Aktuelles aus der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK)
''Herausforderungen in Zukunftsmöglichkeiten verwandeln'' - ''grenzenloses Konsumverhalten und Profitsucht bekämpfen''
Generalsekretär Setri Nyomi zu Herausforderungen und Möglichkeiten im Jahr 2013 - Lutherjubiläum verbindet die protestantische Reformation mit Anliegen der Gegenwart - Bekämpfung von grenzenlosem Konsumverhalten und Profitsucht - Leiterin des Referats für Gerechtigkeit Dora Arce-Valentin jetzt in Genf - Partnerschaftsfonds: Kirchen erhalten Nothilfe bei Naturkatastrophen - Sitzung des Exekutivausschusses im Mai in Ghana

Generalsekretär Setri Nyomi im Reformed Communiqué - März 2013

Planungen für die Exekutivausschusssitzung in Ghana sind angelaufen

Mit der São Paulo–Erklärung beginnt eine neue Ära ökumenischer Fürsprachearbeit im Bereich wirtschaftlicher Gerechtigkeit in Lateinamerika

Leiterin des Referats für Gerechtigkeit jetzt in Genf

Lutherjubiläum verbindet die protestantische Reformation mit Anliegen der Gegenwart

Partnerschaftsfonds: Kirchen erhalten Nothilfe bei Naturkatastrophen

Reformierte Kirchengemeinschaft erhält Körperschaftsrechte in Deutschland - "ein Ausdruck der Gastfreundschaft des Landes Niedersachsen"

 

Generalsekretär Setri Nyomi im Reformed Communiqué - März 2013

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind (Römer 8: 28).

Josef aber sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! … Ihre gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein grosses Volk (1. Mose 50: 19-20).

Wir sind in das Jahr 2013 eingestiegen – ein Jahr voller Möglichkeiten und Herausforderungen für uns alle in der Familie der WGRK. Und indem sich das Jahr vor uns entfaltet, bitten wir darum, dass die Leserinnen und Leser des Reformed Communiqué ihr Engagement gegenüber Gott erneuern und die ihnen von Gott eröffneten Chancen wahrnehmen, um mit diesen Herausforderungen fertig zu werden. 

Viele unserer Kirchen stehen vor schwierigen Situationen. Diese mögen durch gewalttätige politische und gesellschaftliche Umstände  ausgelöst sein, unter denen sie ihren missionarischen Auftrag ausführen, oder durch mangelnde menschliche und finanzielle Ressourcen verursacht sein, ganz zu schweigen von den Spaltungstendenzen, mit denen sie ringen. Die Versuchung ist gross, sich damit abzufinden und sich zu fragen, ob es je möglich sei, derartige Situationen zu überwinden. 

Das oben angeführte Zitat aus dem 1. Buch Mose ist Teil einer bekannten Erzählung, die davon berichtet, wie Josef von seinen Brüdern ungerecht behandelt wurde. Darüberhinaus wurde er unter falscher Anklage in Ägypten ins Gefängnis geliefert, bevor er einen Aufstieg zu hoher Prominenz erfuhr. Josef hätte durchaus Gefangener der ihm im Leben begegnenden Probleme bleiben können. Doch die Botschaft, die hier erklingt, zeugt von einer Philosophie, die Herausforderungen in Zukunftsmöglichkeiten verwandelt – ein Glaubensbekenntnis, das davon ausgeht, dass Gott ungeachtet der sich auftürmenden Schwierigkeiten Auswege eröffnet, die  eine Überwindung der Probleme und die Gestaltung eines zukunftsträchtigen Lebens möglich machen. Und diese Aussage findet in dem aus dem Römerbrief stammenden Vers ein Echo, der emphatisch davon spricht, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. 

Auch die WGRK hatte in den Jahren 2011-2012 ihren Anteil an Problemen zu bewältigen, und diese zwangen sie zu einer Reihe harter Entscheidungen. Die grösste Herausforderung ergab sich aus den durch die weltweiten Währungskursschwankungen ausgelösten finanziellen Einbussen. Gegensätzliche Vorstellungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten führten fast zum Bruch unter uns. Wir danken Gott, uns davor bewahrt zu haben, unter diesen Problemen zu zerbrechen. In gemeinsamer Anstrengung gelang es den Leitungsgremien der WGRK, den Mitgliedskirchen und dem Mitarbeiterstab, angemessene Auswege zu finden. Gemeinsam suchten und fanden wir Lösungen, und gemeinsam soll es uns gelingen, uns auf unsere Berufung und unsere Mission zu besinnen.   

Als Menschen, die vom Glauben an Gott getragen sind, sind wir berufen, nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, die sich inmitten aller Schwierigkeiten auftun, und so unsere Blickrichtung auf unsere Mission zu bewahren. Meine Kolleginnen und Kollegen im Büro der WGRK sind fest entschlossen, uns in diesem Jahr auf unsere strategischen Aktionen zu konzentrieren, die unserem Auftrag entsprechen, und uns nicht von den Problemen der Vergangenheit erdrücken zu lassen. Wir wollen es nicht zulassen, dass die mit der Übergangsperiode und der Verlegung des Hauptsitzes verbundenen Probleme ein Anlass zur Untreue gegenüber unserem Auftrag werden. Was für alle Kirchen gilt, trifft auch auf uns zu: alle unsere Probleme werden sich nicht von heute auf morgen in Spuk auflösen. Doch wir erkennen umso deutlicher die Gelegenheiten, die sich vor uns auftun, um unsere Kirchengemeinschaft aufzubauen, die reformierte Familie zu einen und unseren Beitrag zu grösserer Einheit der Kirche unseres Herrn Jesus Christus zu leisten, indem wir uns für Gerechtigkeit einsetzen, damit sich etwas am Zustand unserer Welt zum Besseren wendet.   

Setri Nyomi
Generalsekretär

 

Planungen für die Exekutivausschusssitzung in Ghana sind angelaufen

Der Exekutivausschuss der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) trifft sich im Mai in Ghana. Gastgeber des jährlichen Treffens sind die beiden Mitgliedskirchen der WGRK in Ghana: die Evangelische Presbyterianische Kirche,  Ghana, und die Presbyterianische Kirche in Ghana. Für die zehntägige Begegnung, die vom 6. – 16. Mai in Dodowa, nahe der Hauptstadt Accra, stattfindet, werden 33 Teilnehmende erwartet. 

Thema der Tagung ist "Die ökumenische Vision der WGRK: Quo imus?" In ihren Überlegungen zu diesem Thema werden die Exekutivausschussmitglieder gemeinsam mit BeraterInnen und leitenden Stabsmitgliedern darüber nachdenken, wie die Rolle der WGRK innerhalb der gesamten ökumenischen Bewegung nach Verlegung ihres Hauptsitzes im Januar 2014 von Genf, Schweiz nach Hannover, Deutschland zu verstehen ist.

Der Generalsekretär der WGRK, Setri Nyomi, sagt, die Teilnehmenden werden sich mit der Frage befassen, wie die ökumenische Vision der WGRK bestätigt und geklärt werden kann, und „wie der neue Hauptsitz zu einer soliden Ausgangsbasis für diese Vision werden kann.”

„Entscheidend dürfte die Frage sein, wie sich die WGRK die Wahrung der Kontinuität beim Aufbau ihrer Gemeinschaft (Communion) im Rahmen ihrer Vision vorstellt, wie sie sich aktiv an der Ökumene auf Weltebene beteiligen wird und was es bedeutet, in Übergangssituationen ökumenisch ausgerichtet zu sein. Im Mittelpunkt der Diskussion dürfte die Frage stehen, wie die WGRK ihre Identität als eine der Gerechtigkeit verpflichtete Gemeinschaft sichern wird,” erklärte Nyomi.

Der ghaneische Theologe und Ökumeniker, dessen Dienstzeit als Generalsekretär im April 2014 ausläuft, begrüsst diese Gelegenheit zu einem Treffen in seinem Heimatland. „Wir danken den Kirchen in Ghana für ihre Gastfreundschaft und ihre freundliche Aufnahme der letzten Exekutivausschusssitzung unter meiner Verantwortung. Ich gehe davon aus, dass wir an dieser Sitzung eine klare Vision davon zu entwickeln vermögen, wie die WGRK noch stärker zu einer Gemeinschaft werden kann, die sich der Gerechtigkeit verpflichtet weiss,” sagt Nyomi.

Wichtigste Tagesordnungspunkte des Exekutivausschusses sind Berichte zum Stand der Vorbereitungen für die Verlegung des WGRK-Büros nach Hannover, die Verabschiedung des Haushaltes für 2013 und die Wahl eines neuen Generalsekretärs. Zum Programm gehören ebenfalls Besuche bei Ortsgemeinden und kirchlichen Missionswerken.

Steve Lytch, der neue Direktor der WGRK für Finanzentwicklung, wird über Mittelbeschaffungsinitiativen im Rahmen einer Kampagne zur Gründung eines Kapitalfonds von USD 11 Millionen für die Organisation bis zum Jahr 2017 berichten.

Im Vorfeld der Tagung werden die Teilnehmenden das im Jahr 1482 von portugiesischen Händlern gegründete Elmina Castle besichtigen, das als erste europäische Sklavenhandelsgarnison der Region südlich der Sahara gilt. Der Besuch ist Teil eines sog. „Pilgertages” unter Einschluss einer Ansprache des Generalsekretärs des Council for World Mission, Colin Cowan.

