Von der ''Waffenrüstung Gottes'', dem ''Helm des Heils'', dem ''Schwert des Geistes'' und dem Gurt der Wahrheit

Predigt zu Epheser 6,10-17. Von Sylvia Bukowski

"10 Zuletzt: Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. 11 Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. 12 Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. 13 Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt.
14 So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit 15 und an den Beinen gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens. 16 Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, 17 und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes."
Epheser 6,10-17

Liebe Gemeinde!

Stellen Sie sich einmal vor, ein Moslem würde diesen Predigttext unvorbereitet hören. Ihn spränge doch sofort die kriegerische Sprache an, die von der „Waffenrüstung Gottes“ redet und eindringlich auffordert, damit die „Anschläge des Teufels“ abzuwehren. Vor seinem inneren Auge zögen dazu wahrscheinlich die Bilder christlicher Kreuzritter herauf, vermummt und gepanzert und zu allem bereit, und er würde mit Grauen an die Blutbäder denken, die sie unter den „Ungläubigen“ im heiligen Land und anderswo angerichtet haben, meist mit Schwertern, in die das Kreuz eingraviert war und unter ausdrücklicher Berufung auf Jesus Christus. Nun hätte dieser Moslem den Beleg dafür, dass tatsächlich auch die Bibel zum Jihad, zum Heiligen Krieg auffordert und mit Jihad ist dieser Briefabschnitt übrigens, wie ich mir habe sagen lassen, in alten arabischen Übersetzungen auch tatsächlich überschrieben.

Aber Halt! Das ist doch völlig missverstanden, würden Sie jetzt sicher protestieren wolle.. Das ist doch alles nur bildlich gemeint und auf eine rein geistige, bzw. geistliche Auseinandersetzung gerichtet! Schließlich ist das Christentum doch von Grund auf eine friedliche Religion!

Ich fürchte nur, dem Moslem würde das nach diesem biblischen Text und der mörderischen Gewalt in der Kirchengeschichte schwerfallen zu glauben – so ähnlich wie uns das geht, wenn Muslime versichern, dass auch der Jihad eigentlich nur den Eifer im Glauben meine und keineswegs Terroranschläge rechtfertige, denn auch der Islam sei doch –wie der Name schon sagt – eine Religion des Salam, des Friedens.

Ich möchte mit diesem Beispiel illustrieren, wie wichtig es ist, bei Zitaten aus alten heiligen Texten nicht nur oberflächlich hinzuhören, sondern eingehend zu prüfen, in welchem Kontext sie stehen und wie sie ursprünglich gemeint waren, um voreilige, aber oft folgenschwere Missverständnisse im Dialog der Religionen zu vermeiden. Das gilt auch für die von vielen Pauschalurteilen und Unterstellungen vergiftete Integrationsdebatte. Es wird allerdings auf allen Seiten darauf ankommen, die Missverständnisse und Ängste der anderen nicht nur verbal auszuräumen, sondern vor allem durch eine überzeugende Praxis. Die beginnt am besten damit, dass man aufhört, so viel  übereinander zu reden und stattdessen auf allen Ebenen das Gespräch miteinander sucht.  Denn nur dabei kann man sich gegenseitig kennenlernen, mit wachsendem Vertrauen offen befragen und schließlich hoffentlich auch dazu kommen, gemeinsam zu handeln.

Aber zurück zu dem Predigttext: Richtig verstehen kann man ihn auch als Christ nur, wenn man nie aus dem Auge verliert, wer der Gott ist, der hier die christliche Waffenrüstung schmiedet: nämlich ein Gott, der ganz und gar ein Gott der Liebe und der Versöhnung  ist. Damit wird nämlich gleich zweierlei klar:

Erstens, dass auch die geistlichen Waffen sich nie gegen Personen richten dürfen und nie zum Ziel haben dürfen, Andersglaubende oder Anderslebende zu verletzen und fertig zu machen. Zwar ist unsere Gefahr hier sicher nicht, wie tea party Anhänger in den USA schamlos zu propagieren: God hates the Moslems! Aber auch in die moralische Entrüstung über Menschen, die solche oder ähnliche Thesen vertreten, schleicht sich manchmal ein gefährlicher, selbstgerechter Hass, der den anderen in der Kritik möglichst empfindlich treffen möchte.

Zweitens kann die Rüstung des biblischen Gottes nicht dazu dienen, unser Herz zu panzern und uns möglichst unverwundbar zu machen. Sie behält vielmehr ein offenes Visier für das Leid, das Mächtige und Gewaltige in der ganzen Schöpfung anrichten. Und allein darin liegt der Grund, in den Kampf zu ziehen, in einen beherzten Kampf, der auf Leben ausgerichtet ist, und nicht auf Tod.

Paulus wird dabei an Jesus gedacht haben, der diesen Kampf bis zum Ende ausgefochten hat. Dessen vorbildliche Tapferkeit bestand nämlich darin, keinerlei Kompromisse mit dem Bösen zu geschlossen zu haben, und selbst am Kreuz nicht auf Vergeltung aus gewesen zu sein, sondern auf Vergebung. Allein mit der Standhaftigkeit der Liebe hat er die Anschläge des Teufels besiegt und dadurch wirklich ein von Grund auf neues Leben erschlossen. Wer sich mit Recht auf Jesu Namen berufen will, muss also selber dessen Lebensregel folgen und sich nicht vom Bösen überwinden lassen, sondern das Böse mit Gutem überwinden.

