Wichtige Marksteine
Reformierte im Spiegel der Zeit
Geschichte des Reformierten Bunds
Geschichte der Gemeinden
Geschichte der Regionen
Geschichte der Kirchen
Biografien A bis Z
(1819 bis 1893)
Schaff wird um den 1. Januar 1819 als unehelicher Sohn des Philipp Schaff und der Anna Louis in Chur geboren und am 7. Januar getauft. Die Mutter wird Anfang Februar aus Chur ausgewiesen, ihr Sohn darf allerdings bleiben. Er wächst wohl in der großväterlichen Familie auf. In Chur besucht er die Primarschule und aufgrund seiner guten Leistungen kann er im September 1831 in die evangelische Kantonsschule wechseln, wo er einen Freiplatz erhält.
Der Antistes Paulus Kind der Jüngere ist einer seiner entscheidenden Förderer. Er macht ihn mit der Welt der Erweckungsbewegung bekannt und fördert ihn, wo er kann. Durch die Vermittlung Kinds will Schaff für ein Jahr als Schüler ins württembergische Korntal übersiedeln. Dort muss nach einigen Monaten wegen einer Seuche den Unterricht unterbrochen werden und Schaff wechselt nach Stuttgart. Von 1837-1840 studiert er Theologie in Tübingen und danach in Halle, wo er bei Tholuck wohnt, und schließlich in Berlin, wo August Neander den größten Einfluss auf ihn hat. Dem ursprünglichen Gedanken, als Pfarrer nach Graubünden zurückzukehren, steht seine uneheliche Abkunft entgegen.
1842 habilitiert er sich in Berlin und 1844 wird er an das Predigerseminar der deutsch-reformierten Kirche in Nordamerika in Mercersburg berufen. Dort hält er seine Antrittsvorlesung „Das Prinzip des Christentums“ und wird daraufhin vor der Synode der Häresie angeklagt, schließlich aber frei gesprochen. Das Verfahren macht ihn jedoch bekannt und lockt zahlreiche Studenten nach Mercersburg. In den folgenden Jahren wirkt er als Professor und arbeitet vor allem an kirchengeschichtlichen Büchern. An der Entwicklung einer neuen Liturgie und der Herausgabe eines neuen Gesangbuchs seiner Kirche ist er entscheidend beteiligt.
In diesen Jahren entsteht auch der erste Band der „Geschichte der christlichen Kirche von ihrer Gründung bis zur Gegenwart“. Dieses Werk wird bald zum Standardwerk über die frühe Kirche und ins Englische und Niederländische übersetzt. 1854 unternimmt er eine erste Europareise und versucht mit seinem Buch „Amerika“ die kirchlichen Verhältnisse in der Neuen Welt in Europa bekannt zu machen.
Im amerikanischen Bürgerkrieg nimmt Schaff eindeutig gegen die Sklaverei Stellung. Seine Arbeit in Mercersburg leidet dadurch, dass wichtige Schlachten in der Nähe der Stadt geschlagen werden. 1864 nimmt er eine Berufung als Sekretär des New Yorker Sabbathkommitees an, das sich der strengen Form der Sonntagsheiligung verschrieben hat. 1870 wird er Professor für christliche Symbolik und Enzyklopädie am Union Theological Seminary in New York und 1888 übernimmt er eine kirchengeschichtliche Professur am gleichen Institut. Diese hat er bis zu seinem Tode 1893 inne.
1870 erhält er die Leitung der amerikanischen Kommission für die Revision der englischen Bibel. Schaffs Herkunft aus dem Umkreis der Erweckungsbewegung hindert ihn nicht daran, sich früh dem Anliegen der ökumenischen Bewegung zu öffnen. Er schließt sich bald der evangelischen Allianzbewegung an und ist maßgeblich an der ökumenischen Ausrichtung ihrer New Yorker Konferenz von 1873 beteiligt. Er gehört auch zu den Initiatoren des Reformierten Weltbundes.
Seine alljährlichen Reisen nach Europa dienen nicht allein der Pflege wissenschaftlich-theologischer Kontakte, sondern auch der ökumenischen Verbindung der Kirchen untereinander. Mehrfach versucht er in Büchern und Vorträgen den Europäern die amerikanischen Kirchen und den Amerikanern die europäischen Kirchen näher zu bringen und wird so zu einem transatlantischen Brückenbauer.