Nyomi wies darauf hin, dass diese Pilgerfahrt zum Elmina Castle dazu dienen soll, die Mitglieder des Exekutivausschusses mit den tragischen Aspekten unserer Menschheitsgeschichte vertraut zu machen, wo Menschen versklavt und als Ware verkauft wurden.

„Eine solche Erfahrung kann uns zu einer vertieften Erkenntnis der Macht des Bösen verhelfen und uns darauf vorbereiten, allen Formen von Versklavung zu widerstehen und unseren Willen zur Bekämpfung aktueller Formen von Unrecht zu stärken,” sagt Nyomi.

 

Mit der São Paulo–Erklärung beginnt eine neue Ära ökumenischer Fürsprachearbeit im Bereich wirtschaftlicher Gerechtigkeit in Lateinamerika

Ermutigt von den Impulsen der „São Paulo-Erklärung: Umwandlung des internationalen Finanzsystems zu einer Wirtschaft im Dienst des Lebens” haben ökumenische Gremien aus Lateinamerika eine Reihe von Begegnungen mit Regierungsvertretern ihres Kontinents durchgeführt. In Argentinien, Bolivien und Peru kam es bereits zu Audienzen mit leitenden Staatsbeamten.

Die Erklärung ist das gemeinsame Arbeitsergebnis der Teilnehmenden einer von der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) in Partnerschaft mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und dem Council for World Mission (CWM) vom 29. September bis 5. Oktober 2012 in Guarulhos, Brasilien, durchgeführten Konferenz.  Die „Weltweite ökumenische Konferenz zum Bau einer neuen Architektur des Wirtschafts- und Finanzwesens” war von der WGRK im Rahmen ihres Referates für Gerechtigkeit unter der Leitung von Dora Arce-Valentin einberufen worden.

Am 27. Oktober 2012 wurde das Dokument der argentinischen Staatskanzlei von einer ökumenischen Delegation von Vertretern des ÖRK, des Lateinamerikanischen Kirchenrates (CLAI), der Vereinigung Presbyterianischer und Reformierter Kirchen in Lateinamerika (AIPRAL), des Weltbundes für Christliche Kommunikation (WACC) und der Lateinamerikanischen und Karibischen Agentur für Kommunikation (ALC) überreicht.

Unter der Führung von CLAI-Präsident Julio Murray, einem Bischof aus Panama, wurde die Delegation von Botschafter Juan Landaburu, der das Sekretariat für religiöse Angelegenheiten im Aussenministerium Argentiniens leitet, in Begleitung von Andrea De Vita, Direktor des Nationalen Büros religiöser Organisationen, empfangen.

Beim Überreichen der Erklärung an Botschafter Landaburu unterstrich Dario Barolin, der Exekutivsekretär von AIPRAL und Mitglied der Redaktionsgruppe der Erklärung, die strategische Bedeutung dieser Konferenz.

„Verfasst von Theologen und Wirtschaftswissenschaftlern benennt die Erklärung grenzenloses Konsumverhalten und Profitsucht als Schlüsselfaktoren, die es zu bekämpfen gilt, wenn wir eine gerechtere Verteilung der Ressourcen der Erde anstreben,” sagte Barolin. Er betonte die Notwendigkeit für staatliche Behörden, politische Entscheide „zugunsten eines lebensdienlichen globalen Finanzsystems“ zu treffen.

Argentinien galt einmal als reiches Land, war jedoch in jüngster Vergangenheit wiederholt  andauernden Wirtschaftskrisen, Finanz- und Zahlungsdefiziten, hohen Inflationsraten, steigender Aussenhandelsverschuldung und Kapitalflucht ausgesetzt. Der grösste Wirtschaftsrückgang im Land ereignete sich in den Jahren 1999-2000, und dessen Nachwirkungen sind noch heute in Form von Unsicherheitsgefühlen in der Bevölkerung spürbar.    

„Was wir von Ihrer Fürsprache- und Entwicklungsarbeit lernen können, bedeutet eine Stärkung für uns," sagte Landaburu. Zugleich erklärte er sich bereit, das Dokument auch anderen Regierungsbehörden vorzulegen.

Am 9. Januar 2013 wurde die Erklärung in La Paz, der Hauptstadt Boliviens, dem Minister des Präsidialamtes, Juan Ramon Quintana, übergeben. Die ökumenische Delegation stand unter der Leitung von Walter Altmann, einem brasilianischen Pastor und Moderator des ÖRK-Zentralausschusses.

In seiner Ansprache an die Delegierten unterstrich  Quintana die Wichtigkeit partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit engagierten Vertretern der Gesellschaft. „Kirchen können beim Miteinanderteilen und bei der Förderung von Talenten im Dienst einer guten Lebensqualität aller Menschen eine äusserst effektive Rolle spielen. Wir sind bemüht, die Würde aller Menschen zu verteidigen und hochzuhalten, und das gehört ebenfalls zu Ihrem Mandat,” sagte Quintana.

Bolivien nimmt bei Debatten um Entwicklungsfragen auf der Ebene der Vereinten Nationen eine Schlüsselposition ein. Unter der Führung seines ersten indigenen Präsidenten, Evo Morales, versucht das Land, ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Machtstrukturen und fairen Verteilungsprozessen seiner natürlichen Ressourcen herzustellen.  

Die Delegation traf sich auch mit Botschafter Fernando Huanacuni, Vizeminister für religiöse Angelegenheiten im Aussenministerium Boliviens. Bei dieser Begegnung gab Huanacuni seine Anerkennung für die Erklärung zum Ausdruck.

„Dieses Dokument kann ein wichtiger Beitrag zum jetzt beginnenden Dialog zwischen verschiedenen Segmenten unserer Gesellschaft sein,” sagte er. 

Auch der peruanischen Regierung wurde die Erklärung überreicht. Am 8. Januar erhielten  Alberto Cruzalegui, Berater des Exekutivdirektors der peruanischen Agentur für internationale Zusammenarbeit und Ana Maria Alvarado, Beraterin für Beziehungen zu Organisationen der Zivilgesellschaft – beide als Mitglieder des Aussenministeriums Perus –  von einer ökumenischen Delegation eine Kopie der Erklärung in der peruanischen Staatskanzlei in Lima. Humberto Martin Shikiya, Exekutivdirektor des Regionalen Ökumenezentrums für Beratung und Dienst (CREAS), der an den Begegnungen mit allen drei Regierungsbehörden beteiligt war, beurteilt die Fürsprachestrategie, wie sie von diesem ökumenischen Dokument zu weltweiten Wirtschaftsfragen vertreten wird, folgendermassen: „Für uns  in Lateinamerika besteht heute die grösste Herausforderung darin, uns diese Prozesse so anzueignen, dass sie zu strukturellen Veränderungen in unseren Gesellschaften führen. Die São Paulo-Erklärung enthält klare Aussagen zur sozialen Gerechtigkeit und zur Wahrung der Würde der ärmsten und verletzlichsten Mitglieder der Bevölkerung,” sagte er.

„Die ökumenische Bewegung muss ihre Verbindungen sowohl zur Zivilgesellschaft wie zu den staatlichen Behörden vertiefen. Beide sind unsere strategischen Partner, wenn wir etwas bewirken wollen,” sagte Shikiya abschliessend.

 

Leiterin des Referats für Gerechtigkeit jetzt in Genf

Dora Arce-Valentin ist Anfang Januar in Genf angekommen, um ihr Vollamt als Leiterin des Referats für Gerechtigkeit und Partnerschaft der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) zu übernehmen. 

„Jetzt bin ich dort, wo ich sein soll. Unser Personalteam soll an einem Standort angesiedelt sein, damit wir Gerechtigkeitsanliegen gemeinsam vertreten können,“ sagt Arce-Valentin. Das Programm für Theologie und Gemeinschaft und  das für Gerechtigkeit sind die beiden Standbeine unserer Organisation. Ich bin dankbar, hier zu sein, um das nötige Gleichgewicht zu gewährleisten.“ 

Seit Januar 2012 arbeitete Arce-Valentin von ihrem Büro in Kuba aus als teilzeitlich angestellte Programmberaterin für Gerechtigkeitsfragen. Ein vom Council for World Mission bewilligter Finanzzuschuss ermöglicht der kubanischen Pastorin und Gerechtigkeitsadvokatin, ab Anfang Januar 2013 ihr Büro in Genf zu besetzen. 2014 wird sie mit dem Personalstab in das neue Büro der WGRK nach Hannover, Deutschland umziehen.  

Setri Nyomi, empfing Arce-Valentin als Generalsekretär der WGRK mit folgenden Worten: „Pfarrerin Dora Arce-Valentin kommt zur WGRK mit ihrer grossen Erfahrung als Pastorin und als Person, die der Gerechtigkeit verpflichtet ist. Mit ihr als vollamtlichem Mitglied des Personalstabs wird die WGRK in einer besseren Ausgangsposition sein, um sich in Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedskirchen verstärkt für Gerechtigkeitsanliegen in der Welt einzusetzen.“ 

Arce-Valentin sagt, sie sei der Presbyterianischen Kirche in Kuba für deren Zustimmung dankbar, dass sie diese Anstellung bei der WGRK zu einem Zeitpunkt übernehmen könne,  wo ihre eigene Kirche PfarrerInnen in der Heimat dringend braucht. 

„Meine Kirche verfügt über keine Ressourcen finanzieller Art. Wir leisten unseren Beitrag, indem wir menschliche Ressourcen zur Verfügung stellen. Das soll unsere Handlungsweise sein, um anzuerkennen, wie wesentlich für uns die Gerechtigkeitsarbeit im Rahmen der WGRK und der ökumenischen Bewegung ist,“ sagt sie. 

