'Wir bitten um Einsicht in unsere historische Schuld'

Gedächtnis-Gottesdienst zu 80 Jahren Wannseekonferenzenz, am 23. Januar 2022


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Von Kathrin Oxen und Marion Gadei

Chor: Vespergesang
(F. Mendelssohn-Bartholdy, 1809-1847)

Votum und Begrüßung (Oxen)

Einführung ins Thema (Gardei)

Psalmgebet Psalm 2

Hört, Despoten aller Zeiten
und eure Trabanten:
Warum rast und tobt ihr,
ganze Völker geißelnd?
Möge es weltweit klingen, dieses Lied,
gegen eure Furien des Unrechts,
gegen euren zynischen Hohn und Verachtung
für das Menschenkind und seinen Gott-
Der Gott dieses Menschenkindes
Schaudert und weint in seinem Himmel.
Dann brüllt er,
schüttelt seine Mähne
und springt – unsichtbar vor Licht
steigt er in ein Menschenherz hinab.
Du mein Hirte, mein Löwe,
du sollst meine Lämmer weiden,
ihre Wunden waschen und salben,
um mein Weltall zu hüten
habe ich dich heute erweckt, bis überall,
wo noch höchste Mächte
Menschen zerschlagen wie irdene Krüge.
Weh euch Trabanten, bestechliche Richter,
weh euch Despoten, seid gewarnt.

Eingangsgebet

Gott, der du unser Ursprung bist!
Vor deinem Angesicht erinnern wir uns,
an das, was geschehen ist, vor 80 Jahren erst,
einem Wimpernschlag der Geschichte.
Wende in uns Herz und Verstand,
dass wir fähig werden,
gegen allen Ungeist aufzustehen,
wenn schon nicht damals, so dann heute.
Strecke deine Hand aus bis dahin,
wo wir noch tot sind.
Vergib uns und mache, heute noch,
mit uns einen neuen Anfang.
Erbarme dich unser, dass wir der Toten gedenken
und es nicht hinnehmen,
dass unsere Erde noch einmal so verwildert.
Chor: Herr, wir haben gesündiget
(J. E. Kindermann, 1616-1655)

Impuls

Die Besprechung am Wannsee am 20. Januar 1942 (Nachama)

Psalm 116 (L. Lewandowski, 1821-1894)

Lesung Prediger 8, 10-14.17 (Dantonel)
Und weiter sah ich Gottlose, die begraben wurden und zur Ruhe kamen; aber die recht getan hatten, mussten hinweg von heiliger Stätte und wurden vergessen in der Stadt.
Das ist auch eitel.
Weil das Urteil über böses Tun nicht sogleich ergeht,
wird das Herz der Menschen voll Begier, Böses zu tun.
Wenn ein Sünder auch hundertmal Böses tut und lange lebt,
so weiß ich doch, dass es wohlgehen wird denen,
die Gott fürchten, die sein Angesicht scheuen.
Aber dem Gottlosen wird es nicht wohlgehen,
und wie der Schatten wird nicht lange leben,
wer sich vor Gott nicht fürchtet.
Es ist eitel, was auf Erden geschieht:
Es gibt Gerechte, denen geht es
 als hätten sie Werke der Gottlosen getan,
und es gibt Gottlose, denen geht es,
als hätten sie Werke der Gerechten getan.
Ich sprach: Das ist auch eitel.
Und ich sah alles Tun Gottes. Denn ein Mensch kann das Tun nicht ergründen, das unter der Sonne geschieht.
Je mehr der Mensch sich müht zu suchen,
desto weniger findet er.
Und auch wenn der Weise meint:
"Ich weiß es", so kann er's doch nicht finden.

Auslegung (Oxen)

Kamni (STEINE), K. Tchemberdji (*1960)

Bekenntnis und Verpflichtung (Oxen)
Mit großem Schmerz sagen wir:
Durch unser Volk ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden.
Aus unserem Land kamen die Pläne und Befehle
zur Vernichtung der europäischen Juden,
aus unserem Land kamen die Menschen,
die diese Pläne entworfen haben
und diesen Befehlen gefolgt sind.