Zwar verbreitet er damit in Europa ein recht konservatives und einseitiges Amerikabild und wird in Amerika immer wieder als Vertreter einer deutschen Theologie angesehen. Dennoch ist sein Einfluss kaum zu überschätzen. In seiner wissenschaftlichen Arbeit ist Schaff vor allem Kirchenhistoriker. Seine „History of the Christian Church“ und „Schaff-Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge“ sind in Neubearbeitungen auch heute noch Standardwerke in den USA.
Die Gründung der American Society of Church History am 23. März 1888 geht auf seine Initiative zurück und seinem Einfluss ist es zu verdanken, dass sie von Anfang an eine ökumenische Institution ist. In Zusammenarbeit mit seinem Mercersburger Kollegen John Williamson Nevin entwickelt Schaff eine ökumenisch ausgerichtete Theologie. Daraus entsteht bei Schaff die Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten das Land seien, indem sich die getrennten christlichen Kirchen wieder zu einem „Evangelical Catholicism“ zusammenfinden werden.
Karl Barth als Lehrer der Versöhnung
Interview mit Prof. Dr. Michael Beintker, Münster
Michael Beintker, Direktor des Seminars für Reformierte Theologie in Münster, ist einer der Organisatoren des Symposions. Im Gespräch mit reformiert-info weckt er die Neugier, die "theologische Meisterschaft" des reformierten Theologen Barth zu entdecken.
reformiert-info: Karl Barths Kommentar zur Verkündigung „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber“ (2. Kor 5,19) umfasst mit den Aussagen um Person und Werk Christi auch Themen wie Geist, Kirche, Sünde, Erlösung und Ethik.
Können Sie die Kernaussagen dieser Lehre im vierten Band der Kirchlichen Dogmatik trotzdem für unsere LeserInnen in wenigen Sätzen skizzieren?
Beintker: Barth hat mit einer bewundernswerten Konzeptionskraft und Geschlossenheit die Themen des zweiten und dritten Artikels des Glaubensbekenntnisses miteinander verknüpft. Ausgehend von Jesus Christus als dem wahren Priester, König und Propheten hat er die Befreiung des Menschen und der Kirche zum selbstlosen Dienst, zur Erkenntnis und Wahrnehmung ihrer Freiheit und zum wahrhaftigen Zeugnis des Evangeliums entfaltet. Den Kontrast dazu bilden Hochmut, Trägheit und Lüge. Vor diesen Dreien als Ausdrucksformen der Sünde brauchen wir in Christi Namen nicht zu kapitulieren. Die Gemeinde der Schwestern und Brüder soll uns dabei eine Hilfe sein. Und umgekehrt braucht die Gemeinde uns.
Barth als Grenzgänger
Im Titel des Symposiums wird zu „Karl Barth als Lehrer der Versöhnung“ ein Datum hinzugefügt: 1950-1968. Da denke ich sofort an den Kalten Krieg. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der theologischen Versöhnungslehre und Barths Haltung im Kalten Krieg?
Beintker: Barths Texte entstanden niemals zeit-los. Auch noch die engagierteste theologische Konzentration fordert den offenen Blick für das Zeitgeschehen. Der Kalte Krieg und die Polarisierungen zwischen Ost und West haben ihn immer wieder beschäftigt, als er an seiner Versöhnungslehre arbeitete. Im Text der Kirchlichen Dogmatik wird das zumeist nur angedeutet. Aber Barth hat sich in den öffentlichen Stellungnahmen jener Jahre immer wieder so klar zur Lage in Europa und in der Welt geäußert, dass an seiner politischen Aufmerksamkeit nicht der geringste Zweifel aufkommen kann. Es entspricht in gewisser Weise der Ethik seiner Versöhnungslehre, dass er sich als ein vermitteln wollender Grenzgänger zwischen den damaligen Systemgegensätzen begriff. Auch wenn an seiner – eidgenössisch vorgeprägten – Leidenschaft für die Freiheit kein Zweifel aufkommen konnte, hat er sich doch für mäßigende Urteile über die Lage im Bereich der Sowjetherrschaft ausgesprochen.