In diesem Jahr wird sich Arce-Valentin schwerpunktmässig mit der Herstellung enger Kontakte zu kirchlichen Gruppen auf regionaler Basis befassen. Ihre Erfahrungen in der Region der Karibik haben sie überzeugt, dass dies der beste Weg zur Verknüpfung mit Gemeinden vor Ort sei, um deren Bedürfnisse abzuschätzen und sie wissen zu lassen, welche Leistungen die WGRK für sie erbringen kann. 

In ihrer Vision für Gerechtigkeitsprogramme möchte Arce-Valentin den Akzent auf die Zusammenarbeit mit Jugendgruppen legen. Zu ihren Plänen gehört ein Angebot von Workshops über positive, gewaltlose Modelle und Vorbilder von Maskulinität sowie die Unterstützung Jugendlicher und deren Einsatz im Bereich Umweltgerechtigkeit. 

„Jugendliche engagieren sich gerne für Gerechtigkeitsanliegen,“ stellt sie fest. „Es besteht ein Potential für Jugendliche zur Übernahme von Verantwortung in diesem Bereich, was ihnen ermöglicht, Kirchen dazu zu bewegen, in diesen Fragen aktiv zu werden.“ 

Pläne für 2013 umfassen auch die Nacharbeit zu dem letztes Jahr in Brasilien stattgefundenen Treffen, das Vorschläge für einen neuen Bezugsrahmen der Finanzstrukturen der Welt entwickelt hatte.  Zur Zeit ist man dabei, ein Panel von Experten zu bilden, um diese Vorschläge umzusetzen. Und für den Monat März will Arce-Valentin eine Begegnung der WGRK-Netzwerke von Gerechtigkeitsfürsprechern einberufen, und zwar im Kontext einer Konsultation zum Problem des Menschenhandels.

 

Lutherjubiläum verbindet die protestantische Reformation mit Anliegen der Gegenwart

Nach Aussagen eines führenden Kirchenvertreters aus Deutschland bilden die Jubiläumsfeiern anlässlich des 500. Jahrestages des Aufrufs Martin Luthers zur Reformation der christlichen Kirche eine Gelegenheit, uns Bedeutung und Auswirkung der protestantischen Reformation auf die heutige Gesellschaft in Erinnerung zu rufen.

Am  31. Oktober 1517 nagelte Martin Luther, ein katholischer Mönch, eine Liste von Forderungen nach Kirchenreformen an die Tür einer Kirche in Wittenberg, Deutschland. Dieser Akt wurde zum Symbol für ähnliche Aufrufe zu kirchlichen Reformen überall in Europa, was schliesslich zur Gründung protestantischer Kirchen im 16. Jahrhundert führte.

„Kirchen können die Gedenkfeiern um Luthers symbolischen Akt heute sinngemäss dafür nutzen, unsere säkularisierte Öffentlichkeit auf die Bedeutung der Ausdrucks- und Glaubensfreiheit hinzuweisen,” sagt Martin Schindehütte, Bischof für Oekumene und Auslandsarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Wir haben Freude an der Verschiedenheit unserer Nachbarn und setzen uns für Gerechtigkeit ein.”

Schindehütte machte diese Äusserungen vor Weihnachten in Genf in der Schweiz, bei Gesprächen  mit Vertretern der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und des Lutherischen Weltbundes (LWB). Im Zentrum der Tagesbegegnung standen Diskussionen um die Gestaltung der weltweiten ökumenischen Aktivitäten der kommenden Jahre bis zum Jubiläumsjahr 2017.

Die deutsche Delegation umfasste Margot Kässmann, Botschafterin für das Reformationsjubiläum von 2017 und Norbert Denecke, Generalsekretär des Deutschen Nationalkomitees des LWB. Die WGRK wurde durch Generalsekretär Setri Nyomi und den Referenten für Theologie und ökumenische Beziehungsprogramme, Douwe Visser, repräsentiert.

Visser sagte zur deutschen Delegation, die Jubiläumsfeiern von 2009 anlässlich des 500. Geburtstages des protestantischen Reformators Johannes Calvin hätten eine Reihe von  bedeutenden Gedenkfeiern eingeläutet, die im Zusammenhang mit der Entstehung und Ausbreitung der protestantischen Reformation in Europa und deren weltweiter Ausstrahlung stünden.

Visser gab zu verstehen, die biblische Botschaft in ihrem Verhältnis zu Problemen unserer Zeit und dem Auftrag der christlichen Gemeinschaft im Kontext gesellschaftlicher Gerechtigkeit bildeten den Kern des Arbeitsprogrammes der WGRK für die nächsten Jahre bis zum Jubiläum von 2017. Dazu gehöre auch eine Konsultation des Theologennetzwerks der WGRK im Jahr 2013 unter dem Titel „Kirchen jenseits von Differenzen”. Dort solle die Frage behandelt werden, wie Christinnen und Christen der jungen Generation ihre unterschiedliche kirchliche Herkunft als mögliches Hindernis zum gemeinsamen gottesdienstlichen Leben und zur Zusammenarbeit beurteilen.

 

Partnerschaftsfonds: Kirchen erhalten Nothilfe bei Naturkatastrophen

Von Douwe Visser

Der Partnerschaftsfonds der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) ist für seine Unterstützung von Missions- und Entwicklungsprojekten, welche die Kirchen dem Fonds unterbreiten, recht gut bekannt.  Weniger bekannt ist die Bereitschaft der WGRK, Kirchen im Fall von Naturkatastrophen beiseite zu stehen. In solchen Fällen bedarf es keines vorgängigen Gesuchs der betreffenden Kirche um Gewährung eines Zuschusses. Ist die Nothilfesituation, in der sich eine Mitgliedskirche befindet, der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen bekannt, so nimmt der Generalsekretär der WGRK direkt Kontakt zu der betroffenen Kirche auf und bietet ihr die Möglichkeit einer Hilfe durch den Partnerschaftsfonds an.

Sicher sind auch diese Unterstützungsleistungen an gewisse Bedingungen geknüpft. Die betreffende Kirche muss auf das Angebot des Generalsekretärs antworten und ein Hilfsgesuch einreichen. Der Höchstbetrag für derartige Nothilfen beläuft sich auf USD 11,000, und die Kirche muss sechs Monate nach Erhalt der Finanzhilfe über den Einsatz der Gelder Bericht erstatten. 

- 2010 wurden im Zentrum Ugandas weite Landstrecken durch Erdrutsche beschädigt, die durch schwere Regenfälle ausgelöst waren. Darauf wurden dem Reformierten Christlichen Zentrum in Uganda 5,500 USD zur Säuberung der Umgebung und zur Hilfe beim Wiederaufbau überwiesen.  

- In demselben Jahr gingen schwere Regenfälle auf Pakistan nieder. Viele Landesteile wurden überflutet und manche Dörfer zerstört. Die Presbyterianische Kirche in Pakistan erhielt darauf den Betrag von 5,500 USD als Nothilfe. 

- Im Jahr 2011 wurde die Ernte in Birma (auch als Myanmar bekannt) durch eine Rattenplage schwer gefährdet. Auch in diesem Fall konnte der Evangelischen Presbyterianischen Kirche in Myanmar ein Betrag von 5‘500 USD überwiesen werden, um den Gemeinden bei der Schädlingsbekämpfung zu helfen.

Dies sind nur einige Beispiele unter vielen, wo es der WGRK möglich war, Katastrophenhilfe zu leisten. Natürlich kann niemand voraussagen, wie viele Nothilfesituationen sich jedes Jahr ereignen werden. Doch im Durchschnitt kann eine derartige Unterstützung viermal im Jahr gewährt werden. Auch wenn unsere Hilfe oft nur einen Teil der Bedürfnisse zu decken vermag, ist die WGRK froh, auf diese Weise ein Zeichen der Solidarität setzen zu dürfen und so die zwischenkirchliche Gemeinschaft und gegenseitige Fürsorge zum Ausdruck zu bringen.

Für weitere Informationen zum Partnerschaftsfonds besuchen Sie unsere Website www.wcrc.ch
oder senden Sie ein E-Mail an partnershipfund@wcrc.ch

 

Reformierte Kirchengemeinschaft erhält Körperschaftsrechte in Deutschland - "ein Ausdruck der Gastfreundschaft des Landes Niedersachsen"

Die Regierung des deutschen Bundeslandes Niedersachsen hat der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) die Körperschaft öffentlichen Rechts verliehen. Der neue Rechtsstatus gewährt der WGRK u.a. die Möglichkeit zu einem offiziellen Abkommen mit der Bundesregierung Deutschlands zum Erhalt von Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen für ihre Mitarbeiterschaft, sowie die Befreiung von Sozialversicherungsauflagen und Anstellungsbeschränkungen. 

Die WGRK wird ihr Genfer Hauptquartier in der Schweiz im Januar 2014 verlassen und ihren Sitz nach Hannover, der Landeshauptstadt von Niedersachsen verlegen. Der Umzug wurde  durch die hohen Betriebskosten in der Schweiz und den Höhenflug des Schweizer Franken ausgelöst. Die WGRK erhält den grössten Anteil ihres Einkommens in Beiträgen, die in Euros und USDollars eingezahlt werden.