(alle) Wir bitten um Einsicht in unsere historische Schuld
und verpflichten uns heute zu Verantwortung und Wachsamkeit gegenüber aller Menschenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Gewalt.

Im Namen der ganzen christlichen Kirche sprechen wir aus:
Wohl haben einige unter uns im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft,
der im nationalsozialistischen Gewaltregiment
seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat;
aber wir klagen uns an,
dass wir nicht mutiger bekannt,
nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt
und nicht brennender geliebt haben.

(alle) Wir bitten um Klarheit und Halt in unserer Zeit,
weil wir ahnen, wozu auch wir fähig sein könnten,
weil wir das Böse in uns und um uns
nicht verharmlosen oder wegreden wollen,

In unseren Kirchen und unserer Gesellschaft
ist ein neuer Anfang gemacht worden.
Und doch wissen wir
um die Milde gegenüber den Tätern
und die fehlende Solidarität mit den Opfern,
bis auf den heutigen Tag.

(alle) Wir sind an der Seite der Opfer des Nationalsozialismus,
und der Überlebenden der Verfolgung,
die bis heute gezeichnet sind von dem erlittenen Grauen,
und davon weitergegeben haben an ihre Nachkommen.
Wir hoffen zu Gott,
dass durch den gemeinsamen Dienst der Kirchen,
dem Geist der Gewalt und der Vergeltung,
der heute von neuem mächtig werden will,
in aller Welt gesteuert werde
und der Geist des Friedens und der Liebe
zur Herrschaft komme, in dem allein
die gequälte Menschheit Genesung finden kann.
Amen

Feier des Abendmahls (Oxen)

Hinführung
Gott, gönn uns heute in dieser Stunde,
in der Erinnerung an das, was geschehen ist
und immer wieder geschieht,
inmitten aller Waffentaten und Kriegsgewalt,
die Vision des Friedens.
Wenn wir den Namen dessen aussprechen,
der dein Sohn genannt wird,
dein Friedens-Bote, Jesus von Nazareth,

wenn wir daran denken, dass er
den einzigen Weg gegangen ist,
der zum Frieden führt,
dass er sich selbst gegeben hat,
gebrochen, ausgeteilt,
als Brot für jeden Menschen,

gönn uns zu glauben, dass er
keine Hirngespinst und nicht erlogen ist,
dass er der Mensch ist, der zu sein wir trachten,
dass er der Friede ist, den wir erwarten -
gönn uns den Traum von einem Menschen.

Einsetzungsworte
Jesus Christus, in der Nacht, da er dahingegeben wurde, nahm er das Brot…

Gebet
Gott, wir bitten dich,
erfülle uns und alle Welt mit deinem Geist.
Ändere uns und hilf uns werden,
wie du uns gemeint hast.
In diesem Brot, das wir essen,
lass uns begreifen, dass wir mit Jesus verbunden sind
zur Gemeinde, zum gemeinsamen Dienst an den Menschen, trotz allem, was uns trennt.
In diesem Wein, den wir trinken,
lass uns begreifen, dass Jesus unsere Freude ist,
jetzt und wenn wir sterben,
trotz allem, was uns ängstet und bedrückt.
Wir danken dir für Brot und Kelch,
und für die Gemeinschaft an deinem Tisch,
die uns stärken auf unserem Weg. Amen.

Chor: Christus, Antlitz Gottes

Einladung und Austeilung

F. Poulenc (1899-1963) „Seigneur, je vous en´prie“ / „O me très chere frere“
G. P. da Palestrina (1525-1594) „Sicut Cervus“

Zuspruch

Fürbittengebet (verantw. Gardei)

Ojcze Nasz, Stanisław Moniuszko (1819-1872)

Vaterunser

Segen

Da pacem Domine (J. E. Kindermann, 1616-1655)


Kathrin Oxen, Marion Gadei