Barth hatte überlegt, Band IV seiner Dogmatik „Lehre des Bundes“ zu nennen. Was sagt das über die Ausrichtung seiner Versöhnungslehre?
Beintker: Die Versöhnung zwischen Gott und Mensch ist Ausdruck der Treue, in der Gott zu seinem Bund steht. Ohne Versöhnung kann der Bund nicht zu seinem Ziel kommen; alles ist darauf abgestellt, dass der Mensch in Jesus Christus Partner dieses Bundes werden kann. Insofern liegt der ursprünglich geplante Titel auf der Linie von Barths Bundestheologie. Allerdings hat sich dann doch der Versöhnungsgedanke behauptet, der seit der frühen Göttinger Dogmatik fester Bestandteil des berühmten Dreitakts von Schöpfung, Versöhnung und Erlösung gewesen ist.
Allversöhnung?
Wie hält Karl Barth es mit der Allversöhnung, der Verkündigung, dass Gott sich aller erbarme (Röm 11), dass Gott sei alles in allem (1. Kor 15)?
Beintker: Barth hat sich immer für den Vorrang der Erwählung und die souveräne Dominanz der göttlichen Gnade ausgesprochen. Obwohl der Schluss auf Allversöhnung naheliegt, wenn man seinen Argumentationen folgt, hat Barth dem Ausgang der Geschichte des Bundes nicht die letzte Spannung nehmen wollen. Allversöhnung im Sinne eines Systemprinzips hat er deutlich abgelehnt: Mit dem Nichtigen und seinen Exponenten wird sich Gott niemals versöhnen. Auch das ist tröstlich.
Was ist für Sie persönlich die wichtigste Erkenntnis aus der Barthschen Versöhnungslehre?
Beintker: Die wichtigste Erkenntnis besteht für mich darin, dass das von Menschen oft so missbrauchte „Gott mit uns“ in Jesus Christus zu seinem uneingeschränkten, durch nichts zu mindernden Recht kommt. In ihm tritt Gott so für uns ein, dass er alles, was wir in unserem Leben falsch gemacht haben, am Kreuz auf sich nimmt.
Barths Versöhnungslehre hat ihre eigentliche Entdeckung noch vor sich
Wirft die Versöhnungslehre eine Frage – oder auch mehrere – auf, an der wir heute dringend weiterarbeiten sollten?
Beintker: Lassen Sie mich etwas überspitzen: Barths Versöhnungslehre hat ihre eigentliche Entdeckung noch vor sich! Die theologische Entwicklung ist seinerzeit über sie – von einigen Ausnahmen abgesehen – einfach hinweggeschritten. Es reichte damals fast nur zu kritischen Besprechungen; eine echte Rezeption kam kaum zustande. Dabei kennen wir keine Dogmatik, die auch nur annähernd das geleistet hätte, was dieses Werk tatsächlich geleistet hat: nämlich den inneren Zusammenhang der Lehre von Jesus Christus mit den großen Themen der christlichen Heilsverkündigung abzubilden. Bei der Betrachtung jedes einzelnen Themas ist immer das Ganze präsent. Darin zeigt sich eine große theologische Meisterschaft. Barths Verschränkung des Weges Jesu Christi mit der Existenz des von uns gelebten Christseins ist so aufregend, dass man über lang oder kurz wieder auf sie zurückgreifen wird.
22. April 2014
„Jesus Christus ist das eine Sakrament“. So versteht Karl Barth das Sakrament in der Kirchlichen Dogmatik (KD). Wie kommt Barth zu diesem Verständnis? Was sagt es über menschliche Freiheit und Gottes souveränes Gott-Sein? Seine Antworten und Thesen hat Michael Weinrich, Professor für Ökumenik und Systematik, auf dem Barth Symposion Anfang Mai vorgetragen. Ein Bericht aus Emden.
Zum Internationalen Symposion Karl Barth als Lehrer der Versöhnung: Vertiefung - Öffnung - Hoffnung laden ein: das Seminar für Reformierte Theologie der westfälischen Wilhelms-Universität Münster, das Seminar für evangelische Theologie der Universität Siegen, die Karl Barth-Gesellschaft e.V. und die Johannes-a-Lasco Bibliothek in Emden.