Anlässlich einer Willkommensfeier am Mittwoch in Hannover übergab (der nun ehemalige) Ministerpräsident David McAllister die Dokumente zur Verleihung der Körperschaftsrechte an den Generalsekretär der WGRK, Setri Nyomi. An der Zeremonie nahmen der Generalschatzmeister der WGRK, Johann Weusmann, sowie der für die Feststellung der „Rechtmässigkeit“ der Organisation zuständige Kultusminister des Landes Niedersachsen, Bernd Althusmann, teil. Zu den Teilnehmenden gehörten auch die Referentin der WGRK für Gerechtigkeit und Partnerschaft, Dora Arce-Valentin, der Präsident der Evangelisch-Reformierten Kirche, Jann Schmidt und Bischof Martin Schindehütte vom Aussenamt der EKD.

Ministerpräsident David McAllister hiess die WGRK in Hannover herzlich willkommen und betonte in seinem Grusswort, wie sehr er die Wahl seiner Stadt durch die Leitung der  WGRK als deren neuem Sitz schätze. Er gab auch seiner Hoffnung Ausdruck, die WGRK möge die Erfahrung machen, dass Hannover einer internationalen Gemeinschaft viel zu bieten habe.

Nyomi antwortete darauf, für ihn sei die Verleihung des Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts an die WGRK ein Ausdruck der Gastfreundschaft des Landes Niedersachsen. Dieser Akt werde es der WGRK ermöglichen, ihr Mandat der Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedskirchen in  Bereichen wie sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit, sowie der theologischen Arbeit und der Förderung kirchlicher Einheit unter Reformierten fortzuführen.

„Wir sind den Kirchenleitungen der WGRK-Mitgliedskirchen in Deutschland für ihre beharrliche Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden dankbar. Dank dieser Anstrengungen war es möglich, uns für Hannover als neuem Hauptsitz unserer Büros zu entscheiden. Von Hannover aus wird die WGRK ihre kritische Stimme weiterhin zugunsten der Gerechtigkeit für alle Menschen in der Welt geltend machen,“ sagte Nyomi. 



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Leben nach dem Tod

Von Eberhard Busch

© Kerstin Bonk

Indem der Tod zwar unsere Grenze, Gott aber die Grenze dieses Todes ist, ist der Tod nicht ewig, werden aber wir im Mit-uns-sein Gottes mit uns Gestorbenen verewigt.

1 Die Wirklichkeit des Todes
2 Die Bitterkeit des Todes
3 Die Begrenzung des Todes
4 Das Jenseits des Todes

Im Grunde ist alles Nötige zu dem mir gestellten Thema gesagt in der Frage 1 des Heidelberger Katechismus: »Das ist mein einziger Trost, daß ich mit Leib und Seele, beides im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre, der mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst hat und so bewahrt, daß ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann, ja mir alles zu meiner Seligkeit dienen muß. Darum versichert er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens und macht mich willig und bereit, ihm fortan zu leben.«

In meiner Pfarrertätigkeit habe ich diese Worte an jedem offenen Grab mit den Trauernden gesprochen. Diese Worte gehören nicht nur an Gräber. Aber sie gehören auch dorthin, weil sie zusammenfassen, welche Hoffnung wir im christlichen Glauben haben dürfen angesichts des Todes, der auf uns alle wartet. Grundsätzlich mehr als das werden wir zur Frage nach dem »Leben nach dem Tod« nicht sagen können, wenn wir uns nicht gewissenlosen Spekulationen hingeben wollen. Müßten wir grundsätzlich weniger sagen als das, so bliebe uns wohl nur übrig, uns in tapferer oder verzweifelter Resignation der Allgewalt des Todes zu beugen. Aber sagen diese Worte genug, um uns zuverlässig und tröstlich Antwort zu geben auf die sich hier aufwerfende Frage?

Diese Frage stellt ja allem Anschein nach alles in Frage. Wir werden sterben – »lebenssatt« oder allzufrüh, mit brutaler oder mit sanfter Hand. Ist es unsicher, wie und wann, so ist es sicher, daß das auf uns zukommt. Wir alle werden sterben – Hohe und Niedrige, Verbrecher und Heilige. Jede Geburt bedeutet den Beginn des Laufs diesem Ende entgegen, bedeutet auch den Beginn der Flucht vor diesem Ende. Sie wird aber einmal vergeblich gewesen sein. Sterben heißt, daß es unwiderruflich zuende geht mit diesem Lauf und mit dieser Flucht. »Hin geht die Zeit, her kommt der Tod.« Und kommt er, so ist unsere Zeit vergangen. Und aller Protest: »Das kann doch nicht alles gewesen sein!«, nützt dann gar nichts, denn die eisige Majestät des Todes sagt nur eben, daß das für uns alles gewesen ist.

Daß sie nur das sagt, bedeutet auch, daß es uns hier die Sprache verschlägt. »Der Tod ist stumm. Und macht stumm.« (1) Auch uns Noch-nicht-Gestorbene, wenn wir denn einmal nicht umhin können, auf Schon-Gestorbene zu blicken. Aber genau angesichts dessen hat uns die Bibel etwas zu sagen. Wenn sie gerade hier redet und nicht verstummt, so ist das schon verwegen. Aber es ist nicht die Verwegenheit des vor dem Tod fliehenden Menschen, der sich über die Tatsache des Todes hinwegredet. Bei dieser Art Verwegenheit pflegen wir unsere Verlegenheit mit Illusionen zu überspielen. Es geht um die Verwegenheit des Glaubens, der da, wo der Tod stumm macht, ein Wort hört: das Wort Eines, der angesichts des Todes und ihm zum Trotz redet, weil er da, wo es mit uns zu Ende geht, seinerseits nicht am Ende ist. Die Worte der Bibel sind eine Antwort auf dieses Wort. Um die Antwort auch nur annäherungsweise nachvollziehen zu können, müssen wir einen langen Weg gehen.

1 Die Wirklichkeit des Todes

Wir haben uns zunächst sagen zu lassen: Wir sterben wirklich und nicht bloß scheinbar. Der Tod beendet unser irdisches Leben und unterbricht es nicht bloß. Er setzt einen Schlußstrich hinter unser irdisches Leben und ist nicht Übergang zu einer Fortsetzung unseres Lebens, vielleicht unter verbesserten Umständen. Alle Vorstellungen von einem »Leben nach dem Tod«, die die unerbittliche Wirklichkeit des Todes bagatellisieren, machen uns falsche Hoffnungen. Und wenn wir es sonst nicht wahrhaben wollen, daß der Tod unser Ende ist, so klärt uns doch das Wort Gottes im biblischen Zeugnis darüber auf. Dieses Wort schwächt die Wirklichkeit des Todes nicht ab. Es sagt uns, daß wir sterben müssen und daß das bedeutet, daß wir dann keine weitere Zeit mehr haben.

Das ist darum zu betonen, weil hier das christliche Denken seit Jahrhunderten tief überfremdet wurde vom alt-griechischen Denken. Demnach setzt sich der Mensch zusammen aus einem sterblichen Leib und einer unsterblichen Seele. Wie der auf das Vergängliche gerichtete Leib selbst vergänglich sei, so sei die auf Unvergängliches gerichtete Seele selbst unvergänglich. Deshalb sei der Tod nur ein Auseinandergehen des Sterblichen und Unsterblichen im Menschen. Ja, er sei die »Erlösung« der unsterblichen Seele von der Last des sterblichen Leibs. In seinem Tod, sagt Plato, stirbt »das Sterbliche an ihm, das Unsterbliche ... jedoch zieht wohlbehalten ab, dem Tod aus dem Wege« (2). Wieviele Trostsprüche und Grabinschriften zehren noch heute von diesem platonischen Erbe!

Die Bibel denkt aber nicht auf dieser Linie. Um hier den Unterschied der biblischen Sicht von der der griechischen auch nur wieder zu sehen, haben wir zu beachten, daß es nach Ps. 90,12 der Gegenstand einer uns nötigen Bitte zu Gott ist (wie Luther sinngemäß übersetzt): »Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen.« Wir – unser ganzer Mensch, der sich nicht in die Teile eines sterblichen Leibs und einer unsterblichen Seele aufspalten läßt, der nach Leib und Seele von beidem, von Leben und Sterben betroffen ist (3). Nach biblischem Denken ›hat‹ der Mensch nicht eine Seele. Er ist die Seele seines Leibs, d.h. eine lebendige Person. Er ›hat‹ auch keinen Leib, beides ist nicht Besitz des Menschen. Beides ist Gabe. Gott als »die Quelle des Lebens« (Ps. 36,10) gibt das Leben und nimmt es dann wieder. Nimmt er es, so hat der Mensch seine Zeit gehabt.

Im Tod sind wir »wie Wasser, das auf die Erde geschüttet wird und das man nicht mehr fassen kann« (2. Sam. 14,14). »Die Wolke entschwindet und geht dahin; so kommt nicht herauf, wer ins Totenreich stieg. Er kehrt nicht wieder zu seinem Haus und seine Stätte kennt ihn nicht mehr« (Hi 7,9f.). Keine Rede davon, daß der Tod eine Erlösung sei, wie man in manchen Todesanzeigen liest! Er ist nur eben Ende. »Nackt bin ich aus meiner Mutter Schoß gekommen und nackt werde ich wieder dahingehen« (Hi 1,21). Nackt, weil aus dem Verkehr gezogen mit den Lebenden, ja, aus dem Verkehr mit Gott. Da werde ich »den Herrn nicht mehr sehen« (Jes. 38,11). »In der Unterwelt gibt es nicht Schaffen, noch Planen, noch Erkenntnis mehr« (Koh. 9,10). Da sind wir »im Lande des Vergessens« (Ps. 88,11f.). Keine Verklärung, keine Verharmlosung des Todes. Er ist die unübersteigbare Grenze unseres Lebens.

