verwesungsgeruch über dem Ort. „Vier Tage lang ist das Wasser mehrere Meter hoch stehen geblieben“, sagt Abdul Saboor Khan. Von 1.700 Häusern sind 400 zerstört, fügt er hinzu. Er ist froh über das Engagement der Diakonie Katastrophenhilfe und ihrer lokalen Partner. Der Hilfsbedarf ist enorm wegen des riesigen Ausmaßes der Zerstörung.

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Diakonie Katastrophenhilfe, 16. August 2010
Diakonie Katastrophenhilfe seit 2005 in Pakistan im Einsatz

Die Evangelisch-reformierte Kirche ruft zu Spenden für die Menschen in Pakistan auf. Im Spendenaufruf schreibt Kirchenpräsident Jann Schmidt, dass die Flutkatastrophe ein nicht mehr vorstellbares Ausmaß angenommen habe. „Es steht zu befürchten, dass die Zahl der Toten sprunghaft ansteigen wird, wenn den Betroffenen nicht schnell geholfen und so die Ausbreitung von Seuchen verhindert wird.“