Das bedeutet konkret, jeder Teil der Rüstung,  die uns für den Kampf gegen lebensfeindliche Mächte und Gewalten an die Hand gegeben wird, muss das Siegel der Liebe tragen. Denn selbst ein so hoher Wert wie die Wahrheit kann großen Schaden anrichten, wenn sie zur lieblosen Rechthaberei verkommt. Gerechtigkeit ohne Erbarmen hat oft genug aufs Schafott  geführt, und auch Frieden, der den anderen nicht wertschätzt und zu verstehen sucht, bleibt kalter Frieden, der jederzeit wieder in Hass und Gewalt umschlagen kann: Sie brauchen nur in den Nahen Ostens zu schauen.

Die Liebe bewahrt die Tugenden, die Christen streitbar machen davor, zu gnadenlosen Prinzipien zu werden, und andere damit zu terrorisieren, wie es in Gottesstaaten jeder Couleur vorgekommen ist und immer noch vorkommt. Nur wo sich Tugend mit Barmherzigkeit verbindet, bleibt sie human und wird tauglich, dem Leben zu dienen.

Lassen Sie mich das noch etwas konkretisieren:

Die Wahrheit, mit der wir uns umgürten sollen, wird uns daran hindern, gesellschaftliche Probleme stammtischmäßig zu vereinfachen und sie damit lösen zu wollenversuchen, dass möglichst schnell ein Schuldiger ausgemacht wird, dem alle Verantwortung zugeschoben werden kann: seien es die unfähigen Politiker, die gierigen Banker oder auch die nicht integrierten muslimischen Migranten, die den Deutschen die Arbeitsplätze und womöglich auch die Heimat streitig machen wollen.

Das bedeutet natürlich nicht, sich jeden Urteils zu enthalten und Versagen und Fehlentwicklungen nicht beim Namen zu nennen. Aber Paulus erinnert daran, dass wir es nicht nur mit Fleisch und Blut zu tun haben, sondern dass es darauf ankommt, die „bösen Geister“ zu überwinden, die Menschen dazu treiben, Böses zu tun. D.h. wir müssen fragen, wie können wir einer Gier Grenzen setzen, die sich mit nichts mehr zufrieden gibt, wie einen immer skrupelloseren Egoismus eindämmen, der die Zukunft künftiger Generationen aufs Spiel setzt, wie die Ängste und Vorbehalte überwinden, die Menschen verschiedener Kulturen voneinander trennen. Und bei all diesen Fragen dürfen wir nicht nur andere im Blick haben, sondern müssen auch sehr ehrlich und  selbstkritisch prüfen, wie weit auch unsere eigene Seele vielleicht schon von dem Gift der Menschenverachtung Bösen befallen ist.

Gerechtigkeit soll unser Panzer sein, heißt es in dem Predigttext weiter.  Und zwar Gerechtigkeit im biblischen Sinn,  die das Recht der Machtlosen und Betrogenen verteidigt, auch und gerade, wenn es ihnen ganz legal verwehrt wird. Bertolt Brecht hat sinngemäß einmal gesagt: es gibt viele Verbrechen, aber die wenigsten sind gesetzlich verboten... Ich denke dabei etwa an die skandalösen, aber durchaus legalen  Arbeitsbedingungen vieler Menschen in der sog. 3. Welt. Und mir stehen auch die Schicksale von Flüchtlingen vor Augen, die rechtlich einwandfrei begründet in Länder abgeschoben werden, in denen sie keine Rechte haben. Das darf uns doch alles nicht kalt lassen!  Und natürlich ließen sich noch andere Beispiele nennen! Aber sagen Sie trotzdem nicht: es gibt einfach viel zu viele Probleme! Was soll man dagegen denn als einzelner schon ausrichten! Ich möchte dagegen halten: Sie sind keine Einzelkämpfer! Und Sie müssen nicht alle Probleme der Welt lösen! Es reicht schon, sich an einem Punkt mit Herz und Verstand und einem langen Atem zu engagieren! Und wenn Sie sich umsehen, werden Sie viele Mitstreiter entdecken,  die genau wie Sie etwas zum Guten verändern wollen. Gerade in der Gemeinde sind Sie auch in dieser Hinsicht gut aufgehoben! Denn da setzen sich viele im Vertrauen auf Gottes Macht und Stärke sehr beharrlich dafür ein, dass Schwache überall zu ihrem Recht kommen!

Der Helm des Heils  und der Schild des Glaubens schützen uns davor, dass wir uns zu viel aufladen und unter überzogenen Ansprüchen an uns und andere zerbrechen. Aber es bleibt ein harter Kampf, in den uns die Nachfolge Jesu Christi stellt und wer darin konsequent bleibt, wird immer wieder heftigen Angriffen ausgesetzt sein: hier bei uns vor allem Spott und suffisante Fragen, in vielen anderen, und vor allem in muslimischen Ländern auch roher Gewalt. Beides macht es schwer, offen zu seinem Glauben zu stehen und sich nicht einfach an die gängigen Überzeugungen anzupassen. Gleichzeitig droht auch die Gefahr, sich mit gleichen Mitteln zur Wehr setzen zu wollen. Aber sowohl gegen die Angst als auch gegen den Wunsch nach Vergeltung richtet sich „das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes,“ wie es in dem Predigttext heißt. Denn Gottes Wort  gibt uns festen Grund, dem Weg Jesu zu vertrauen und darauf zu bauen, dass dessen Sieg über alles Böse einmal vor aller Welt sichtbar wird. Und niemand, der sich an diese Hoffnung hält und in ihr handelt, kämpft auf verlorenem Posten für Versöhnung und Frieden. 

Predigt, gehalten am 7. November 2010 im Berliner Dom


Sylvia Bukowski, Pfarrerin in Wuppertal