Und diese Grenze ist unheimlich: so sehr, daß das Leben mit Segen, der Tod mit Fluch gleichgesetzt werden kann (Dt. 30,19). Daß das Leben »der höchsten Güter nicht« sei (Schiller) (4), kann auf dieser Linie nicht gesagt werden. Doch, es ist der Güter höchstes (5). Gewiß nicht das Leben abgesehen von Gott als der »Quelle des Lebens«! Ein von dieser Quelle abgeschnittenes Leben wäre eine Vorabschattung des Todes, in dem man Gottes nicht gedenkt (Ps. 6,6). Insofern heißt es: »Deine Güte ist besser als Leben« (Ps. 63,4l), weil ohne sie allerdings das Leben nicht der Güter höchstes wäre. Darum hängt sich der Beter angesichts der nach ihm greifenden Todesschatten an diese Güte, so wie er es im Tode nicht mehr kann: »Dennoch bleibe ich stets bei dir« (Ps. 73,23). Es bleibt auch so dabei, wie es Koh. 9,4 im Sprichwort sagt: »Ein lebendiger Hund ist besser als ein toter Löwe.«

Es entspricht dieser Sicht des Todes, daß von da her das Leben in einer doppelten Weise gesehen wird. Auf der einen Seite wird dadurch das uns gegenwärtig beschiedene Leben wichtig gemacht. Nicht im Sinn der blöden Lebensgier, die in Wahrheit das Leben verfehlt: »Laßt uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot« (Jes. 22,13). Aber im Sinn der besonnenen Bejahung des Lebens mit seinen Werktagen und seinen Feiertagen. Und im Sinn der weisen Respektierung der eigenen Lebenszeit und der der Anderen als einer uns geschenkten einmaligen Gnadenfrist. Mit Koh. 12,1–8: »Sei deines Schöpfers eingedenk in der Blüte deines Lebens ..., ehe die Sonne sich verfinstert ..., wenn das Zwitschern der Vögel erstirbt und alle Töchter des Gesanges verstummen.« Sei Gottes eingedenk, indem du die Sonne siehst und das Zwitschern hörst und unterdes das Deine tust!

Aber auf der anderen Seite: Von jener Grenze unseres Lebens her fällt ein Schatten in unser gegenwärtiges Leben hinein. »Dieweil ich leb auf dieser Erden, leb ich in steter Todsgefahr.« Der Tod hat etwas wie eine immer schon nach uns greifende Hand (Ps. 89,49). Und die Unterwelt hat gar einen »gierigen Schlund und sperrt auf ihren Rachen über die Maßen« (Jes. 5,14). »Der Tod ist unersättlich« (Hab. 2,5). Krankheit, Einsamkeit, Gebundenheit sind Zeichen dieser Hand. Und ihr Greifen macht, daß unser Leben stets auch ein sorgenvolles ist: eines, in dem wir uns dagegen wehren müssen, daß uns diese Hand in den Griff nimmt, wohl auch wehren dürfen, aber immer nur vorübergehend wehren können, bis wir es nicht mehr können.

Ich habe jetzt nur aus dem Alten Testament zitiert. Im Neuen Testament wird noch etwas Anderes dazu gesagt. Aber dieses Andere besteht nicht darin, daß dadurch die Bedeutung des Todes als unseres Lebensendes abgeschwächt wird, etwa gar in Richtung der Behauptung nun doch eines unsterblichen Kerns des Menschen. Nach 1.Ti. 6,16 hat Unsterblichkeit Gott »allein«. Darin stimmt das Neue mit dem Alten Testament überein. Und so bedeutet die dort bezeugte Menschwerdung des Sohnes Gottes schon als solche die Entscheidung darüber, daß auch er damit der lebensbeendenden Gewalt des Todes ausgeliefert wurde. Das besiegelt das, was der Tod kann. Und daß Jesus mit einem Schrei starb und nicht mit dem heiterem Lächeln des griechischen Weisen Sokrates bekundet auch sein Wissen, daß der Tod Beendigung und nicht Erlösung ist.

2 Die Bitterkeit des Todes

In der Bibel kann der Tod ein Fluch genannt werden, ein Unheilvolles, das man sich nicht wünschen, das man nur fürchten und fliehen kann. Da ist offenbar noch etwas Unausgesprochenes, das sich dagegen sperrt, unseren Tod als etwas Normales und Natürliches zu begrüßen. Da ist etwas, was den Tod erst recht zur Schreckensherrschaft erhebt und was uns das Sterben bitter und den Tod befremdlich macht. Er hat einen Stachel, den auch die ahnen mögen, die mit jener Lebensgier sich die Zeit totschlagen, bis die Zeit sie totschlägt. Aber wir müßten diesen Stachel genau sehen, um wie von der verkehrten Lebensgier, so von der verheerenden Todesangst befreit zu werden. Sehen wir ihn?

Vielleicht hat sich ja in neuerer Zeit die Nichtigkeit der griechischen Vorstellung von einem unsterblichen Teil des Menschen etwas herumgesprochen. Vielleicht haben die Menschen heute eine Witterung dafür bekommen, daß mit unserem Tod unsere Zeit um ist. Aber in der Witterung dafür mag auch der Grund dafür liegen, daß wir uns nun auch viel Mühe geben, jenen Stachel des Todes vor uns zu verbergen. Das geschieht etwa so, wie es in unserer heutigen Gesellschaft ja auffallend der Fall ist: daß das Sterben in Kliniken abgeschoben wird und dann dort als eine Art Panne medizinischer Kunst vorkommt. Oder das geschieht so, daß der eigene Tod organisiert und zelebriert wird als eine letzte, aber siegreiche Verwirklichung menschlicher Freiheit und Selbstbestimmung. Oder das geschieht so, daß wir uns aus dem Biologiebuch sagen lassen: es sei halt das Natürlichste von der Welt, daß das Aufhören der Individuen zur Erhaltung der Arten dazugehört.

So oder so wird hier der Stachel des Todes ausgeblendet. Bei der Bitterkeit des Todes ist es noch mehr wie bei seiner Wirklichkeit so, daß uns das Wort Gottes dafür die Augen öffnen muß. Es sagt uns, daß im Tod nicht nur das Ende unseres Lebens über uns hereinbricht. In ihm wird auch die Bilanz aus ihm gezogen. Und das ist es, was die Wirklichkeit des Todes so bitter und giftig macht. Denn indem unsere Zeit aufhört, kommt heraus, daß zwischen unserem Anfang und unserem Ende nicht nur unser Leben, sondern auch unsere Schuld steht. Mit unserem Leben ist uns eine Verantwortung für unser Leben gegeben. Das unterscheidet uns vielleicht von der Fliege, die abends tot am Boden liegt. Jedenfalls unterscheidet uns das von ihr, daß wir von der Verantwortung einen sträflichen Gebrauch zu machen geneigt sind. Unser guter Vorsatz, die Schuld wiedergutzumachen, sofern wir sie überhaupt je sehen, wird dann als Illusion entlarvt. Nichts ist mehr wieder gut und auch nur besser zu machen. Was versäumt ist, ist versäumt. Und die von uns so gern gehegten Unterschiede zwischen großer und kleiner Schuld werden dann zerrinnen angesichts dessen, daß wir so oder so unwiederbringlich nichts mehr daran ändern und zu unserer Rechtfertigung vortragen können.

Doch nicht wir, Gott ist es, der diese Bilanz zieht. Und die seinige wird immer noch einmal eine andere sein als die, die wir in unserem Sterben und die Andere an uns Toten vollziehen mögen. »Richtet nicht«, sagt Jesus (Mt. 7,1), nicht weil es kein Gericht gäbe, aber weil wir die Richter nicht sind. »Mit deinem Urteil, o allmächtiger Gott, stehen und fallen wir«, hat Calvin gebetet (6). Diesem Urteil sind wir nicht etwa dadurch entzogen, daß wir im Tode nicht mehr sind. Im Sterben gehen wir nicht nur dem Tod, sondern auch Gott entgegen. Unser Tod bedeutet darum, daß uns nicht nur unsere lebenslange Flucht vor dem Tod, sondern auch die Flucht vor Gott nicht gelungen ist. Das Mißlingen der Flucht vor Gott, das wird zugleich das Urteil über unser Leben sein. Und dieses wird ein gerechtes und wird ein kritisches Urteil sein, wenn denn unser Leben voller Flucht und Ausflüchte vor Gott war. Ja, muß dieses Urteil über unser gelebtes Leben nicht für uns erst recht vernichtend sein? So daß unser Tod nicht nur die Beendigung, sondern die Verstoßung unseres Lebens sein muß! Nicht nur ein natürliches Ableben, sondern ein höchst unnatürliches »Zeichen des Gerichtes Gottes über uns« (7)!

Das betont das Neue Testament noch stärker als das Alte. Es nimmt in der Wirklichkeit des Todes die Bitterkeit des Todes wahr. Es sieht seinen Stachel darin, daß unser Leben in seinem Ende unter der Drohung des vernichtenden Urteils Gottes steht. Nicht daß wir den Tod nicht beseitigen können, aber daß er unter dieser Drohung steht, das macht ihn bitter. Unser Tod, sagt das Neue Testament, gehört mit unserer Schuld zusammen. Er ist der Sold, der uns für unseren Dienst in der Sünde ausgezahlt wird (Röm. 6,23). Er hat in ihr seinen für uns erst recht giftigen Stachel (1.Kor. 15,26). »Die Sünde gebiert den Tod« (Jak. 1,15). »Wenn ihr nach dem Fleisch (in der Sünde) lebt, so werdet ihr sterben« (Röm. 8,13). Durch die Sünde waltet der Tod als Fremdherrscher in der Welt (Röm. 5,12. 14.17). Ja, es ist der Teufel, durch den der Tod zur gottwidrigen Gewaltherrschaft wird (Hebr. 2,14). Das Neue Testament sieht den Tod nicht milder als das Alte. Daß es ihn nicht nur als Ende sieht, sondern unter der Drohung ewiger Pein, von Heulen und Zähneknirschen, das hängt damit zusammen, daß in der Mitte des Neuen Testaments der vor Augen steht, der den Tod unmittelbar als Fluch erlitten hat (Gal. 3,13).

Dabei dürfen wir uns den Zusammenhang von Sünde und Tod nicht nach Art einer schlechten Pädagogik vorstellen: »Wer nicht hören will, muß fühlen.« Der Tod ist nicht göttliche Rache für unser schlechtes Benehmen. Nicht Gott rächt. Im Tod rächt unsere Sünde sich. Röm.8,6: »Das Streben der Sünde ist der Tod, denn sie ist Feindschaft gegen Gott .« Das heißt: obwohl wir unser Leben in der Sünde für Leben halten mögen, es trägt schon den Tod in sich, es zielt darum praktisch auf ihn und gebiert ihn dann zuletzt aus sich heraus. In dem, was die Bibel Sünde nennt, sind wir weit entfernt von der Welt, in der Gott uns gut geschaffen hat. Es ist das Leben, in dem der Mensch sich selbst der Nächste ist, das Leben, in dem wir darum fürchten, zu kurz zu kommen, wenn wir nicht zuerst und immer wieder zuerst an uns selbst denken. Es ist darum das Leben, in dem der Mensch sich auf sich selbst allein verlassen muß. Im Grunde lebt er todeinsam, am entscheidenden Punkt immer wieder ganz allein, praktisch ohne Gott, und darum ohne den Mitmenschen und ohne die Mitwelt, und darum ohne Vermögen, sein eigenes Leben und seine Lebenszeit als Geschenk zu bejahen. Das nennt die Bibel Sünde. Sie ist schon in sich tödlich. Und die Bitterkeit des Todes liegt darin, daß er das von uns nicht mehr zu ändernde Tödliche der Sünde offensichtlich macht (8). Der Mensch erntet nun, was er gesät hat. Er, der sich auf sich selbst verlassen wollte und mußte, ist nun ganz und gar verlassen. Er, der im Grund Todeinsame, ist nun einsam tot.

Dieser Tod gehört für die Bibel nicht zur guten Schöpfung Gottes. Dieser Tod: der durch die Sünde geprägte Tod, der Tod, in dem der Mensch erntet, was er gesät, in dem der von Gott getrennte Mensch seinem Gott für immer fern ist und für immer in letzter Verlassenheit verendet. Dieser Tod ist »der letzte Feind» (1.Kor. 15,28f.). Und zwar ist er zuerst der Feind Gottes selbst, der nur von ihm und von ihm nur bestritten werden kann und der, wenn er unbestritten bliebe, Gott selbst bestreiten würde. Und nur weil er Gottes Feind ist, haben wir ihn auch als unseren Feind zu sehen und dürfen seine Bitterkeit beklagen. Denn ohne die Feindschaft Gottes gegen ihn dürfen wir uns ja wohl nicht darüber beklagen, daß unsere Sünde uns im Tod unseren Sold ausbezahlt.

3 Die Begrenzung des Todes

Mitten in diese Bitterkeit des Todes hinein spricht das Evangelium die Botschaft von der Begrenzung des Todes. Begrenzung heißt nicht: Abschaffung des Todes, aber Abschaffung seiner Absolutheit. Begrenzung heißt nicht, daß die Grenze, die er bedeutet, geleugnet wird, aber daß er seinerseits in seine Schranken gewiesen wird. Es ist etwas geschehen, sagt das Neue Testament, aufgrund dessen »dem Tod die Macht genommen ist« (2.Tim. 1,10) – seine Macht: nicht seine Wirklichkeit, aber seine Bitterkeit. Daß ihm seine Macht genommen ist, das ist die Tragweite dessen, daß er begrenzt worden ist durch das, was da geschehen ist. Er ist begrenzt worden – nicht durch uns Menschen; für uns bleibt er die Grenze unseres Lebens. Aber er ist durch Gott begrenzt worden, indem er in diesem Geschehen erwiesen hat, daß diese Grenze ihn nicht an seiner Verbundenheit mit uns zu hindern vermag. Wohlgemerkt, es geht um ein Geschehen in der Zeit, nicht um eine bloße Idee von einer göttlichen Unberührtheit von Zeit und Tod.

In der Folge dieses Geschehens, durch das die Macht des Todes in ihre Schranken gewiesen ist, werden im Neuen Testament Töne laut, die so kräftig sind, daß man sie für pure Übertreibungen zu halten geneigt sein mag. Da hört man die Christusgläubigen sagen: sie hätten den Tod bereits hinter sich. Da heißt es: Es sei der Mensch, wie wir ihn kennen, ein »alter« geworden, ja, ein gewesener, weil er mit Christus gestorben sei (Röm. 6,6–8). »Ich lebe, doch nicht ich lebe mehr« (Gal. 2,20). Denn »wir wissen, daß wir aus dem Tode in das Leben hinübergegangen sind« (1. Joh.3,14). Und so sagt der Jesus des Johannesevangeliums: »Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der ... ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen « (Joh. 5,24). Und weiter: »Jeder, der lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit« (Joh. 11,25).

Wie ist das gemeint? Denn an der letzteren Stelle heißt es weiter: »Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.« Das Hintersichhaben des Todes, von dem jene Stellen im Blick auf die Glaubenden reden, schließt also nicht aus, daß die Glaubenden immer noch sterben, so wie alle anderen auch. Das Hintersichhaben des Todes meint nicht, daß sie dadurch, und sei es auch nur teilweise, unsterblich geworden seien. Aber ist dann die Rede vom Hintersichhaben des Todes bloß ein blumiges Gerede, das auf den Sachverhalt des Sterbens keinen Einfluß hat? Das ist erst recht nicht gemeint. Vielmehr wird durch das Hintersichhaben des Todes die Stellung zum Sterben eine völlig neue. Es wird dadurch nicht die Wirklichkeit, aber die Bitterkeit unseres zeitlichen Endes genommen. Es wird dadurch nicht seine Tatsache verkannt, aber seine Macht entwaffnet. Es wird dem Menschen dadurch ein Friede geschenkt, der ihm auch dann nicht geraubt wird, wenn er stirbt – ein Friede, in dem er sein zeitliches Ende wohl nicht sich wünschen wird, aber auch nicht fürchten muß, ein Friede, in dem wir ruhig darum bitten dürfen: »Wollst endlich sonder Grämen aus dieser Zeit uns nehmen durch einen sanften Tod ...« Wie ist diese friedensstiftende Entwaffnung der Macht des Todes zustandegekommen? Was ist jenes Geschehen in der Zeit, das die Entgiftung der Bitterkeit des Todes heraufgeführt hat? Etwa die Auferweckung Jesu von den Toten? Ja, das Zeugnis von ihr ist ganz unentbehrlich. Denn sie bringt allererst ans Licht, worauf das Neue Testament vielmehr mit langem Finger hinweist als auf das Ereignis, in dem die Macht des Todes entwaffnet wurde. Dieses Ereignis ist der Tod Jesu. So merkwürdig das für uns tönen mag, aber für die neutestamentlichen Zeugen gibt es keine begründete Rede von der Entwaffnung der Todesgewalt und keinen Trost im Leben und Sterben außer im Blick auf den Tod Jesu. Die neuerlich in Mode gekommene Kritik, die dem biblischen »Wort vom Kreuz« einen Sadismus, eine Freude Gottes am Leiden vorwirft, ist so töricht wie die Auffassung, die das »Wort vom Kreuz« als Bejahung eines Sadismus mißversteht. Wie kann man so an der Sache vorbeisehen!

Der Tod Jesu am Kreuz wird ja nicht schöngeredet. Er ist eine Stunde realer Gottesfinsternis. In ihr schreit Jesus im Ernst: »Mein Gott,warum hast du mich verlassen?« (Mt. 27,46) Da tritt offenbar das ein, was uns an unserem Ende droht, und ist hier schrecklich wahr, nicht bloß Beendigung des Lebens, sondern seine Verstoßung, der Tod als Fluchtod (Gal. 3,13). Und Gott schaut dem nicht von oben herab zu, geschweige, daß er sich daran weidet. Sondern das ist das Licht, das an Ostern in diese Finsternis fällt: Gott ist mit diesem da und so Sterbenden und Gestorbenen. Gott ist mit diesem Gottverlassenen. Und also setzt sich Gott selbst hier der Gottverlassenheit aus, läßt sich hineinziehen in diesen Fluchtod und tut das, um nun so der Gott zu sein, dem selbst jener Stachel Leid tut, der unseren Tod zur Hölle machen muß. »O Tod, wo ist dein Stachel nun?« Nun trifft sein Stachel Gott selbst. Nun hat er so aber auch »seinen ›Stachel‹ ... im Leben Gottes zurücklassen müssen.« (9)

Denn indem inmitten der Gottverlassenheit dieses Toten Gott mit ihm ist, ist dieser Eine nicht allein. Da, wo in letzter Verlassenheit die Todeinsamkeit herrscht, ist vielmehr ein Miteinander. Da ist intimste Nähe Gottes zu diesem Verlassenen. Da offenbart sich die Liebe Gottes. Sie offenbart sich darin, daß er den Gottverlassenen nicht verläßt, seine Gottverlassenheit mit ihm teilt, auf sich und in sich hinein nimmt. Damit hat der Tod seinen Stachel verloren. Den hat er ja durch unsere Sünde, die uns von Gott trennt und uns in die Todeinsamkeit treibt und stürzt. Eben die Liebe Gottes, in der er dem den Fluchtod Erleidenden nahe ist, entwaffnet die Macht des Todes. Im Blick darauf sagt das Neue Testament, daß Jesus diesen Fluchtod erlitt »für uns« (Gal. 3,13). Gott steht zu diesem einen ganz von Gott Verlassenen und steht zu ihm so, daß der Stachel der Gottverlassenheit ihn selbst verwundet, damit uns das zugute komme. Er offenbart damit seine Liebe an diesem Einen, der an unserer Stelle steht, aber in diesem Einen seine Liebe zu all seinen Menschenkindern und offenbart sie so, daß für uns der Tod keinen Stachel mehr haben muß.

Und wer an Gott in Jesus Christus glaubt, der darf sich daran halten. Der darf wissen, daß er in Christus den Tod hinter sich hat – nämlich den Tod, den Christus gestorben ist: den Tod als Fluchtod, den Tod als die ewige Verstoßung unseres Lebens, den Tod als die bittere Konsequenz unserer Sünde, unserer Trennung von Gott, den Tod, der den höllischen Stachel der Gottverlassenheit hat. Dieser tödlichen Folge seiner Sünde ist er entnommen. Dem ist er entnommen, weil er nun überhaupt sich selbst entnommen ist – nämlich sich als dem Menschen, der einsam für sich allein lebt. Das tödliche Resultat des bloßen Fürsichseins hat Gott im Sterben Jesu auf sich genommen und hat es überwunden durch sein Fürunssein, d.h. durch seine Liebe. Er hat es überwunden, indem er in Christus den Menschen am bitteren Ende alles Alleinseins nicht allein gelassen, sondern von seinem Alleinsein befreit hat. Damit hat er für uns ein neues Leben eröffnet. Und dieses neue Leben ist dadurch gekennzeichnet, daß wir darin uns entnommen sind. Wir als die bloß für uns Lebenden sind uns entnommen, weil hineingenommen in Gottes Liebe. Wir gehören nicht mehr uns selbst. Wir gehören uns selbst nur noch in der liebenden Beziehung Gottes zu uns und in seiner Beziehung zu unseren Mitmenschen.

Mit Paulus: »Keiner lebt und keiner stirbt für sich selbst allein. Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, ob wir leben oder sterben: wir gehören dem Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden« (Röm. 14,7–9). Unter Berufung darauf sagt der Heidelberger Katechismus, unser einer Trost liege darin, daß wir im Leben und Sterben statt uns unserem getreuen Heiland gehören. Daß wir im Leben und Sterben uns entnommen, weil in Gottes Liebe genommen sind, heißt nicht, daß wir dem Sterben entnommen sind, aber heißt, daß unserem Tod der Stachel genommen ist. Das heißt, daß wir getrost sterben dürfen, »entschlafen«, wie das Neue Testament das von jenem Stachel befreite Sterben nennt. Der davon befreite Tod ist kein Fluch mehr; der gehört zur guten Schöpfung Gottes. Er ist vom Fluch befreit, indem wir in unserem Tod dem Gott begegnen, der unser Richter, aber um Christi willen unser barmherziger Richter ist, »der uns mit Liebe begegnet«. Aber gerade weil dem Tod an unserem Ende jener Stachel genommen ist, bekommt auch unser Leben vor dem Tod seine Wichtigkeit. Weil wir in Christus schon jetzt uns gnädig entnommen sind durch die Liebe Gottes, können wir es eigentlich nur noch selbst auch in Liebe leben. Wir können darum gar nicht genug für das Leben eintreten und nicht genug gegen den gewaltsamen, durch menschliche Achtlosigkeit und Menschenverachtung herbeigeführten Tod. Wie wollen wir im Sterben Christus gehören und also getrost ein, wenn wir im Leben unsere Zugehörigkeit zu ihm verleugnen?

4 Das Jenseits des Todes

Aber bedeutet das nicht zuletzt doch, daß mit dem Tod alles aus ist? Wir kommen scheinbar erst jetzt zur Frage unseres Themas. Wir können tatsächlich erst nach den zuvor gegangen Schritten direkt auf diese Frage zu reden kommen. Wer die vorherigen Schritte etwa für einen unnötigen Umweg hält, der sollte überlegen, ob seine Frage nach einem »Leben nach dem Tod« nicht die Frage seines egoistischen Ich sein könnte, das auch über den Tod hinaus sich selbst behaupten möchte. Diesem Ich sagt Jesus: »Wer sein Leben erhalten will, gerade der wird es verlieren. Nur wer es verliert um meinetwillen verliert (an mich ›verliert‹), der wird es finden« (Mt.16,25). Die Frage nach einem »Leben nach dem Tod« stellt sich in der Bibel nicht, weil wir sie aufwerfen, nicht, weil wir fordern, es dürfe mit unserem Lebensende nicht alles aus sein, nicht, weil wir schlußfolgern: Wenn wir im Tod an unsere Grenze kommen, dann muß es auch ein Jenseits dieser Grenze geben.

Die zuvor gegangenen Schritte waren auch darum nötig, um uns klarzumachen, daß es auf die so gestellte Frage nach einem »Leben nach dem Tod« keine Antwort gibt und daß die trotzdem von uns darauf ersonnenen Antworten bloß unsere Träume sind, vielleicht schöne Träume, denen aber noch lange keine Erfüllung entspricht. Vielmehr ist es so, daß Gott selbst in seinem Wort nach der Bibel jene Frage aufwirft. Nicht weil der Tod die Grenze unseres Lebens ist, aber weil Gott die Grenze in unserem Tod ist und weil er seiner Bitterkeit ihren Stachel, ihre uns Sünder zurecht erschreckende Macht nimmt, darum stellt sich jene Frage. Darum fragt sich, ob es Gott mit unserer Befreiung zu getrostem Sterben sein Bewenden haben läßt, um es im übrigen für uns damit alles aus sein zu lassen. Begrenzt Gott wohl den Tod in seiner Bitterkeit, um aber im übrigen die Wirklichkeit des Todes für uns grenzenlos sein zu lassen?

Auf diese Frage, die das Wort Gottes aufwirft, gibt es eine Antwort. Diese Antwort hat die Verfasser der Bibel nicht so gesprächig gemacht, wie es die Religionen sonst in Sachen »Leben nach dem Tod« sind. Aber die Antwort ist so, daß wir uns daran genügen lassen können. Und indem dasselbe Wort Gottes, auf das wir schon zuvor zu hören suchten, uns diese Antwort gibt, wird für uns dabei nicht ein völlig neues Buch aufgeschlagen. Es werden nur die Linien weiter ausgezogen, auf denen wir bisher zu denken hatten. Dementsprechend lautet die Antwort so: Damit daß Gott in Christus dem Tod seinen giftigen Stachel nimmt, beweist er, daß er den Tod überhaupt in seiner Hand hat. Damit, daß er die Macht des Todes, Sold für unsere Sünde zu sein, in die Schranken weist, stellt er klar, daß der Tod überhaupt an ihm seine Schranke hat. Damit, daß die Sünde schon ihre Macht verloren hat, uns von Gott zu trennen, hat letztlich auch bereits der Tod seine Macht verspielt, uns ewig von Gott trennen zu können. Nicht gibt es »ein« Jenseits des Todes. Das Jenseits des Todes ist der dem Tod jenseitige Gott.

Und nicht hat der Mensch ein solches Jenseits. »Gott ist sein Jenseits.« (10) Und also: »Unser Tod ist unsere Grenze. Unser Gott aber ist die Grenze auch unseres Todes.« (11) Er bleibt, wenn es mit uns zu Ende ist – mit Paulus: »Gott wird sein alles in allem« (1.Kor. 15,28).

Aber nun war unser langer Weg bis zu diesem Punkt auch darum nötig, weil wir ja jetzt auch sagen können, wer dieser Gott ist, der bleibt, auch wenn für uns sonst keine Bleibe mehr ist. Es ist der Gott der Liebe. Er ist der, der sich mit uns verbindet – so nah, daß der Stachel unseres Todes in seinem Leben zurückbleiben konnte – so nah, daß er von uns gar nicht mehr anders zu denken ist als der menschenfreundliche »Gott mit uns«. Wir verstehen darum nun auch, was das heißt, daß Gott bleibt, ewig ist. Ewigkeit heißt bei ihm nicht unendliche Zeit, weil, wer unendlich Zeit hat, nie Zeit hat. Ewigkeit heißt bei ihm auch nicht Zeitlosigkeit, weil ein solcher Gott mit uns zeitlichen Wesen ewig nichts zu tun haben könnte. Gott hat es aber in jenem bestimmten Ereignis in der Zeit gar sehr mit uns zu tun – und zu leiden – bekommen. Seine Ewigkeit schließt nicht aus, daß Gott für uns Menschen Zeit hat, sich Zeit nimmt. Seine Ewigkeit besteht darin, daß er immer der Erbarmer ist, als der er sich erwiesen hat, indem er sich für uns Zeit nahm: ohne Vergangenheit, in der uns das nicht schon zugedacht war, und ohne Zukunft, in der das nicht gelten wird. »Seine Güte währet ewiglich « (Ps. 118,1).

Wenn es aber dieser Gott ist, der ewig ist, dieser, der das Jenseits unseres Todes ist, dem wir darum in unserem Sterben entgegengehen und der in unserem Tod die Grenze des Todes ist, dann dürfen wir sagen: Es ist nicht ein von uns gelöster oder gar von uns erlöster Gott. Es ist der barmherzige, der mit uns unlöslich verbundene »Gott mit uns«. Daß der ewige Gott auch jenseits unseres Endes der Gott mit uns ist, das versteht sich freilich nicht von selbst. Das ist nicht automatisch so. Das ist nur wahr aufgrund einer freien, gnädigen Entscheidung Gottes, wahr nur aufgrund einer neuen Tat der Treue Gottes. Diese Tat ist das, was das Neue Testament unsere Auferstehung von den Toten nennt: die Tat des Gottes, »der da lebendig macht die Toten und ruft dem, was nicht ist, daß es sei» (Röm. 4,17). Eben aufgrund dieser Tat wird und ist es wahr, daß Gott auch jenseits unseres Todes mit uns ist. Und so sehr diese Tat ganz in Gottes frei-gnädiger Entscheidung liegt, so dürfen wir doch getrost auf sie hoffen. Wir dürfen es im Blick auf Jesus Christus. Denn in ihm ist Gott so für uns eingetreten, daß wir eben dessen gewiß sein dürfen: Wenn schon die Trennmacht der Sünde uns nicht mehr von Gott trennen kann, dann kann auch der Tod uns nicht mehr von Gott lösen. Im Blick darauf dürfen wir gewiß sein, daß uns nichts mehr »zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn» (Röm. 8,38f.). Darum sagt Paulus: »Wie in Adam alle sterben, so werden in Christus sie alle lebendig gemacht» (1. Kor. 15,22).

Er ist also nicht nur in unserem zeitlichen Leben der Gott mit uns. Er ist nicht nur vorübergehend unser Gott und dann einmal nicht mehr. Er ist ewig dieser Gott. Und darum, wenn unser Leben irdisch nur noch Vergangenheit ist, dann bleibt es doch in Gottes Ewigkeit ihm gegenwärtig. Dann haben wir zwar keine weitere Zeit, aber teil an Gottes ewigem Leben. »Dieses Verwesliche«, sagt Paulus, – ohne daß es aufhört, dieses Verwesliche zu sein (sonst wären wir ja nicht mehr die Menschen, die das und das irdische Leben hatten) – »wird anziehen Unverweslichkeit« (1.Kor. 15,54). Indem der Tod zwar unsere Grenze, Gott aber die Grenze dieses Todes ist, ist der Tod nicht ewig, werden aber wir im Mit-uns-sein Gottes mit uns Gestorbenen verewigt. Wir werden dann zwar nichts mehr sein außer dem, daß Gott uns alles ist. Aber Gott alles in allem und nicht ohne alles! Da erfüllt es sich: »Und Gott wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein« (Offb. 21,3).

Daß unser Leben jenseits des Todes keine zeitliche Fortsetzung hat, aber durch Gott hineingenommen wird in Gottes ewiges Leben, heißt wohl, daß Gott auch jenseits unseres Lebens der Gott mit uns ist. Das heißt aber auch, daß Gott dann auf eine neue Weise mit uns sein wird als in der, in der er es in unserer irdischen Zeit war, wie gut von uns geglaubt und erkannt oder auch nicht. Was er in unserer Zeit war: der Gott mit uns, dem hat er gewiß ewig nichts Anderes hinzufügen, – außer dem, daß er das ewig bewahrheitet – außer dem, daß er es auch nach unserem Sterben bekräftigt, daß er nicht vergeblich schon vor unserem Sterben dieser Gott mit uns war. Was bedeutet die ewige Bewahrheitung dessen?

Zum einen: »Wir werden ihn sehen, wie er ist« (1. Joh. 3,2). »Denn wir sehen jetzt nur wie mittels eines Spiegels in rätselhafter Gestalt, dann aber von Angesicht zu Angesicht« (1. Kor. 13,12). Daß Gott schon jetzt mit uns ist, das ist uns jetzt, ob geglaubt oder nicht, immer wieder sehr verborgen, verdunkelt, fraglich, bezweifelt. Dann aber wird das als die ewige Wahrheit leuchten und schließlich uns ein-leuchten. Zum anderen: Diese letzte Wahrheit wird wohl keine neue sein gegenüber der jetzt schon gültigen. Aber indem wir sie dann erst recht erkennen, wird sie damit ihre alles erneuernde Kraft erst recht an uns beweisen. So daß dadurch dann, wie es Jesus in den Gottesreichsgleichnissen verheißt, die Hungrigen und Durstigen ewig gesättigt, die Gekränkten ewig geheilt und den Weinenden ewig ihre Tränen getrocknet, uns Sündern ewig die Sünden vergeben sein werden! Zum dritten: In der Kraft dieser Wahrheit, daß Gott mit uns ist, wird keiner Gott ewig verloren sein. Während wir im jetzigen Leben füreinander immer nur sehr begrenzt Zeit haben und dann einander loslassen müssen, werden wir dann ewig zusammen sein, »eine Riesenmenge, die niemand zählen kann« (Offb. 7,9), vereint durch den, der ja nicht bloß mit »mir«, sondern mit uns ist, und vereint zum Lobpreis dieses Gottes.

Das ist das ewige Leben. Alles zusammengefaßt in den Worten, die der Dichter Dostojewski einen Trinker in seinem Elend sprechen läßt: »Und er wird alle richten und allen verzeihen, den Guten und den Bösen. Und wenn er mit allen zu Ende sein wird, dann wird er auch zu uns sprechen: ›Kommt auch ihr, wird er sagen, kommt, ihr Säufer, ihr Schwächlinge, ihr Schamlosen!‹ Und wir alle werden kommen und ohne Scheu vor ihn treten. Und er wird sagen: ›Ihr Schweine! Ebenbilder des Tieres, doch her mit euch!‹ Und die Weisen und Klugen werden ausrufen: ›Herr, warum nimmst du sie auf?‹ Und er wird sagen: ›Ich nehme sie auf, ihr Weisen, ich nehme sie auf, ihr Klugen, weil keiner von ihnen geglaubt hat, daß er dessen wert ist.‹ Und er wird seine Hände über uns ausstrecken, und wir werden niederfallen und weinen – und alles verstehen. ... Herr, dein Reich komme!« (12)

An diesem ewigen Leben dürfen wir – schon jetzt im Glauben teilbekommen. Und wer schon jetzt im Glauben daran teilbekommt, der wird seine Hoffnung auf das ewige Leben damit bewähren, daß er heute an die Seite der Verstoßenen, der Erniedrigten und Beleidigten tritt und ihnen die Hand reicht, sie aufnimmt und sich ihrer annimmt. Und der wird seine Hoffnung auf das ewige Leben auch damit betätigen, daß er die schon Gestorbenen nicht behandelt als Vergangene, die für ihn erledigt sind. Der wird mit ihnen umgehen so, wie es die Schrift von Abel sagt, daß Gott »durch ihn noch redet, wiewohl er gestorben ist« (Hebr. 11,4). Die letzten Sätze, die Karl Barth schrieb, bevor er starb, reden von den uns Vorangegangenen: »›Gott ist kein Gott der Toten, sondern der Lebendigen.‹ ›Ihm leben sie alle‹ – von den Aposteln bis zu den Vätern (und Müttern) von vorgestern und gestern. Sie haben nicht nur das Recht (, sondern die Aktualität), auch heute ... aufmerksam gehört zu werden.« (13) Eine Gemeinde, die so ihre Hoffnung bewährt, bezeugt damit, daß der Heilige Geist Jesu Christi, dem wir im Leben und Sterben gehören, uns des ewigen Lebens versichert und ihm fortan zu leben von Herzen willig und bereit macht.

1. E. Jüngel, Tod, Stuttgart/ Berlin 1971, S. 7. Die folgenden Ausführungen
verdanken diesem Buch so viel wie K. Barth, Kirchliche Dogmatik III/2, S. 524–
780.
2. Nach E. Jüngel, aaO S. 62.
3. So Heidelberger Katechismus Fr. 1. Hingegen redet Fr.57 in einer
bemerkenswerten Mischung aus griechischem Unsterblichkeitsdenken und
christlichem Auferstehungsglauben: Die Hoffnung richtet sich darauf, »daß nicht
allein meine Seele nach diesem Leben alsbald zu Christus, ihrem Haupt,
genommen wird, sondern auch, daß dies mein Fleisch durch die Kraft Christi
auferweckt, wieder mit meiner Seele vereinigt ... werden soll.«
4. F. Schiller, Die Braut von Messina (1803), Schlußworte.
5. E. Jüngel, aaO S. 79.
6. J. Calvin, Gebete zu den Vorlesungen über Jeremia und Hesekiel, übers. von W.
Dahm, München 1934, S. 11.
7. K. Barth, Kirchliche Dogmatik III/2, S. 725f.
8. E. Jüngel, aaO S. 99.
9. E. Jüngel, aaO S. 142.
10. K. Barth, Kirchliche Dogmatik III/2, S. 769.
11. AaO, S. 743.
12. F. M. Dostojewski, Schuld und Sühne, Gütersloh o.J., S. 26f.
13. K. Barth, Letzte Zeugnisse,

Vortrag auf dem Lippischen Ökumenischen Kirchentag in Bad Salzufeln am 17. Juni 2000

Gedruckt in: Eberhard Busch, Verbindlich von Gott reden. Gemeindevorträge, Neukirchen-Vluyn, Wuppertal 2002, 257-271

 

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